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Donald Trump: So steht es im Impeachment-Verfahren und so geht es weiter

Impeachment Filmklappe
Bild: montage: watson / material: keystone, shutterstock

Stellt das Popcorn bereit! Das Impeachment-Verfahren wird öffentlich

Ab Donnerstag werden die Hearings des Intelligence Committee vor laufenden TV-Kameras durchgeführt.
29.10.2019, 13:4529.10.2019, 16:22
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Sean Hannity, Trumps ergebenster Jünger bei Fox News, betete in seiner TV-Show einmal mehr die präsidiale Unschulds-Litanei herunter: Der Präsident habe nichts Unrechtes getan, alles sei eine Hexenjagd etc. Nur ein Begriff fehlte diesmal: no quid pro quo.

Selbst Hannity hat offenbar kapituliert. Die Faktenlage ist zu eindeutig geworden. Trump hat der Ukraine tatsächlich einen schmutzigen Deal abpressen wollen: Militärhilfe nur gegen Dreck über Joe Biden.

Die Lage für Trump wird noch ungemütlicher werden. Heute sagt erstmals ein Zeuge aus, der das Telefongespräch zwischen Präsident Trump und seinem ukrainischen Gegenpart Wolodomyr Selenskyj mitgehört hat. Es handelt sich dabei um Lt. Col. Alexander S. Vindman von der US Army.

Protesters gather across the Chicago River from the Trump International Hotel and Tower while President Trump attends a fundraiser Monday, Oct. 28, 2019, in Chicago. (AP Photo/Paul Beaty)
Proteste gegen Trump in Chicago.Bild: AP

Vindman hat im Irakkrieg gedient, ist mit der Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet worden und ist derzeit der Ukraine-Experte im nationalen Sicherheitsrat. Er spricht russisch und ukrainisch, seine Eltern sind in den Siebzigerjahren aus der damaligen Sowjetunion nach New York geflohen.

Was genau Vindman aussagen wird, ist noch nicht bekannt. In einer vorab veröffentlichten Erklärung lässt er jedoch keine Zweifel offen. Er schreibt:

«Ich bin überzeugt, dass es nicht in Ordnung war, von einer fremden Regierung zu verlangen, eine Untersuchung gegen einen US-Bürger durchzuführen. Und ich machte mir Sorgen über die Implikationen für die Hilfe der US-Regierung an die Ukraine.»

Vindman sprach nie direkt mit dem Präsidenten, jedoch mit Gordon Sondland, dem amerikanischen EU-Botschafter, der eine tragende Rolle in der Ukraine-Affäre spielte. Dieser hat ihm ganz offen erklärt, dass Kiew zuerst liefern müsse, bevor es Hilfe erhalte.

Darauf entgegnete Vindman: «Ich erklärte Botschafter Sondland, dass seine Aussagen ungebührlich seien, dass die Forderungen, eine Untersuchung gegen Biden zu führen, keinen Bezug zur nationalen Sicherheit hätten, und dass der nationale Sicherheitsrat nichts damit zu tun haben wolle.»

Sondland, der eine Million Dollar für Trumps Inaugurations-Feier gespendet hat, krebst nun ebenfalls zurück. Gegenüber dem «Wall Street Journal» erklärte sein Anwalt, sein Mandant habe ausgesagt, dass er überzeugt gewesen sei, es habe ein quid pro quo gegeben.

epa07927518 Gordon D. Sondland, the United States Ambassador to the European Union, arrives for his deposition amid the US House of Representatives' impeachment inquiry into President Trump, at t ...
Bestätigt nun das quid pro quo: Gordon Sondland.Bild: EPA

Nancy Pelosi, die Mehrheitsführerin der Demokraten im Abgeordnetenhaus, und Adam Schiff, der Vorsitzende des Intelligence Committee, das die Hearings durchführt, sind nun überzeugt, dass sie genug Material für eine Anklage gesammelt haben. Deshalb hat Pelosi angekündigt, dass ab Donnerstag die Hearings vor laufenden Kameras stattfinden werden. Sie will zu diesem Zweck eine Abstimmung im Abgeordnetenhaus durchführen lassen.

Zu diesen Hearings werden die Zeugen, die bereits hinter geschlossenen Türen ausgesagt haben, erneut eingeladen. Konkret sind dies: der bereits erwähnte Sondland, Fiona Hill, einst stellvertretende Chefin des Sicherheitsrats, und William Taylor, der die Botschaft in Kiew vorübergehend geleitet hat. Unklar ist, ob auch John Bolton, der gefeuerte Chef des Sicherheitsrats, vorgeladen wird.

Mit diesen Hearings wollen die Demokraten der amerikanischen Öffentlichkeit vor Augen führen, dass es neben der offiziellen US-Aussenpolitik ein Schattenkabinett unter der Leitung von Trumps privatem Anwalt Rudy Giuliani gegeben hat.

Dieses Schattenkabinett hat zunächst die damalige US-Botschafterin in Kiew, Marie Yovanovitch, aus dem Amt gemobbt und daraufhin die neue Regierung von Selenskyj systematisch unter Druck gesetzt. Ziel dabei war es, Dreck gegen Joe Biden zu erhalten und eine obskure Verschwörungstheorie zu «beweisen».

House Intelligence Committee Chairman Adam Schiff, D-Calif., returns to the secure area at the Capitol where former U.S. Ambassador William Taylor, is testifying in the impeachment investigation of Pr ...
Hat alle Trümpfe in der Hand: Adam Schiff, Vorsitzender des Intelligence Committee.Bild: AP

Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Trump-Regierung vom Kongress bereits bewilligte Hilfsgelder in der Höhe von 391 Millionen Dollar blockiert.

Die Demokraten befinden sich dabei in der komfortablen Lage, dass sie diese These mit Aussagen unterlegen können, die Trump und sein Stabschef Mick Mulvaney vor laufenden Kameras gemacht haben. Ihre Beweislage ist so solide, dass sie es locker wegstecken können, dass Charles Kuppermann, ebenfalls Mitglied des Sicherheitsrats, sich geweigert hat, vor dem Intelligence Committee zu erscheinen.

Nach den bald öffentlichen Hearings vor dem Intelligence Committee wird Chairman Schiff einen Bericht zuhanden des Judiciary Committees verfassen. Dessen Vorsitzender Jerry Nadler wird danach entscheiden, ob noch weitere Anklagepunkte ins Verfahren aufgenommen werden sollen.

Anschliessend wird das Abgeordnetenhaus entscheiden müssen, ob der Präsident impeached werden soll oder nicht. Bei einem positiven Entscheid – der sehr wahrscheinlich ist –, muss der Senat mit einer Zweidrittelsmehrheit darüber befinden, ob Trump tatsächlich aus dem Weissen Haus gejagt werden soll – was nach wie vor unwahrscheinlich ist.

Sicher ist auf jeden Fall, dass wir in den kommenden Wochen ein spannendes TV-Spektakel erwarten können. Stellt also das Popcorn bereit.

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Rücktritte und Entlassungen unter Trump
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Rücktritte und Entlassungen unter Trump
SALLY YATES, 30. Januar 2017: Trump entlässt die amtierende Justizministerin und Chefanklägerin, offiziell vor allem wegen ihres Widerstands gegen seine Einwanderungspolitik.
quelle: ap/ap / steven senne
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Trumps «Impeachment» erklärt:
Video: srf
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70 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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AgentNAVI
29.10.2019 14:03registriert März 2018
Können sich die Amerikaner und die Briten nicht mal absprechen? Der Brexit ist aktuell echt spannend, da kann man doch nicht direkt auf das Impeachment umschalten. Das kommt doch bei den Zuschauern nicht gut an.
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HPOfficejet3650
29.10.2019 14:04registriert November 2015
Bitte Löpfe als live Korrespondent vor Ort 😂
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bruuslii
29.10.2019 15:25registriert April 2019
ehrlich gesagt:

ich fänds ja lustig, wenns nicht so traurig wäre. natürlich habe auch ich schon mit beissender ironie kommentiert. man kann den zirkus sonst kaum ertragen.

leider wird hier versucht, durch einen selbstverliebten psychopathen eine wichtige demokratie dieser erde zu sabotieren.
seine aktionen sind egoistisch, faschistisch, rassistisch, menschenverachtend und frauenhassend.

im kino ist popcorn angebracht. hier hoffe ich auf einen kurzen prozess.
"der krieg liebt den sieg und nicht die dauer." (sunzi)

sorry ich weiss, "spielverderber" 🥺
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Das (vermeintlich) Unmögliche geschafft: Jury für Prozess gegen Trump steht

Die Jury für das Schweigegeld-Verfahren gegen Donald Trump steht: Nach rund dreitägigen Befragungen im ersten Strafprozess gegen einen früheren US-Präsidenten einigten sich Staatsanwaltschaft, Verteidigung und der Vorsitzende Richter am Donnerstag auf zwölf Geschworene, wie im Gerichtssaal anwesende Journalisten und Journalistinnen übereinstimmend berichteten. Auch ein Ersatzjuror wurde schon gefunden.

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