Mit einer weitgehenden Einigung in der Handelspolitik, aber ohne Fortschritte im Kampf gegen den Klimawandel ist der G20-Gipfel am Samstag in Hamburg zu Ende gegangen. Überschattet wurde er von einer beispiellosen Welle der Gewalt von militanten G20-Gegnern.
Gipfel-Gastgeberin Merkel zeigte sich mit den Ergebnissen der zweitägigen Beratungen der Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer insgesamt zufrieden. Sie räumte aber ein, dass eine Einigung mit den USA in der Klimapolitik nicht möglich gewesen sei.
Dadurch, dass in der Klimapolitik keine einheitliche Haltung gefunden wurde, ist in der Abschlusserklärung erstmals in der G20-Geschichte ein Dissens festgeschrieben worden.
Beim zweiten grossen Streitthema, dem Freihandel, gelang es Merkel dagegen, US-Präsident Trump ins Boot zu holen und ein Bekenntnis gegen Protektionismus zu unterstützen.
Das Festschreiben unterschiedlicher Haltungen ist beispiellos in der Geschichte der G20-Treffen. Das Streben nach gemeinsamen Lösungen gehört zu den Grund-Säulen der Staatengruppe, die nach der Finanzkrise 2008 als zentrales Abstimmungsgremium der internationalen Finanz- und Wirtschaftspolitik geschaffen wurde.
Politisch gelang auf dem Gipfel trotzdem ein unerwarteter Fortschritt: US-Präsident Donald Trump verabredete bei seinem ersten Treffen mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin eine Feuerpause für den Südwesten Syriens und nährte damit Hoffnungen auf ein Ende des jahrelangen Bürgerkrieges.
Trotz vieler Meinungsverschiedenheiten lobte Trump Merkels Verhandlungsführung beim G20-Gipfel. «Sie haben einen fantastischen Job gemacht», sagte er. «Ihre Verhandlungsführung ist absolut unglaublich.»
Für Verwunderung sorgte Trumps Tochter Ivanka, die vorübergehend am Verhandlungstisch der Mächtigen Platz nahm. Das Weisse Haus sah sich veranlasst, zu beschwichtigen.
Ivanka Trump briefly took her father's seat at the G-20 summit on Saturday -- a move that some people found odd https://t.co/2ffmFcH424 pic.twitter.com/7G7iS0ZLHS
— CBS News (@CBSNews) 8. Juli 2017
In der Klimaschutzpolitik gelang es Deutschland und den anderen G20-Ländern am Ende nicht, Trump auf einen gemeinsamen Kurs zu bringen, nachdem er Anfang Juni den Austritt seines Landes aus dem Pariser Klimaschutzabkommen bekanntgegeben hatte.
Am Ende einigte man sich darauf, in einem Kapitel der Abschlusserklärung die US-Position wiederzugeben, in der das Pariser Klimaabkommen abgelehnt wird.
In einem weiteren Kapitel betonen die restlichen 19 G20-Länder, dass für sie die Klimavereinbarung «unumkehrbar» sei und diese rasch umgesetzt werden solle. Sie teilen auch nicht die US-Position, weiter auf fossile Brennstoffe zu setzen und mit diesen weiterhin Geschäfte mit anderen Ländern machen zu wollen.
Allerdings wird in einem gemeinsamen Teil betont, dass alle 20 Staaten die Reduzierung der Treibhausgase zum Ziel haben.
Beim ebenso strittigen Thema Welthandel war die Gipfel-Gastgeberin erfolgreicher und erreichte in harten Diskussionen eine gemeinsame Linie. «Ich bin sehr zufrieden, dass es gelungen ist zu sagen, dass die Märkte offengehalten werden», sagte Merkel. Auch für ein Votum zum Kampf gegen den Protektionismus und zur Wahrung eines regelgestützten internationalen Handelssystems liess sich der US-Präsident gewinnen.
Ein «brisantes Problem» aus Sicht vor allem der USA stellen die Überkapazitäten beim Stahl da. Hier steht besonders China als weltgrösster Stahlproduzent in der Kritik, kritisiert werden aber auch die Europäer. Trump wirft ihnen vor, mit Dumpingpreisen seine heimische Industrie unter Druck zu setzen und erwägt Strafzölle.
Der Gipfel drängte das Globale Forum Stahl, bis zum November konkrete Lösungsvorschläge für diese Fragen vorzulegen.
Die G20-Staat- und Regierungschefs beschlossen auch eine Partnerschaftsinitiative, mit der reformwillige afrikanische Länder unterstützt werden sollen. Unter dem Namen «Compact with Africa» sollen G20 Länder mit einzelnen Staaten Afrikas Investitionspartnerschaften vereinbaren, um sie für Investoren interessanter zu machen.
Darüber hinaus brachte der G20-Gipfel eine Initiative auf den Weg, die Frauen in Entwicklungsländern als Unternehmerinnen besseren Zugang zu Finanzmitteln eröffnen soll. Die Initiative für einen Fonds bei der Weltbank war von der Tochter des US-Präsidenten, Ivanka Trump, ausgegangen.
Überschattet wurde der G20-Gipfel erneut von gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen militanten Demonstranten und der Polizei. Mehr als 200 Polizisten und eine nicht bekannte Zahl von Aktivisten wurden bis Samstagmittag verletzt.
Autos und Barrikaden brannten, Geschäfte wurden geplündert. Mit Sturmgewehren bewaffnete Spezialeinheiten gingen in der Nacht zum Samstag rund um die Autonomen-Hochburg Rote Flora im Schanzenviertel gegen Randalierer vor. Mehr als 250 Personen wurden festgesetzt. Eine Grossdemonstration am Samstag blieb weitgehend friedlich.
Ein Grossteil der Geschäfte in der Hamburger Innenstadt blieb am Samstag geschlossen, wie City-Managerin Brigitte Engler sagte. Die Geschäftsleuten hätten dies mit dem Schutz der Mitarbeiter angesichts der Bilder aus der Krawallnacht begründet.
Die letzte grosse Anti-G20-Kundgebung ging am Samstagabend offiziell zu Ende. Zehntausende demonstrierten bei der vom Linken-Bundestagsabgeordneten Jan van Aken angemeldeten Kundgebung «Grenzenlose Solidarität statt G20» zumeist friedlich. Die Polizei sprach von 50'000 Demonstranten, die Veranstalter von 76'000.
Laut Polizei wurden in der Nähe der Abschlusskundgebung am Millerntorplatz «wiedererkannte Straftäter» von Einsatzkräften aus der Menge geholt. Die Beamten seien daraufhin mit Flaschen beworfen worden. Sie hätten dann Schlagstöcke genutzt und auch einen Wasserwerfer eingesetzt. Vier Beamte hätten sich Verletzungen zugezogen, seien jedoch weiter dienstfähig, hiess es.
Zuvor hatte es auf der Demostrecke Auseinandersetzungen mit etwa 120 Vermummten gegeben. Die Beamten seien dabei getreten und mit Fahnenstangen geschlagen worden, sagte ein Sprecher. Die vermummten Teilnehmer des Aufzuges seien später unerkannt entkommen.
Bei der Demonstration «Hamburg zeigt Haltung», zu der bürgerliche Parteien und Kirchen aufgerufen hatten, marschierten Tausende Demonstranten mit Luftballons und Friedenstransparenten in Richtung Fischmarkt. New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio hatte sich als Redner angekündigt.
(sda/reu/dpa/afp)