Kamala Harris schien nicht überrascht, als sie kürzlich in einer New Yorker Radiosendung mit einem hässlichen Gerücht konfrontiert wurde. Ob sie denn eigentlich Afroamerikanerin und «schwarz genug» sei, wollte ein Moderator des Programmes «The Breakfast Club», das sich an ein afroamerikanisches Zielpublikum richtet, von der demokratischen Präsidentschaftskandidatin wissen.
Harris antwortete leicht resigniert: «Schau, das ist das Gleiche, dass sie bereits mit Barack gemacht haben», dem ersten US-Präsidenten mit dunkler Hautfarbe, «das ist nicht neu für uns.» Auch Obama, der seine Kindheit und Jugend hauptsächlich auf Hawaii und in Indonesien verbracht hatte, sei ständig mit der Frage konfrontiert worden, ob er mit dem langen Leidensweg der Afroamerikaner vertraut sei.
Dann sagte Harris, geboren 1964 in Oakland (Kalifornien) und Tochter einer Inderin und eines Jamaikaners:
Dieser Wortwechsel mag, für europäische Ohren, absurd klingen – ist es doch augenfällig, dass die kalifornische Senatorin dunkler Hautfarbe ist. Aber Harris wird regelmässig auf ihre Identität und ihre Wurzeln angesprochen. Dafür verantwortlich ist auch ein gewisser Ali Alexander, der die Debatte am Köcheln hält.
Der schwarze Mittdreissiger profiliert sich seit dem Wahlsieg von Donald Trump als virtuelles Sprachrohr des Präsidenten; zur Belohnung dafür wurde er vor einigen Tagen ins Weisse Haus eingeladen, um an einem «Gipfeltreffen» rechter Internet-Provokateure teilzunehmen. Während den ersten Fernsehdebatten der Demokraten schrieb Alexander auf Twitter: «Kamala Harris ist keine amerikanische Schwarze.» Und er habe es satt, dass die Kinder von Einwanderern «unsere Geschichte rauben».
Das ideologische Gerüst für diese provokative Aussage – die im Internet auf scharfe Kritik stiess – liefert eine Interessengruppierung mit dem Namen Ados (American Descendants of Slavery), gegründet von zwei afroamerikanischen Intellektuellen.
Ados ist der Meinung, dass die Bezeichnung Afroamerikaner («African Americans») nur noch von denjenigen Menschen verwendet werden dürfe, die tatsächlich von versklavten Afrikanerinnen und Afrikanern abstammten, die von 1620 bis 1865 nach Amerika verschleppt wurden. Denn diese Gruppe habe am stärksten unter dem rassistischen Regime gelitten, das in weiten Teilen Amerikas bis in die 1960er-Jahre existierte – so gelang es den Nachfahren der Sklaven nie, über mehrere Generationen hinweg Vermögen anzuhäufen.
Ados fordert deshalb einen «New Deal» für die Kindeskinder der Leibeigenen, der unter anderem eine finanzielle Entschädigung für die Schandtaten der Vergangenheit vorsieht. Andere Bevölkerungsminderheiten hingegen, die Nachkommen von Einwanderern aus der Karibik oder Immigranten aus Afrika, sollen leer ausgehen.
Ideologisch steht Ados etwas quer in der Landschaft; einerseits bezeichnen sich die Wortführer als progressiv, und viele ihrer Ideen könnten von demokratischen Politikern stammen – gelten die Demokraten doch gemeinhin als Fürsprecher von Amerikanern mit dunkler Hautfarbe. Andererseits klingen die einwanderungspolitischen Positionsbezüge der Interessengruppierung, als habe Trump das Programm formuliert.
Im Gespräch sagt ein Ados-Aktivist, der anonym bleiben will, seine Organisation habe nichts gegen Einwanderer. Amerika sei das Land der unbegrenzten Möglichkeiten und er verstehe, warum Menschen aus Mittelamerika, Afrika oder Asien sich in den USA ein neues Leben aufbauen wollten. Der stetige Strom neuer Arbeitskräfte führe aber zu Lohndumping und darunter litten in erster Linie die Nachkommen der Sklaven, sagt er. Er sei deshalb der Meinung, dass die Grenze für illegale Einwanderer dichtgemacht werden müsse.
Dann setzt der Aktivist zu einer Tirade an, die sich gegen führende dunkelhäutige Politiker der Demokraten richtet. Mit Verweis auf Sheila Jackson Lee, einer Abgeordneten aus Texas, behauptet der er, dass die Partei unter der Knute von Politikern stehe, die sich in erster Linie für die Interessen dunkelhäutiger Einwanderer aus der Karibik einsetzten. Er finde deshalb, schwarze Wähler sollten sich von den Demokraten emanzipieren und nicht mehr quasi-automatisch für demokratische Politiker stimmen. Wählerbefragungen zeigen mit einer gewissen Regelmässigkeit, dass zwischen 80 und 90 Prozent der afroamerikanischen Wähler Parteigänger der Demokraten sind.
Solche Aussagen sind auch unter Amerikanern mit schwarzer Hautfarbe höchst umstritten. Der Journalist Roland Martin nennt die Ados-Argumentation «dümmlich». Andere Stimmen sagen, die Organisation habe einzig das Ziel, unter Afroamerikanern für Unstimmigkeit zu sorgen – und die sozialen Konflikte in der US-Bevölkerung anzuheizen, so wie dies die russischen Internet-Trolle im Wahlkampf 2016 getan hätten. Der Ados-Aktivist sagt dazu, er habe es ganz einfach satt, dass sich Politiker wie Kamala Harris zu Fürsprechern von Afroamerikanern aufspielen – obwohl Harris mit deren Lebensbedingungen nicht vertraut sei. (aargauerzeitung.ch)
"Ados fordert deshalb einen «New Deal» für die Kindeskinder der Leibeigenen, der unter anderem eine finanzielle Entschädigung für die Schandtaten der Vergangenheit vorsieht."
Yup, Klientelpolitik halt wie sie um Buche steht.