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Donald Trump für schnelle Nachfolge für Ginsburg im Obersten Gericht

This photo provided by Time shows the cover of Time magazine with tribute Supreme Court Justice Ruth Bader Ginsurg on the cover. Time will feature Ginsburg for an October double issue presenting the 2 ...
Bild: keystone

«Es wird eine Frau»: Trump strebt rasche Ginsburg-Nachfolge an

20.09.2020, 07:0120.09.2020, 13:51
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US-Präsident Donald Trump will noch in seiner ablaufenden Amtszeit den Posten der verstorbenen Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg nachbesetzen. Sollte es so kommen, könnte das die konservative Mehrheit im Obersten Gericht der USA auf Jahre oder sogar Jahrzehnte zementieren. Er werde eine Frau nominieren, voraussichtlich bereits in den kommenden Tagen, kündigte Trump am Wochenende an. Ginsburg, eine Ikone der Liberalen in Amerika, war am Freitag im Alter von 87 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben.

«Es wird eine Frau sein», legte sich Trump bei einem Wahlkampfauftritt im Bundesstaat North Carolina fest. Seine wahrscheinlichste Kandidatin sei Bezirksrichterin Amy Coney Barrett aus Chicago, berichtete unter anderem der Fernsehsender ABC unter Berufung auf Regierungskreise. Sie ist als klare Abtreibungsgegnerin bekannt – das ist ein zentrales Thema für die Konservativen in den USA.

President Donald Trump speaks about the death of Supreme Court Justice Ruth Bader Ginsburg after a campaign rally at Bemidji Regional Airport, Friday, Sept. 18, 2020, in Bemidji, Minn. (AP Photo/Evan  ...
Bild: keystone

Verfassungsrichter werden in den USA auf Lebenszeit ernannt. Mit ihrem Alter von 48 Jahren hätte Barrett potenziell eine lange Zeit im Supreme Court vor sich. Nach Ginsburgs Tod wäre sie zudem die dritte Frau in der neunköpfigen Richterriege.

Die Richter am Obersten Gericht der USA werden vom Präsidenten vorgeschlagen und vom Senat bestätigt. Er würde es vorziehen, dass die Kammer noch vor der Präsidentenwahl am 3. November abstimmt, sagte Trump. Die Demokraten um Präsidentschaftskandidat Joe Biden lehnen das vehement ab. Sie hoffen darauf, nach einem Wahlsieg Bidens und einer Verschiebung der Kräfteverhältnisse im Senat einen eigenen Kandidaten durchsetzen zu können.

Die Republikaner halten im Senat 53 der 100 Sitze. Unklar ist allerdings, ob auch eine Mehrheit für die schnelle Neubesetzung des vakanten Richterpostens am Supreme Court zustande kommt. Denn zwischen den politischen Lagern ist heftig umstritten, ob die Republikaner so kurz vor dem Ende der aktuellen Amtszeit Trumps noch über die Schlüsselpersonalie entscheiden sollten.

Das Oberste Gericht hat in den USA oft das letzte Wort bei heiklen Grundsatzfragen zu Streitthemen wie Abtreibung, Einwanderung, Waffenrecht und Diskriminierung. Nach dem Tod von Ginsburg werden nur noch drei der neun Richter klar dem liberalen Lager zugerechnet, alle anderen gelten als mehr oder minder konservativ.

Die Demokraten verlangen deshalb, mit einer Nominierung bis zur nächsten Präsidenten-Amtszeit zu warten, die am 20. Januar 2021 beginnt. Sie verweisen darauf, dass die Republikaner im Senat vor vier Jahren mit einem Verweis auf das damalige Wahljahr den Wunschkandidaten des scheidenden Präsidenten Barack Obama blockierten.

epa05800139 Republican Majority Leader from Kentucky Mitch McConnell speaks to the media in the U.S. Capitol in Washington, DC, USA, 17 February 2017. McConnell spoke about the Pruitt vote, repealing  ...
Mitch McConnellBild: EPA/EPA

Der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, kündigte aber schon wenige Stunden nach Ginsburgs Tod an, über eine Kandidatur für ihre Nachfolge abstimmen zu wollen. Er argumentiert, anders als damals gehörten der Präsident und die Mehrheit der Senatoren jetzt einer Partei an. Biden und andere demokratische Politiker fordern dagegen von den Republikanern, erst die Wähler über den neuen Präsidenten entscheiden zu lassen. Unter den Republikanern im Senat hat sich bislang nur Susan Collins dafür ausgesprochen, den im November gewählten Präsidenten über Ginsburgs Nachfolge entscheiden zu lassen.

Ginsburg wurde mit ihrem Kampf für die Gleichberechtigung der Frauen, für Minderheiten und gegen Diskriminierung zu einer Justiz-Ikone und einem Idol der Bürgerrechtsbewegung. Bereits in den 1970er Jahren war sie als Juristin vor dem Obersten Gericht erfolgreich gegen Regeln vorgegangen, die Frauen diskriminierten. Auch dank ihr setzte sich im Supreme Court die Lesart durch, dass der 14. Zusatzartikel zur US-Verfassung auch die Gleichberechtigung der Frauen schützt. Auf dieser Basis wurde die Diskriminierung von Frauen schliesslich als verfassungswidrig eingestuft.

Ginsburg wurde 1993 vom damaligen demokratischen Präsidenten Bill Clinton für den Supreme Court nominiert – und in der Folge zum wohl bekanntesten Gesicht der bis heute männerlastigen Richterriege. Die damals 60-Jährige war die zweite Frau überhaupt an dem Gericht. Auch in ihrer Studienzeit war sie eine der wenigen Frauen in einer Männerdomäne.

epaselect epa08682903 People gather for a candelight vigil to pay their respects to the late US Justice Ruth Bader Ginsburg, outside the Supreme Court in Washington, DC, USA, 19 September 2020. United ...
Die Trauer um die verstorbene Ruth Bader Ginsburg ist gross.Bild: keystone

Einen Namen machte sich Ginsburg nicht zuletzt mit ihrer scharfen Argumentationsweise. Trump bezeichnete sie als Blender, vor einer Präsidentschaft des Republikaners und ihm als Person warnte sie trotz Neutralitätsgebots als Richterin ausdrücklich – was ihr harsche Kritik einbrachte. Ginsburgs Leben und Wirken ist Gegenstand mehrerer Filme und Bücher. Gerade viele Liberale feiern sie als Ikone. Ihr Gesicht findet sich auf Souvenirs und als Graffiti an Hausfassaden.

Ginsburg musste sich im August 2019 wegen eines bösartigen Tumors in der Bauchspeicheldrüse einer Strahlentherapie unterziehen. Bereits im Jahr davor war sie an der Lunge operiert worden, nachdem Ärzte zwei bösartige Knoten gefunden hatten. Nach mehreren Krankenhausaufenthalten teilte sie im Juli 2020 mit, dass sie erneut an Krebs erkrankt sei und sich einer Chemotherapie unterziehe.

Unmittelbar nach Bekanntwerden von Ginsburgs Tod versammelten sich vor dem Gericht in Washington hunderte Trauernde. Trump würdigte seine Kritikerin als «Titanin des Rechts» und ordnete an, dass Flaggen auf dem Weissen Haus und staatlichen Gebäuden für einen Tag auf halbmast gesetzt werden. (sda/dpa)

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Ruth Bader Ginsburg
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Die legendäre US-Richterin Ruth Bader Ginsburg ist tot
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quelle: sda / patrick semansky
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31 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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trichie
19.09.2020 23:43registriert Mai 2017
Man muss sich immer vor Augen halten dass wir hier von - auf die Schweiz übersetzt - einem Kampf zwischen progressiv = ungefähr FDP und konservativ = ungefähr rechter Flügel der SVP reden...
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Unicron
19.09.2020 23:31registriert November 2016
Ich respektiere Ruth Bader Ginsburgh für alles was sie für dieses Land getan hat, aber sie hätte aufgrund ihres Alters nach der Wiederwahl von Obama zurücktreten sollen. Wenn Trump nun einen dritten konservativen Richter ernennen kann, dann blockiert dies das Land für potentiell 50 Jahre. Es ist echt eine fürchterliche Lage. Ich trauerte um die amerikanische Jugend, welche unter Umständen für Jahrzehnte in veralteten Werten gefangen sein wird.
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Jein
20.09.2020 08:44registriert August 2017
Schon komplett ironisch das Supreme Court Richter keine Amtszeitszeitbeschränkungen haben um sie vom politischen Tagesgeschäft unabhängig zu machen, nun aber genau dies von Politikern gebraucht wird um Politik zu machen.

Es kommt auch nicht drauf an wer genau nominiert wird, es geht nur noch darum jemanden zu finden der qualifiziert aber vor allem relativ jung ist und auf Parteilinie entscheidet. Wenn nach Gorsuch und Kavanaugh noch Coney Barret folgt wäre ein Drittel des Supreme Courts für die nächsten >30 Jahre von Trump ernannt.
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