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Wie Schweizer auf Bali und Phuket die Corona-Misere erleben

epa08515365 A closed tour operator booth in Kuta, Bali, Indonesia, 29 June 2020. According to local media reports, the Bali government has already prepared to welcome domestic tourists in August by im ...
Vom Overtourism-Hotspot zur Geisterstadt: Im Touristenort Kuta auf Bali sind fast alle Geschäfte und Restaurants geschlossen. Bild: keystone

Overtourism adé: Schweizer erzählen, wie sich Bali und Phuket zu «Geisterstädten» wandeln

Jon Zürcher erlebte Terroranschläge und Vulkanausbrüche: Seit 40 Jahren lebt der Bündner auf Bali. Doch so schlimm wie die Corona-Krise hat die Insel noch kein Ereignis getroffen. Auch Gastronomin Brigitte Wieland hat einen denkbar schlechten Zeitpunkt erwischt, um ein Restaurant auf Phuket zu eröffnen.
20.09.2020, 14:4521.09.2020, 10:53
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Kuta, Bali

Wie der Ex-Honorarkonsul um sein Fonduestübli kämpft

Jon Zürcher hat schon allerhand erlebt. 1977 kurvte der Oberengadiner mit seinem VW-Bus von der Schweiz bis nach Bali. Und blieb hängen. Vor über 40 Jahren eröffnete er in Kuta Beach in Bali sein «Swiss Restaurant». Später amtete er jahrelang als Schweizer Honorarkonsul und erlebte Terroranschläge und Vulkanausbrüche auf der indonesischen Götterinsel. Doch so schlimm wie die Corona-Krise hat die Insel noch kein Ereignis in der jüngeren Geschichte getroffen.

«Bali ist seit sechs Monaten tot.»
Jon Zürcher
Jon Zürcher und seine Frau Suci hoffen, dass ihr Sohn bald nach Bali reisen darf.
Jon Zürcher und seine Frau Suci hoffen, dass ihr Sohn bald nach Bali reisen darf. bild: Zvg

Kuta war bis vor wenigen Monaten der «Ballermann» Südostasiens und wurde in den letzten Jahren von Touristen überflutet. Das Wort Overtourism ging von Bali aus um die Welt. Nun sind auf den normalerweise hoffnungslos verstopften Strassen kaum mehr Autos anzutreffen. «Bali ist seit sechs Monaten tot. Es lebt sich hier wie in einer Geisterstadt», sagt er am Telefon. Im Fonduestübli steigt derweil gerade der traditionelle Jassabend. Zumindest diese Normalität will der 68-jährige bewahren. Zu Gast sind einige Schweizer Stammgäste und Ausländer, die ebenfalls schon lange auf der Insel leben.

Die grosse Heiterkeit mag aber irgendwie nicht aufkommen. «Es geht uns schlecht. Meine Frau Suci und ich denken oft an die Balinesen, die vor dem Nichts stehen. Das macht uns sehr traurig». Die fruchtbare Insel sei zwar reich an Nahrungsmitteln. Aber die Situation werde für die einheimische Bevölkerung mit jedem Tag schlimmer. «Die Menschen verarmen teilweise. Manche haben bereits zu wenig zu essen.»

Der Jassabend steigt trotz Corona jeden Montag im «Swiss Restaurant» in Kuta, Bali.
Der Jassabend steigt trotz Corona jeden Montag im «Swiss Restaurant» in Kuta, Bali. bild: zvg
In der Stadt Ubud sind Affen in Häuser eingedrungen, weil sie auf der Strasse keine Nahrung mehr finden.

Die Touristen fehlen nicht nur den Menschen. In der Stadt Ubud im Landesinnern seien bereits Affen in Häuser eingedrungen, weil diese auf der Strasse keine Nahrung mehr finden. In normalen Zeiten werden die Tiere von Touris gefüttert. Im Herzen der Insel erlebt man Bali von seiner schönsten Seiten. Ohne Touristenscharen umso mehr. «Es ist eine Märchenwelt wie vor 40 Jahren», so Zürcher und schickt sogleich Fotos per Whatsapp.

Reisterrassen ohne Touristenscharen: «Bali ist im Landesinnern eine Märchenwelt wie vor 40 Jahren», sagt Jon Zürcher.
Reisterrassen ohne Touristenscharen: «Bali ist im Landesinnern eine Märchenwelt wie vor 40 Jahren», sagt Jon Zürcher. bild: zvg

Für den in St.Moritz aufgewachsene Gastronom und seine Frau ist es trotz der aktuellen Misere in Bali keine Option, in die Schweiz zurückzukehren. «Ich bin Schweizer im Herzen. Aber ich bin ein Indonesier durch und durch», sagt Zürcher weiter. Nun hoffen die Balinesen, dass die Regierung wie angekündigt ab Januar 2021 wieder Touristenvisas ausstellt.

Dies nicht nur, damit endlich wieder zahlungskräftige Kundschaft ins Land kommt.« Wir plangen darauf, dass uns unser Sohn endlich wieder besuchen kann», sagt Zürcher.

Phuket, Thailand

Brigitte Wieland muss ihr neues Restaurant nach sieben Wochen dichtmachen. Und kämpft weiter.

Die Bernerin Brigitte Wieland konnte kaum einen schlechteren Zeitpunkt erwischen, um nach Thailand auszuwandern. Im Januar 2020 zog sie mit Sack und Pack nach Phuket und übernahm dort das Restaurant Mario's Swiss Garden in Rawai. Doch nach nur sieben Wochen kam auch in Thailand der Lockdown. «Von einem Tag auf den anderen mussten wir dichtmachen», sagt Wieland am Telefon zu watson.

Brigitte Wieland lebt seit Januar 2020 in Phuket.
Brigitte Wieland lebt seit Januar 2020 in Phuket. bild: zvg

Seither steht die Touristeninsel Phuket still. Der wegen der Rotlicht-Szene berühmt-berüchtigte Patong Beach etwa sei eine Geisterstadt. Vielerorts seien nicht einmal die 7/11-Supermärkte offen, die im Land des Lächelns an jeder Ecke anzutreffen sind und meist 24 Stunden und sieben Tage die Woche offen sind.

Wie in Bali trifft die Corona-Krise die einheimische Bevölkerung extrem hart. Besonders den Süden des Landes. Denn in Phuket lebt der Grossteil der Menschen vom Tourismus. «Die Regierung verteilt immerhin Reis, Öl und Eier an die Menschen», schildert Wieland. Doch viele Leute hätten ihre Existenzgrundlage verloren. «Autos und Boote werden reihenweise eingezogen, weil die Leute die Leasingraten nicht mehr bezahlen können.»

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Die Strände in Südthailand sind verwaist. Bild: phuket.com
«Autos und Boote werden reihenweise eingezogen, weil die Leute die Leasingraten nicht mehr bezahlen können.»
Brigitte Wieland

Wieland ergeht es besser. Ihr kleines Restaurant ist seit Mai wieder offen. Die Stammkunden – hauptsächlich Schweizer und Ausländer, die in Phuket leben, sind dem Lokal treu geblieben. Zumindest die Kosten kann Wieland so decken, alle Angestellten konnten ihre Jobs behalten. «Wir unterstützen die lokale Bevölkerung, wo wir können. Doch allen Menschen kann man leider nicht helfen.»

Wieland tut alles, um ihre Angestellten zu unterstützen.
Wieland tut alles, um ihre Angestellten zu unterstützen. bild: Zvg

Nun hat die thailändische Regierung angekündigt, ab Oktober wieder Langzeitaufenthalter ins Land zu lassen. Doch Wieland bleibt skeptisch. «Die Saison ist gelaufen, bevor sie angefangen hat. Wir hoffen nun alle auf den Frühling 2021.»

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41 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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du_bist_du
20.09.2020 15:29registriert Mai 2020
Schwierig, einerseits sind viele Regionen auf der Welt vom Tourismus abhängig, andererseits ist es vielerorts schlicht zuviel.
Man kann aber auch nicht überall nur mit wenigen Luxusurlaubern die Kohle machen... Ich bin gespannt wies weitergeht, mit welchen Konzepten.
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DerRaucher
20.09.2020 16:45registriert Januar 2016
Es wird viel zu wenig über die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser ganzen Situation gesprochen. Überall auf der Welt wo man auf Touristen angewiesen war, geht nun je länger das geht, alles vor die Hunde. Und das nicht nur in Ländern wie Thailand. Auch in Metropolen wie New York verlieren immer mehr den Kampf gegen diese Situation. 400'000 sind aus der Stadt gezogen seit dem anfang der Pandemie. Manche weil sie es sich leisten können und Sicherheit in den Hamptons gesucht haben, und viele weil sie sich die Miete nicht mehr leisten konnten.
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Yellosix
20.09.2020 19:12registriert Januar 2018
Ich lebe in Patong und bestreite meinen Lebensunterhalt als Fotograf. Da ich mich in erster Linie auf Events und Ausflüge spezialisiert habe brach mir, wie zahllosen anderen Geschäften auch, das Einkommen zu 100% weg. Das Ersparte ist mittlerweile aufgebraucht. Etwas Onlinehandel hält knapp über Wasser.
Am Abend ist Patong still wie auf einem Friedhof. Die Selbstmordrate hat um 22% zugenommen und die Leute stehen immer noch Schlange an Essensausgaben. Das Budget der Regierung ist aufgebraucht. Einige Anlässe gibt es noch und alle hoffen, das es endlich etwas entspannter wird.
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