Pyro-Premiere in der Bundesliga: In der Zweitliga-Partie Hamburger SV gegen Karlsruher SC wurde am Samstag erstmals eine kontrollierte Feuerwerk-Show abgebrannt. Fans zündeten unter Aufsicht des Sicherheitspersonals beim Einlauf der Spieler mehrere blau-weiss Rauchtöpfe.
Das Besondere: Erstmals in der Geschichte des deutschen Profifussballs wurde dies von einem Verein selbst organisiert – also legal und mit ausdrücklicher Erlaubnis des Deutschen Fussballbundes (DFB). Die Stadtbehörden erteilten eine Ausnahmebewilligung.
Der HSV hat sich wie alle anderen Bundesligaclubs in den letzten Jahren vehement gegen Pyros ausgesprochen und musste alleine in der letzten Saison 300'000 Euro Busse bezahlen, weil HSV-Fans in Stadien wiederholt Fackeln anzündeten. Jetzt hat der Verein selbst ein Feuerwerk durchgeführt. Warum? «Der HSV begreift Pyros als Teil der Fankultur. Strafen und Repressionen haben nichts gebracht. Es ist nun erforderlich, neue Wege zu gehen», sagte Cornelius Göbel, Leiter Fankultur HSV, zu n-tv.
Der Clubchef Bernd Hoffmann setzt sich vehement für kontrollierte Pyros ein: «Es kann nicht sein, dass das, was bei jedem Musikonzert passiert, im Fussball nicht zulässig sein soll», sagte er mit Blick auf die Rauch-Show. Zugleich distanzierte er sich von den Chaoten. «Wir verstehen uns nicht als Anwälte dieser durchgeknallten Straftäter, die Pyros in Menschenmassen abbrennen und das Leben ihrer Mitmenschen gefährden», sagte Hofmann zum Nordeutschen Rundfunk.
Ob von YB, FCZ oder FCB: In der Super League zünden Hardcore-Fans fast an jedem Spiel Pyro-Fackeln, die bis 2000 Grad heiss werden und damit ein Sicherheitsrisiko darstellen.
Dementsprechend aufmerksam hat Christian Wandeler, Geschäftsleiter Fanarbeit Schweiz, den Versuch in Hamburg verfolgt. «Punkto Pyros befinden wir uns hierzulande seit Jahren in einer Sackgasse. Die repressiven Verschärfungen haben nicht den gewünschten Effekt erzielt. Der Versuch in Hamburg ist ein spannender Ansatz. Ähnliche Ideen würden wir gerne auch in der Schweiz sehen», so Wandeler zu watson.
Auch die Swiss Football League findet die legalen Pyros einen «interessanten Ansatz», sagt SFL-Sprecher Philippe Guggisberg zu watson. Es gelte aber zu bedenken, dass Pyrotechnik unters Sprengstoffgesetz falle und damit grundsätzlich verboten ist. «Ob Behörden, Clubs, Liga und Sicherheitsleute – es müssten für einen Pilotversuch alle am gleichen Strick ziehen.»
Die Stadt Zürich hat 2013 bereits einmal versucht, Pyros zu legalisieren. Ein Feuerwerk-Spezialist der Stadt versuchte damals, GC- und FCZ-Fans von den Vorzügen legaler Pyros zu überzeugen. Der Testlauf mit Bühnen-Pyrotechnika im Letzigrund stellte die Fan-Vertreter aber nicht zufrieden.
Denn Ultras zünden lieber richtige Fackeln. Man sei sich der Gefahren bewusst und versuche, die Verwendung von Pyros möglichst sicher zu gestalten. Dass die Selbstregulierung funktioniere, zeige sich darin, dass es kaum zu Unfällen komme. «Pyrotechnik ist für uns ein Mittel zum Ausdruck von Emotionen und Freude, wie sie das für jeden Schweizer am 1. August und Silvester auch ist», sagte ein Vertreter der Zürcher Südkurve damals zum Tages-Anzeiger.
Wandeler von Fanarbeit Schweiz hofft, dass diese Diskussion wieder aufgenommen wird. «Die Verhältnisse sind von Stadt zu Stadt, von Klub zu Klub unterschiedlich. Es gibt sicher keine schnelle Lösung.»
Die Behörden setzen in der Schweiz punkto Fussballfans im Jahr 2020 wieder stärker auf Repression. Im Wallis hat die Regierung den FC Sion mit Auflagen dazu gezwungen, verschärfte Eingangskontrollen im Gästesektor durchzuführen und jeden Fan einzeln abzutasten.
Beim Spiel Sion gegen den FCZ erwies sich das neue Regime jedoch als Rohrkrepierer. Die ausführlichen Kontrollen wurden nur für kurze Zeit durchgesetzt. Fans gelang es zudem, eine ganze Tasche mit Pyros ins Stadion zu schmuggeln.
Das Vorpreschen der Walliser Regierung ist der Swiss Football League ein Dorn im Auge. Mit dem Konzept «Good Hosting» verfolgt die Liga den Ansatz, Gästefans wie Gäste und nicht wie Kriminelle zu behandeln. «Lückenlose Kontrollen bringen keinen Rückgang von Pyros im Stadion. Dies zeigt eine Studie der Uni Bern», sagt Guggisberg von der Swiss Football League.
Auch Wandeler sieht im Walliser Vorgehen einen «völlig falschen Ansatz». Man müsse den normalen Gebrauch von Pyros und den Einsatz als Waffe, etwa bei Fackelwürfen, klar differenzieren.
Aber reden wir bei den Rauchbomben oben und den pyros der YB fans vom gleichen produkt?
Genau das ist der springende Punkt. Das benutzen von Pyro muss legalisiert, der Missbrauch (als Waffe) jedoch stärker bestraft werden.