International
Wirtschaft

Klagewelle nach Abstürzen? Boeing droht viel rechtlicher Ärger

A Boeing 737 MAX 8 being built for Oman Air taxis past a Boeing hanger after landing at Boeing Field, Friday, March 22, 2019, in Seattle. In a blow for Boeing, Indonesia's flag carrier is seeking ...
Die Boeing 737 MAX 8.Bild: AP/AP

Kommt jetzt die grosse Klagewelle gegen Boeing?

Auf den US-Luftfahrtriesen Boeing kommen nach zwei Flugzeugabstürzen grosse juristische Risiken zu. Die rechtliche Lage ist brisant, nicht nur wegen der Schadenersatzklagen von Angehörigen der Todesopfer.
29.03.2019, 08:21
Mehr «International»

Nach den Abstürzen zweier Boeing-Maschinen in Indonesien und Äthiopien steht der Flugzeughersteller bereits massiv unter Druck - doch der Stresspegel dürfte für den US-Konzern rasch weiter ansteigen. Denn nun schlägt die Stunde der Anwälte - und das bedeutet im US-Rechtssystem, wo Sammelklagen gang und gäbe sind, für Unternehmen in der Regel grossen Ärger. Es drohen etliche Rechtsstreitigkeiten verschiedener Art, einige Klagen liegen bereits vor.

Der erste Rechtsstreit im Namen Angehöriger eines Todesopfers der am 10. März in Äthiopien abgestürzten Boeing 737 Max 8 wurde am Donnerstag (Ortszeit) im US-Bundesstaat Illinois eröffnet. Laut Klageschrift wird Schadenersatz von Boeing wegen eines angeblichen Defekts der Unglücksmaschine gefordert. Zudem werfen die Kläger dem US-Luftfahrtriesen vor, nicht ausreichend vor den Risiken des Flugzeugs gewarnt und somit Menschenleben gefährdet zu haben.

Kooperation mit Behörden

Eine Boeing-Sprecherin sagte auf Nachfrage, der Konzern könne sich zu dem Rechtsstreit nicht äussern. «Wir sprechen den Angehörigen derer, die an Bord des Flugs 302 von Ethiopian Airlines waren, unser tiefstes Mitgefühl aus.» Boeing unterstütze weiter die Ermittlungen zur Unfallursache und arbeite mit den zuständigen Behörden zusammen.

Ende Oktober war bereits eine baugleiche und ebenfalls fast nagelneue 737 Max 8 in Indonesien abgestürzt, hier folgten bereits etliche ähnliche Klagen. Boeing steht nach den Abstürzen, bei denen insgesamt 346 Menschen ums Leben kamen, heftig in der Kritik. Laut Unfallermittlern spielte eine für die neue Baureihe entwickelte Steuerungssoftware eine entscheidende Rolle beim Crash in Indonesien. Auch beim Unglück in Äthiopien gilt sie als mögliche Ursache.

Die Aufklärung der Unfallursachen läuft noch, doch rechtlich gesehen scheint die Angelegenheit für Boeing auch so schon heikel genug. Die Schadenersatzverfahren der Hinterbliebenen, wie die nun in Illinois eingereichte Klage, dürften einen wesentlichen Teil des juristischen Nachspiels ausmachen. So etwas ist bei Unfällen mit Todesopfern stets eine empfindliche Angelegenheit, denn letztlich feilschen Anwälte beider Seiten hier darum, wie Menschenleben finanziell abzugelten sind. Boeing könnte dabei aber noch grössere Probleme bekommen.

Viele Baustellen

Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass eine hausgemachte fehlerhafte Software der entscheidende Faktor bei den Abstürzen war, so bekäme der Fall rechtlich eine ganz andere Dimension. Dann könnten US-Gerichte eine viel weitreichendere Haftung feststellen und sogenannten Strafschadenersatz verhängen, mit dem im US-Recht besonders schwerwiegende Fälle über den erlittenen Schaden hinaus sanktioniert werden. Bei Unternehmen ist dieses Instrument gefürchtet - auch aus versicherungstechnischen Gründen.

Boeing drohen aber noch weitere Prozessrisiken. So trommeln schon seit Wochen US-Kanzleien, die sich auf Sammelklagen spezialisiert haben, Mandanten zusammen, die Kursverluste mit Boeing-Aktien nach den Abstürzen erlitten haben. Darunter sind bekannte Anwaltsfirmen wie Hagens Berman - eine Grosskanzlei, die schon Volkswagen in der «Dieselgate»-Affäre oder General Motors im Skandal um defekte Zündschlösser zu schaffen machte. Ohne Boeings «unglaubliches Versagen» bei der Sicherheit hätten die Abstürze womöglich verhindert werden können, meint Hagens-Berman-Partner Reed Kathrein.

Darüber hinaus muss Boeing trotz seines traditionell engen Drahts zur US-Regierung auch die staatlichen Strafverfolger fürchten. Der Konzern wird verdächtigt, bei der Zulassung der Unglücksflieger Informationen unterschlagen zu haben, was die Angelegenheit zum Kriminalfall machen würde. Laut US-Medien hat sich die Bundespolizei FBI auch schon in die Ermittlungen im Zusammenhang mit der Zertifizierung der 737 Max eingeschaltet. An deren Spitze soll die strafrechtliche Abteilung des Justizministeriums stehen, die immer wieder mit hohen Strafen für Unternehmen von sich reden macht. (sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die schlimmsten Katastrophen der Luftfahrt
1 / 20
Die schlimmsten Katastrophen der Luftfahrt
11.9.2001: Terroranschläge in den USA, 3018 Tote
Selbstmordattentäter entführen insgesamt vier Passagiermaschinen. Zwei prallen in die Zwillingstürme des World Trade Centers, eine ins Pentagon, die vierte stürzt ab.
quelle: ap / chao soi cheong
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Auch Schweiz sperrt Luftraum für Unglücksmaschine
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
2 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Sherlock_Holmes
29.03.2019 09:22registriert September 2015
Grosse internationale Konzerne bedienen – bis auf wenige Ausnahmen – stets des gleichen Musters.
Zunächst wird um jeden Preis optimiert, Hauptsache der Gewinn wird gesteigert.
Dabei wird bewusst ein hohes technologisches und rechtliches Risiko eingegangen, in der Hoffnung die sicherheitsrelevanten, menschlichen und ökonomischen Kollateralschäden träten nicht ein, liessen sich abstreiten oder unter den Teppich kehren.
Die Erfahrung lehrt, dass sich dies immer noch zu lohnen scheint.
Je erfolgreicher solche Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden, umso weniger geht die Rechnung auf.
251
Melden
Zum Kommentar
2
Swiss Steel kann Werke in Frankreich nicht wie vorgesehen verkaufen

Der trudelnde Stahlhersteller Swiss Steel muss einen weiteren Tiefschlag hinnehmen. Der im Dezember angekündigte Plan zum Verkauf mehrerer Stahlwerke in Frankreich, der Geld in die leere Kasse hätte spülen sollen, ist vorerst geplatzt.

Zur Story