Fussball-WM 2006 in Deutschland: Der Anlass ging als «Sommermärchen» in die Geschichte ein: friedliche Stimmung, immer schönes Wetter und mit Italien ein Weltmeister mit viel Sympathien (Sieg gegen Frankreich im Penaltyschiessen). Eine WM, die Deutschland und auch den Weltfussballverband Fifa nur im besten Licht erscheinen liess.
Dieses Bild ging um die Welt. Geschossen hat es der Schweizer Fotograf Pascal Mora. Am 27. Mai 2015 werden im Zürcher Nobelhotel Baur au Lac mehrere Fifa-Funktionäre verhaftet. Dies auf Begehren der US-Justiz. Der Vorwurf: Korruption.
Die nächste Bombe platzt: Im Oktober 2015 enthüllt das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel», die WM 2006 sei gekauft worden. Von einer schwarzen Kasse ist die Rede, die das deutsche Bewerbungskomitee eingesetzt haben soll, um den WM-Zuschlag zu bekommen. 10,3 Millionen Franken seien geflossen.
Die Beschuldigten äussern sich. Franz Beckenbauer, OK-Präsident der Fussball-WM, sagt, er habe keine Stimmen gekauft. Der Präsident des Deutschen Fussball-Bundes (DFB) Wolfgang Niersbach wehrt sich ebenfalls. Doch sein Vorgänger Theo Zwanziger fährt ihm in die Parade: Vor der WM 2006 habe es «eindeutig eine schwarze Kasse» gegeben, sagt er.
Die Schweizer Bundesanwaltschaft leitet ein Strafverfahren ein gegen die Ex-DFB-Funktionäre Horst Rudolf Schmidt, Theo Zwanziger, Franz Beckenbauer und Wolfgang Niersbach – wegen Verdacht des Betrugs, der ungetreuen Geschäftsbesorgung, der Geldwäscherei sowie der Veruntreuung. Bundesanwalt Michael Lauber erklärt das Verfahren zur Chefsache.
Der kapitale Fehler: Bundesanwalt Lauber trifft sich im Juni 2017 dreimal heimlich mit Fifa-Präsident Gianni Infantino, unter anderem im Berner Hotel Schweizerhof. Er lässt die Treffen nicht protokollieren. Dafür erhält er später eine Rüge von der Aufsichtskommission über die Bundesanwaltschaft (AB-BA). Weil Lauber und andere Teilnehmer der Treffen sich nicht erinnern können, ist bis heute unklar, worum es dabei ging.
Die Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen die drei ehemaligen DFB-Funktionäre Horst Rudolf Schmidt, Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach sowie gegen den ehemaligen Schweizer Fifa-Funktionär Urs Linsi. Das Verfahren gegen Beckenbauer wird später wegen Krankheit abgetrennt und verjährt.
Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) kommt zum Schluss, Michael Lauber habe Amtspflichten verletzt. Er habe in den Fifa-Verfahren mehrfach die Unwahrheit gesagt. Deshalb soll Lauber der Lohn gekürzt werden. Dieser wehrt sich mit rechtlichen Schritten dagegen.
Am Montag ist der «Sommermärchen»-Fall offiziell verjährt. Der Skandal, der international viele Schlagzeilen machte, verschwindet also vom Tisch – ohne wirkliches Verfahren, geschweige denn ein Urteil. Der «Spiegel», der die Ermittlungen ins Rollen gebracht hatte, spricht von einem «Desaster».