In der Türkei sind Aufnahmen von Khashoggis Tötung aufgetaucht, wie die «New York Times» berichtet. Informationen und Gerüchte von offizieller Seite drangen bereits unmittelbar nach dem Verschwinden des Journalisten an die Öffentlichkeit. Als sich der saudi-arabische König Salman um eine diplomatische Lösung bemühte und ein längeres Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Erdogan führte, wurden für wenige Tage keine Informationen mehr verbreitet. Aber seit gestern wurden die Medien von Beamten wieder mit Neuigkeiten versorgt – an jenem Tag, an dem sich US-Aussenminister Mike Pompeo mit Kronprinz bin Salman traf.
Dabei ist das kein Zufall und vermutlich eine Reaktion der türkischen Regierung auf bin Salmans Aussage gegenüber Pompeo, er habe mit dem Verschwinden Khashoggis nichts zu tun. In der Türkei werden Medien und Zeitungen vom Staat streng kontrolliert – geheime Informationen gelangen nur durch Zustimmung der Regierung an die Öffentlichkeit. Mit den gestern veröffentlichen Aufnahmen üben die türkischen Behörden weiter Druck auf Saudi-Arabien aus.
Am 2. Oktober betrat Khashoggi um 13.15 Uhr das Konsulat. Zunächst soll der Regimekritiker ins Büro des Generalkonsuls, Mohammad al-Otaibi, geführt worden sein, wo ihn 15 Agenten ergriffen und auf ihn einschlugen. Die Rede ist auch von Folter. Wie ein türkischer Beamter berichtet, sollen ihm die Finger abgeschnitten worden sein, bevor er ermordet wurde. «Sie haben ihn nicht nur im Konsulat getötet, sondern auch noch auf barbarische Weise», zitiert abc News einen engen Vertrauten des Opfers.
«Macht das draussen. Ihr bringt mich in Schwierigkeiten», soll der Konsul gesagt haben. Auf den Aufnahmen sagt einer der Agenten zu den anderen: «Wenn ihr leben wollt, wenn ihr nach Saudi-Arabien zurückkommt, dann seid still!» Zudem soll einer der Anwesenden Arzt gewesen sein und Anweisungen für die Enthauptung und Zerlegung von Khashoggis Körper gegeben haben. Wie die New York Times weiter schreibt, soll sich der Mediziner danach Kopfhörer aufgesetzt und Musik gehört haben, während er vom leblosen Körper Gliedmassen abtrennte.
Khashoggis Körperteile sollen anschliessend in die Residenz des Generalkonsuls geschafft worden sein, die sich rund 1,5 Kilometer vom Konsulat entfernt befindet. Al-Otaibi ist in der Zwischenzeit aus der Türkei geflüchtet.
US-Präsident Donald Trump sagte am Mittwoch, dass die Vereinigten Staaten von der Türkei Kopien von Audio- und Bilddateien angefordert haben, «sofern welche existieren». Trump wolle nur herausfinden, was wirklich geschehen war. «Ich bin noch nicht sicher, ob (Audio- und Bilddateien) existieren, vielleicht ja, möglicherweise ja», fügte er an. Mike Pompeo werde ihm nach seiner Rückkehr darüber berichten.
President Trump says he has asked for the audio of Jamal Khashoggi’s killing — "if it exists" https://t.co/dSVfoAdCz7 pic.twitter.com/eyNfrKYenG
— CNN (@CNN) 17. Oktober 2018
Trump machte nicht den Eindruck, dass ihn der Fall Khashoggi besonders interessiert. Bereits vorgestern äusserte er sich ungewohnt friedfertig gegenüber Saudi-Arabien und kritisierte, dass das Land voreilig verurteilt wird. Gestern fügte er hinzu, dass der Wüstenstaat «ein sehr wichtiger Verbündeter ist» und Milliarden für amerikanische Waffen ausgebe. Saudi-Arabien hatte sich bereit erklärt, amerikanische Waren im Wert von 450 Milliarden einzukaufen – 110 Milliarden davon allein für militärische Zwecke.
Saudi-Arabien steht mächtig unter Druck und täglich werden neue Fakten zum Verschwinden von Khashoggi bekannt, die das Wüstenland weiter schwer belasten. Inmitten dieser Krise versucht sich die saudi-arabische Regierung in ein besseres Licht zu rücken und überwies am Dienstag – Mike Pompeo war zu Gast – 100 Millionen Dollar an die amerikanische Regierung. Damit wolle man die USA in ihrem Bestreben unterstützen, Nordostsyrien weiter zu stabilisieren.
Kritiker sehen darin einen Versuch, von der Affäre Khashoggi ablenken und sich die Gunst und das Vertrauen der USA erkaufen zu wollen. Das US-Aussenministerium winkt aber ab und betont, dass kein Zusammenhang mit Pompeos Besuch bei bin Salman besteht. «Der spezifische Geldtransfer ist schon länger in Arbeit und hat nichts mit anderen Vorkommnissen oder dem Besuch des Aussenministers zu tun», zitiert die Washington Post Brett McGurk, Vertreter der Anti-IS Koalition. (vom)