International
Wissen

Coronavirus: Hoffnung bei der Suche nach dem Corona-Impfstoff

Hoffnung bei Suche nach Corona-Impfstoff: «Wäre sehr viel Pech, sollten alle scheitern»

20.07.2020, 12:1220.07.2020, 13:02
Mehr «International»

Selten hat die Welt ähnlich gebannt auf einen Impfstoff gewartet wie seit Beginn der Corona-Krise. Ein kleiner Piks könnte die Corona-Pandemie bremsen und den Weg zurück zum Alltag ebnen.

Ein Impfstoff soll die Zahl von weltweit 200'000 registrierten Infektionen pro Tag drücken, Zehntausende Tote verhindern und möglichst bald den Menschen rund um den Globus wieder ein Leben ohne grosse Einschränkungen ermöglichen. Am liebsten sofort.

Tatsächlich geht die Suche nach einem Impfstoff in Rekordtempo voran. Es gibt Erfolge, so bilden geimpfte Probanden in einigen Fällen Antikörper gegen das Virus. Der Nachweis, dass einer der Stoffe auch wirklich schützt, steht aber noch aus.

Das grosse Rennen

epa08505895 One of the first South African vaccine trialists gets injected during the clinical trial for a potential vaccine against the Covid-19 Corona virus at the Baragwanath hospital in Soweto, So ...
Bild: keystone

Innerhalb kürzester Zeit starteten mehr als 150 Projekte, um solche Wirkstoffe zu prüfen. Keine sieben Monate nach Ausbruch der Pandemie werden nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO bereits mehr als 20 potenzielle Impfstoffe am Menschen getestet. Einige wenige befinden sich sogar schon in oder kurz vor der entscheidenden Phase der Tests.

Experten sind zuversichtlich, dass es Erfolge bei den Impfstoffkandidaten geben wird. «Es wäre sehr viel Pech, sollten alle scheitern», sagt etwa Soumya Swaminathan, Chefwissenschaftlerin der WHO, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Sie geht davon aus, dass Mitte 2021 ein Impfstoff in grösserem Massstab zur Verfügung stehen könnte. Doch selbst dann – das muss klar sein – wird Impfen vermutlich nur ein Baustein im Kampf gegen das Virus sein.

epa08525444 World Health Organization (WHO) Chief Scientist Soumya Swaminathan attends a press conference organized by the Geneva Association of United Nations Correspondents (ACANU) amid the COVID-19 ...
Bild: keystone
«Es wäre sehr viel Pech, sollten alle scheitern.»
Soumya Swaminathan, Chefwissenschaftlerin der WHO

Kein grosser Wurf erwartet

Auch Sebastian Ulbert vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI) prognostiziert, dass es im kommenden Jahr mehrere zugelassene Impfstoffe geben wird. Er schränkt jedoch ein: «Der grosse Wurf wird da aber wahrscheinlich noch nicht dabei sein.» So dürften die ersten Mittel nur bestimmten Gruppen zugutekommen, etwa jungen, gesunden Menschen. «Die Risikogruppen beim Corona-Virus, vor allem Senioren, sind auch am schwersten zu impfen.» Ihr Immunsystem reagiert oft nicht so gut auf Impfungen.

Zwar haben einige Hersteller in den vergangenen Wochen Daten vorgelegt, denen zufolge bestimmte Impfstoffkandidaten im menschlichen Körper die Bildung von spezifischen Antikörpern anregen, die zumindest im Laborversuch die Virusvermehrung hemmen. Bislang wurde aber noch für keinen potenziellen Impfstoff nachgewiesen, dass er wirklich Menschen vor einer Infektion mit Sars-CoV-2 schützt.

Dafür sind klinische Studien der Phase III notwendig, und erst bei einem der Kandidaten ist eine solche Studie schon richtig angelaufen. Dabei bekommen Tausende Freiwillige den Impfstoff verabreicht. Nach einigen Monaten lässt sich dann feststellen, wie viele dieser Menschen sich im Vergleich zu einer Kontrollgruppe infiziert haben. «Es ist wichtig, Wirksamkeitsdaten aus kontrollierten klinischen Prüfungen zu bekommen. Dafür braucht man aber hohe Infektionsraten», erklärt Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI).

«Der grosse Wurf wird da aber wahrscheinlich noch nicht dabei sein.»
Sebastian Ulbert vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI)

Diese Projekte sind am weitesten

In den Labors der Pharmabranche wird fieberhaft nach einem Impfstoff gesucht, mit dem das Coronavirus bek�mpft werden kann. (Archivbild)
Fieberhafte Suche nach dem Impfstoff gegen das Coronavirus.Bild: sda

Ausgerechnet in Grossbritannien und China, wo es Projekte mit vergleichsweise grossem Fortschritt gibt, ist das Virus aber eingedämmt. Was tun? Tatsächlich finden Phase III-Studien zu zwei dieser Impfstoff-Kandidaten nun in einem Land statt, in dem das Virus weiterhin wütet: Brasilien.

Besonders weit sind das britische Pharmaunternehmen AstraZeneca und die Universität Oxford. Gemeinsam hatten sie am 20. Juni damit begonnen, an rund 5000 Freiwilligen die Wirksamkeit ihres Impfstoffs zu prüfen. Er basiert auf bestimmten manipulierten Viren, die eigentlich bei Affen vorkommen.

An diesem Montag (20.7.) wollte auch der chinesische Pharmakonzern Sinovac in Brasilien mit einem Test an fast 9000 Angestellten aus dem Gesundheitssektor starten. Sinovac setzt dabei auf abgetötete Coronaviren. Weitere Unternehmen wie der US-Hersteller Moderna stehen in den Startlöchern.

Auch deutsche Firmen mischen mit. So legte erst kürzlich die Mainzer Firma Biontech in Kooperation mit dem US-Konzern Pfizer erste ermutigende Daten vor. Die Tübinger Firma Curevac kann sich vor Freiwilligen für eine erste Studie kaum retten. Beide deutschen Firmen arbeiten an sogenannten RNA-Impfstoffen.

Sie enthalten genetische Informationen des Erregers. Die Körperzellen der geimpften Probanden sollen mit ihrer Hilfe Oberflächenproteine des Coronavirus herstellen – gegen die schliesslich das Immunsystem Abwehrfaktoren wie beispielsweise Antikörper bildet. Allerdings ist bislang kein genbasierter Impfstoff für Menschen zugelassen.

Ein Ziel, verschiedene Ansätze

Die unterschiedlichen Funktionsweisen der Impfstoffkandidaten haben Vor- und Nachteile. Das Ziel ist dasselbe: Eine Immunreaktion gegen das Virus soll provoziert werden, ohne dass eine Infektion stattgefunden hat. Dadurch soll ein längerfristiger Schutz entstehen.

Unklar ist, ob und wie lange durch eine Impfung gebildete Antikörper überhaupt etwas bringen. So weisen mehrere Studien darauf hin, dass Antikörper nach einer Infektion relativ schnell wieder aus dem Blut verschwinden können. Ist das bei einer Impfung genauso? Und was heisst das dann für die Schutzwirkung? Man beobachte die Ergebnisse sehr genau, sagt Swaminathan von der WHO. Die Tatsache, dass neutralisierende Antikörper verschwinden, bedeute aber nicht, dass die Immunität weg sei. Es gebe Berichte, dass die zellenvermittelte Immunantwort – die T-Zellen-Antwort – ziemlich wichtig sein könnte.

Auch Ulbert setzt bei der Immunantwort auf T-Zellen. Sie könnten Virus-infizierte Zellen in Schleimhäuten direkt ausschalten – und Sars-CoV-2 schon im Rachen bekämpfen, unterstützt von Antikörpern. Am Donnerstag hatten Medien berichtet, dass der Impfstoff aus Grossbritannien auch die Bildung von T-Zellen ankurbeln kann. Es kann auch durchaus sein, dass regelmässiges Impfen nötig sein wird.

«Es ist sehr gut, dass wir so viele verschiedene Ansätze haben», sagt WHO-Forscherin Swaminathan. Abhängig von ihrem Mechanismus könnten sie möglicherweise für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen – etwa älteren Menschen, schwangere Frauen oder Kindern – gut geeignet sein.

«Es ist sehr gut, dass wir so viele verschiedene Ansätze haben.»
WHO-Forscherin Swaminathan

(meg/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
«Ich habe Respekt davor»: Deshalb fliegen diese Passagiere trotz Corona in die Ferien
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
18 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
18
Eingefrorene russische Vermögen könnten schon bald die Ukraine finanzieren
Die Regierungen der USA und Grossbritanniens drängen darauf, die Zinserträge eingefrorener russischer Gelder an die Ukraine zu überweisen. Die Gelder würden für Munitionskauf und den Wiederaufbau der Ukraine verwendet.

Die Ukraine braucht dringend Munition und Geld. Der Munitionsmangel ist zu einem Grossteil auf beschränkte Produktionsmöglichkeiten zurückzuführen. Dass Geld fehlt, ist jedoch auf fehlenden politischen Willen zurückzuführen, wie der Economist schreibt.

Zur Story