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Donald Trumps grösste Aufgabe: Er muss Jobs beschaffen

U.S. President Donald Trump talks with General Motors CEO Mary Barra as he hosts a meeting with U.S. auto industry CEOs at the White House in Washington January 24, 2017. REUTERS/Kevin Lamarque
Präsident Trump und General-Motors-Chefin Mary Barra: Die Autobranche soll neue Jobs schaffen. Bild: KEVIN LAMARQUE/REUTERS
Analyse

Trump im wilden Aktionismus: Sein eigentliches Problem sind aber die Jobs

Donald Trumps erste Woche im Weissen Haus war von wildem Aktionismus geprägt, zuletzt mit einem kurzfristig ausgesprochenen Einreisestopp für Muslime. Der Erfolg seiner Präsidentschaft aber hängt davon ab, ob er dem Mittelstand Arbeit verschaffen kann. Was leichter gesagt ist als getan.
29.01.2017, 15:5930.01.2017, 01:35
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Gewisse Leute sollen ernsthaft geglaubt haben, Donald Trump werde sich mässigen, sobald er sein Amt als US-Präsident angetreten hat. Nach nur einer Woche müsste die grosse Ernüchterung ausgebrochen sein. Kaum war er vereidigt, entfachte Trump einen bizarren Streit um die Zuschauerzahl bei seiner Amtseinführung. Er feuerte eine Salve an Dekreten ab, von denen die meisten nur symbolischen Charakter haben. Und beschloss kurzum eine Einreisesperre für Bürger aus sieben muslimischen Ländern.

Weder sein Wahlsieg noch die Amtsübernahme haben The Donald in irgend einer Form gezähmt. Er ist und bleibt ein Egomane, der allergisch auf die kleinste Form der Kritik reagiert und «alternative Fakten» der Realität vorzieht. Er MUSS die grösste Menschenmenge gehabt haben, die je eine Vereidigung eines US-Präsidenten bejubelte. Er MUSS mehr Stimmen gemacht haben als Hillary Clinton, folglich haben drei bis fünf Millionen Menschen «illegal» gewählt.

Republican presidential nominee Donald Trump appears at a campaign rally in Warren, Michigan U.S. October 31, 2016. REUTERS/Carlo Allegri
America First: Trump bei einem Wahlkampfauftritt in Michigan.Bild: CARLO ALLEGRI/REUTERS

Mit seinen grossspurigen Ankündigungen, insbesondere dem Mauerbau an der Grenze zu Mexiko, erfüllt Trump die Erwartungen seiner Wähler. Der Erfolg seiner Präsidentschaft aber hängt nicht von dieser Massnahme ab, auch nicht von der Abwicklung von Obamacare oder der Neueröffnung von CIA-Geheimgefängnissen. Im Endeffekt geht es um Bill Clintons bekannte Formel «It's the economy, stupid!». Oder im Fall von Trump: «It's about jobs, baby!»

Frustrierte Mittelständler

Der Immobilienbaron aus New York verdankt seinen Wahlsieg einigen Zehntausend Wählerinnen und Wählern in den vier Bundesstaaten Michigan, Ohio, Pennsylvania und Wisconsin im «Rust Belt», der einst blühenden, inzwischen aber ziemlich verblühten Industrieregion im Nordosten der USA. Es sind frustrierte Mittelständler, die den Abstieg ins Prekariat erlebt haben oder sich davor fürchten. Trump soll die soliden Industriejobs oder zumindest die Jobsicherheit zurückbringen.

Der neue Oberkommandierende ist sich dieser Herausforderung bewusst, der Erfolg seiner Präsidentschaft hängt davon ab. «Ich werde der grösste Arbeitsplatzbeschaffer sein, den Gott je erschaffen hat», posaunte er an seiner chaotischen Medienkonferenz Mitte Januar. Deshalb nimmt er jede Ankündigung eines Unternehmens, neue Stellen in den USA schaffen zu wollen, für sich in Anspruch, auch wenn die entsprechenden Pläne seit Monaten existieren.

Zu viele «alte» Jobs

Deshalb faselte er von «28'000 tollen Jobs für Bauarbeiter», als er den Bau der umstrittenen, von Umweltschützern bekämpften Ölpipeline Keystone XL anordnete. Abgesehen davon, dass diese Zahl wie fast immer bei Trump vermutlich masslos übertrieben ist, offenbart sie eine Schwachstelle seiner Politik. Trump konzentriere sich «zu sehr auf die Fabrikationsjobs des 20. Jahrhunderts und zu wenig auf die Jobs der Zukunft», kritisierte der Kolumnist Rick Newman.

Trumps Ankündigung an seiner Medienkonferenz.Video: YouTube/WorkingNation

Im konkreten Fall bedeutet dies, dass er die Förderung fossiler Brennstoffe vorantreiben will und damit die Schaffung zukunftsträchtiger Arbeitsplätze im Bereich erneuerbare Energien gefährdet. Ähnlich problematisch ist seine Fixierung auf die Industrie. In diesem Bereich haben die USA seit 2000 rund fünf Millionen Jobs verloren. Während der Amtszeit von Barack Obama wurden zwar rund elf Millionen Stellen geschaffen, fast alle jedoch im Dienstleistungssektor.

Tiefe Beschäftigungsquote

In vielen dieser Jobs verdient man kaum mehr als den Mindestlohn. Die Abstiegsängste des Mittelstands sind also nicht unbegründet. Auch die vermeintlich erfreuliche Arbeitslosenquote von etwas mehr als fünf Prozent täuscht. Ein besserer Indikator ist die Beschäftigungsquote. Sie beträgt in den USA nur knapp 63 Prozent. In der Schweiz gehen im Vergleich rund 80 Prozent der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter einer bezahlten Arbeit nach.

Donald Trump könnte an der Arbeitsfront durchaus etwas bewegen. Aber kann er es wirklich besser machen als seine Vorgänger? Der Niedergang der US-Industrie hat vor rund 40 Jahren begonnen. Seit den 1990er Jahren stagnieren die Löhne des Mittelstands. Als Sündenbock Nummer Eins hat Präsident Trump den Freihandel ausgemacht, und insbesondere seine beiden Lieblingsfeinde China und Mexiko. Er droht mit Strafzöllen auf Importe aus diesen Ländern.

TPP-Aus als Eigentor?

Treffen würde diese Massnahme in erster Linie die amerikanischen Konsumenten. Günstige Importprodukte haben es ihnen ermöglicht, einen gewissen Wohlstand zu halten. Der Angriff auf den freien Handel hat zudem Nebenwirkungen. So annullierte Trump mit einem Federstrich die transpazifische Partnerschaft TPP. Dabei handelt es sich um mehr als ein Freihandelsabkommen. Mit TPP sollte ein Gegengewicht zur Dominanz Chinas in Fernost geschaffen werden.

FILE - In this Jan. 17, 2017, file photo, China's President Xi Jinping smiles to the audience after his speech at the World Economic Forum in Davos, Switzerland. Economic concerns remain foremost ...
Xi Jinping verteidigte am WEF den Freihandel.Bild: Michel Euler/AP/KEYSTONE

In Peking reibt man sich die Hände. Das Ende von TPP dürfte die asiatischen Länder in die Arme Chinas treiben, denen sie sich eigentlich entziehen wollten. Es ermöglichte Chinas Staatschef Xi Jinping zudem, sich am WEF in Davos als Vorkämpfer des freien Handels und Antithese zu Trumps Protektionismus zu inszenieren. «Niemand wird aus einem Handelskrieg als Sieger hervorgehen», mahnte Xi und wurde dafür mit Applaus bedacht.

Roboter statt Mexikaner

Kaum war der Autokrat wieder in der Heimat, ordnete seine Regierung ein hartes Vorgehen gegen VPN-Verbindungen und damit die letzten Schlupflöcher in der Great Firewall an, mit der das Internet überwacht und zensiert wird. Was für eine bizarre, verkehrte Welt!

Ähnliches ist von «Kampftwitterer» Trump nicht zu erwarten. Ob seine Attacken auf den Freihandel jedoch zielführend sind, ist zu bezweifeln. Eine Studie der Ball State University in Indiana von 2015 hat ergeben, dass nur 13 Prozent der Stellenverluste in der US-Industrie auf Auslagerungen zurückzuführen sind. 87 Prozent fielen Automatisierungen und Rationalisierungen zum Opfer. Der amerikanische Arbeiter wurde nicht von Chinesen oder Mexikanern verdrängt, sondern von Robotern.

«Vielleicht ein paar Arbeitsplätze»

Donald Trump setzt auf eine massive Deregulierung und Steuersenkungen, um neue Arbeitsplätze in den USA zu schaffen. Experten halten wenig davon. «Ich bin grundsätzlich pessimistisch eingestellt, was Industriejobs in den Vereinigten Staaten angeht», sagte der Investor Steven Rattner im Interview mit der «Zeit». Es sei viel günstiger, in Mexiko zu produzieren. Trump könne vielleicht ein paar Arbeitsplätze schaffen, «aber es wird keine drastischen Veränderungen geben».

United Auto Worker Thomas Ruiz installs a window on a Malibu door at the General Motors Fairfax Assembly Plant in Kansas City, Kansas, in this April 1, 2009 file photo. The Chevrolet Malibu has been a ...
Amerikas Autobauer produzieren auf Hochtouren – mehr liegt kaum drin.Bild: DAVE KAUP/REUTERS

Rattner hat die Regierung Obama in Fragen zur Autoindustrie beraten. Sie ist traditionell ein Gradmesser für den Erfolg der amerikanischen Industrieproduktion. Trump bestellte in seiner hektischen ersten Woche auch die Chefs der drei grossen Autobauer General Motors (GM), Ford und Fiat Chrysler ins Weisse Haus und redete ihnen ins Gewissen: «Ich will, dass hier neue Fabriken gebaut werden für die Produktion von Autos, die hier verkauft werden.»

Ende eines Zyklus

Diese Forderung komme zu einem schlechten Zeitpunkt, heisst es in einer Bloomberg-Analyse. Nachdem GM und Chrysler von der Regierung Obama 2009 mit 70 Milliarden Dollar vor dem Untergang gerettet wurden, ging es stetig aufwärts. 2016 wurden in den USA so viele Autos wie nie produziert. Dieser Zyklus gehe zu Ende, die Schaffung neuer Kapazitäten ergebe keinen Sinn, schreibt Bloomberg. GM-CEO Mary Barra meinte nach dem Treffen mit Trump, dieses sei «konstruktiv» verlaufen. Im Klartext: Man hat miteinander geredet, ist sich aber absolut nicht einig.

Die erwogenen Strafzölle werden den Autobauern auch nicht helfen. «Trump versteht nicht, wie vernetzt und globalisiert die Autoindustrie ist», sagte Steven Rattner im «Zeit»-Interview. Als Geschäftsmann sieht der neue Präsident in China oder Mexiko in erster Linie Konkurrenten. Ihm fehlt das Verständnis für volkswirtschaftliche und handelspolitische Mechanismen.

Marodes Bildungssystem

Es sind keine guten Voraussetzungen auch im Hinblick auf die bilateralen Handelsverträge, die der neue Präsident anstrebt. Diese sollten «fair» sein, doch Trump versteht darunter in erster Linie «America first». Die Perspektiven sind auch sonst wenig erfreulich. Die Digitalisierung lässt sich nicht aufhalten, sie wird weitere Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe vernichten. Ökonomen gehen davon aus, dass diese Entwicklung auch den Dienstleistungssektor erfassen wird.

Robotic arms spot welds on the chassis of a Ford Transit Van under assembly at the Ford Claycomo Assembly Plant in Claycomo, Missouri April 30, 2014. REUTERS/Dave Kaup (UNITED STATES - Tags: BUSINESS  ...
Roboter in einer Ford-Fabrik in Missouri.Bild: DAVE KAUP/REUTERS

Trump müsste ins amerikanische Bildungssystem investieren, nach dem Vorbild erfolgreicher Exportländer wie Deutschland und die Schweiz. Davon aber ist bislang keine Rede. Seine designierte Erziehungsministerin Betsy DeVos scheint mehr an religiösen Schulen interessiert zu sein als an der Förderung der MINT-Fächer, die für die Industrie 4.0 unerlässlich sind.

Wie Präsident Donald J. Trump unter diesen Umständen sein grosses Jobwunder vollbringen kann, ist schleierhaft. Der Druck, der auf ihm lastet, ist enorm, er muss liefern, sonst ist er geliefert. Falls es nicht klappt, wird er aber bestimmt jemandem finden, dem er die Schuld in die Schuhe schieben kann. Zum Beispiel die Medien.

Trumps Wirtschafts-Stunts

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Trumps Wirtschafts-Stunts
Sprint: Ende Dezember prahlte Trump in Forida, nur ihm sei es zu verdanken, dass der Telekommunikationskonzern Sprint in den USA 5000 neue Jobs schaffe. Ein Spiegeltrick: Die Stellen gehören zu einem grösseren US-Investitionspaket der japanischen Sprint-Mutter SoftBank, das Chef Masayoshi Son bereits vorher schon einmal nach einem Treffen mit Trump in New York verkündet hatte. Dieses Paket wiederum ist Teil eines 100-Milliarden-Dollar-Technologiefonds, den SoftBank wiederum im Oktober bekannt gegeben hatte - vor Trumps Wahlsieg. Dass sich SoftBank so als PR-Sprachrohr benutzen lässt, hat seinen Grund: Das US-Kartellamt hatte eine Fusion von Sprint und T-Mobile 2014 verboten. Unter dem industriefreundlicheren Trump hofft SoftBank nun auf eine neue Chance. ... Mehr lesen
quelle: x02844 / andrew kelly
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62 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hierundjetzt
29.01.2017 17:49registriert Mai 2015
Was ein wenig zu kurz kommt ist die traurige Tatsache, das die USA im Prinzip verarmt sind. Wenn Menscgen 2-3 Vollzeitstellen zum leben brauchen sind das Alarmsignale für das beginnende Versagen des Staates.

Stellen gibts eigentlich nur an den Küsten (Ost und West).

Im Süden wie teilweise im mittleren Westen ist echte reale Armut mit Händen greifbar und für Europäer nicht mehr nachvollziehbar.

Selbstverständlich wählt man dann jemanden, der einem Heil verspricht, wäre bei uns auch so.

Damit möchte ich das getrampel nicht relativieren sondern ein Debatierbeitrag leisten.
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G. Nötzli
29.01.2017 17:34registriert Juni 2015
Trumps Migrationspolitik wird Investitionen in Robotik-Technik und Automatisierung massiv erhöhen.

Zudem kommt noch der Wohlstandsverlust durch die Streichung von Freihandelsabkommen.

Die USA schaffen sich selber ab und ermöglichen China den endgültigen Aufstieg.
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Lowend
29.01.2017 16:22registriert Februar 2014
Sinkende Steuern bedeuten höhere Gewinne, die dann vermutlich in neue und hochmoderne, aber leider voll automatisierten Produktionsstätten investiert werden.

Automatisierte Produktion braucht kaum noch Mitarbeiter, generiert aber wunderbare Gewinne für die, die eh schon ihr ganzes Geld in die moderne Industrie investiert haben.

Das Resultat wird sein, dass die Reichen noch reicher werden, während die wütenden, weissen Arbeiter vermutlich sehr viel Freizeit, aber weder Geld oder Sozial- oder Krankenversicherung haben, was sie dann noch wütender machen wird.

Rechter Trump-Irrsinn at its best!
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