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400'000 Dollar, drei Monate Ferien – und keiner will den Job

Könnte schlimmer sein, oder? Tokoroa, im Norden Neuseelands.
Könnte schlimmer sein, oder? Tokoroa, im Norden Neuseelands.
bild: wikipedia

400'000 Dollar, drei Monate Ferien – und keiner will den Job

Klingt nach einer Traumstelle: Dickes Gehalt, üppiger Urlaub, keine Nacht- oder Wochenenddienste. Trotzdem hat sich zwei Jahre lang niemand auf diese Job-Ausschreibung in Neuseeland beworben. Wo ist der Haken?
25.02.2016, 02:2825.02.2016, 06:53
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Ein Artikel von
Spiegel Online

400'000 Dollar Jahresgehalt, drei Monate Urlaub, garantiert keine Nacht- oder Wochenenddienste. Die Eckdaten dieser Stellenanzeige lesen sich verführerisch. Damit nicht genug: Wer zu diesen Bedingungen als Arzt arbeiten will, wird automatisch Teilhaber der Praxis, deren Besitzer bereits über einen Nachfolger nachdenkt. Die Patientenkartei umfasst 6000 Namen. Auch nicht schlecht: Das Ganze ist in Neuseeland.

Wie lange wird so eine Stelle wohl unbesetzt bleiben? Antwort: schon zwei Jahre. Und geeignete Bewerber sind noch immer nicht in Sicht.«Ich weiss nicht mehr, was ich machen soll», sagt Alan Kenny, Miteigentümer dieser Allgemeinarztpraxis in Tokoroa, etwa zweieinhalb Stunden von Auckland entfernt. «Ich würde mir einen Arm ausreissen, um hier Ärzte herzulocken», sagte er dem «New Zealand Herald»: «Wenn es schon so schwierig ist, Kollegen zur Mitarbeit hierher zu bekommen, wie soll das erst werden, wenn es mal um meinen Nachfolger geht?»

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Die Praxis ist in den vergangenen zwei Jahren explosionsartig gewachsen, sagt Kenny. Das ermöglicht es ihm erst, so grosszügige Konditionen anzubieten: Das Gehalt ist etwa doppelt so hoch wie der Durchschnitt für Allgemeinärzte in Neuseeland. Aber die Arbeit wird Kenny auf Dauer zu viel.

Keine einzige Bewerbung

Seit zwei Jahren arbeitet seine Tochter als Ärztin mit, insgesamt sind es sechs Mediziner in der Praxis. Anders wäre es längst nicht mehr zu schaffen. Kenny hat bereits einen Sommerurlaub stornieren müssen, weil er keine Vertretung gefunden hat, in diesem Jahr könnte es ihm wieder so gehen, glaubt er.

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Zunächst hatte er eine auf Ärzte spezialisierte Personalberatung mit der Besetzung beauftragt, dann in Zeitungen inseriert. Auch die regionalen Gesundheitsbehörden sind informiert. Seit vier Monaten ist die Stelle im Internet ausgeschrieben. In der Zeit ist keine einzige Bewerbung eingegangen.

Aber wie kommt es, dass niemand bei dem Angebot anbeisst? Dass die Stelle zunächst auf zwei Jahre befristet ist, wird wohl kaum der Grund sein. Die erwartete Arbeitsbelastung ist hoch – das ist bei diesem Gehalt aber wohl nicht problematisch.

Und immer riecht man die Papiermühle

Neuseeland leidet unter Ärztemangel. Laut dem New Zealand Rural General Practice Network dauert die Neubesetzung einer Arztstelle im Durchschnitt zwei bis drei Jahre – allerdings zu durchschnittlichen Konditionen, also Gehälter zwischen 150'000 und 280'000 Dollar pro Jahr. In diesem Zeitraum gehen normalerweise auch ein paar Bewerbungen ein.

Eine grosse Zahl von Medizinern wird im Ausland angeworben. Kenny selbst kam vor 30 Jahren aus Großbritannien, seine Tochter ist die einzige Mitarbeiterin seiner Praxis, die in Neuseeland geboren wurde.

Besonders schwierig ist wohl der Einsatzort. Die Region um Tokoroa finden junge Neuseeländer provinziell. Tokoroa selbst, 1948 gegründet, gilt nicht eben als hübsch. Die kulturellen Möglichkeiten sind bei knapp 14'000 Einwohnern begrenzt. Ihre grossen Zeiten als boomende Holzfällerstadt sind vorbei, die Arbeitslosenquote liegt bei 22 Prozent. Trotzdem kann man meistens die Kinleith-Papiermühle riechen. Und so sonnig, wie man sich Neuseeland gemeinhin vorstellt, ist es dort wohl auch oft nicht: Über Tokoroa liegt häufig Nebel.

Jetzt auf

Seit Medien darüber berichtet haben, bekommt Kenny endlich Post. Aber: «99 Prozent der Bewerbungen sind für die Tonne», sagte er dem «Guardian». Das hohe Einkommen interessiert natürlich viele, aber offenbar gehen viele Bewerbungen von Leuten ein, die entweder nicht richtig Englisch können oder keine medizinische Ausbildung haben.

Schlimmer noch: In Tokoroa wird Kenny nun von vielen angefeindet. Sie sind neidisch auf sein Gehalt. (mamk)

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3 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bolly
25.02.2016 03:46registriert Februar 2016
So viele Millionen und Ärzte, sich dann doch zu schade dafür...da hat man entweder den Beruf verfehlt, oder ist sich zu schade dafür. 😕
Die merken es dann erst wenn es Ihnen selber an den Kragen geht. Die sollen nicht neidisch sein, sondern froh das es Ärzte da hat!!!
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Humbolt
25.02.2016 08:57registriert Dezember 2015
Die gleichen Probleme haben wir hier auch! Ihr würdet besser darüber berichten, als über diesen Medienhype auf der anderen Seite der Welt.
Ein Freund von mir konnte sich zwischen 11 Praxen in Umkreis von 20 km entscheiden, als er sich selbstständig machen wollte. Das im Kanton Zürich, nicht am Ende von Graubünden. Die haben erst recht Probleme.
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