Im 71. Jahr seines Bestehens kann Israel einen beträchtlichen Erfolg verbuchen. Mit Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) wollen zwei arabische Staaten gleichzeitig diplomatische Beziehungen mit dem jüdischen Staat aufnehmen. Besiegelt wird die Vereinbarung am Dienstag um 12 Uhr Ortszeit (18 Uhr MESZ) im Weissen Haus.
Im Beisein von US-Präsident Donald Trump werden Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sowie die Aussenminister der Emirate und Bahrains das «Abraham-Abkommen» unterzeichnen, dessen konkreter Inhalt bis zuletzt unter Verschluss gehalten wird. Benannt ist es nach dem biblischen Patriarchen, der als Stammvater der drei grossen monotheistischen Religionen (Christentum, Judentum, Islam) gilt.
Im Vorfeld der Zeremonie kam es zu Nebengeräuschen. So wurde Netanjahu bei seinem Abflug in der Nacht auf Montag von wütenden Demonstranten empfangen. Seine Regierung hatte am Sonntag einen erneuten Corona-Lockdown beschlossen. Proteste gab es auch in der islamischen Welt, aber die Kritik am Frieden mit Israel ist leise geworden.
Israel hat drei grosse Kriege gegen seine arabischen Nachbarn geführt und gewonnen: Den Unabhängigkeitskrieg 1948/49, den Sechstagekrieg 1967 und den Yom-Kippur-Krieg 1973. Seither haben Ägypten 1979 und Jordanien 1993 diplomatische Beziehungen mit Israel aufgenommen. Gelebt aber wird dieser Frieden höchstens hinter den Kulissen.
Seither kam kein weiteres arabisches Land hinzu, weshalb das Abkommen mit Bahrain und den Emiraten durchaus als «historisch» eingestuft werden kann. Erleichtert wurde es durch die Tatsache, dass beide Staaten nie gegen Israel Krieg geführt hatten. Allerdings gehören sie eher zu den «Leichtgewichten» im Nahen Osten, was die Bedeutung relativiert.
Der US-Präsident bezeichnete das Abkommen als «historischen Durchbruch» und pries sich selbst als Dealmaker an. Informelle Kontakte zwischen Israel und den beiden Ländern gibt es jedoch schon seit Jahren. «Trump knallt seinen Namen auf ein Hotel, das eigentlich schon gebaut war», sagte der Nahostexperte Karim Sadjadpour der «Washington Post».
Kritiker sehen in der Zeremonie vom Dienstag ein Wahlkampfmanöver, mit dem Trump bei der evangelikalen Wählerschaft punkten will, die stramm pro-israelisch ist. Ausserdem soll die «Front» gegen den Erzfeind Iran gestärkt werden. Das ist vor allem im Fall von Bahrain delikat. Das kleine Königreich im Persischen Golf wird mehrheitlich von Schiiten bewohnt.
Es ist möglich, dass weitere Länder dem Beispiel Bahrains und der VAE folgen, etwa das Sultanat Oman oder Marokko. Ein echter Durchbruch aber würde vorliegen, wenn Saudi-Arabien als selbst ernannte Führungsmacht am Golf mit Israel Frieden schliessen würde. Der umstrittene Kronprinz Mohammed bin Salman wäre wohl dazu bereit.
Dennoch wäre ein solcher Schritt heikel, denn das saudische Königshaus sieht sich als Hüter der heiligen Stätten des Islams. Und dazu gehört neben Mekka und Medina auch Jerusalem (arabisch Al Quds), von wo der Prophet Mohammed seine Himmelfahrt angetreten haben soll. Offiziell halten die Saudis deshalb an der Friedensinitiative von 2002 fest: Diplomatische Beziehungen im Austausch gegen einen Palästinenserstaat.
Die schärfste Kritik am Abkommen äusserten Iran und die Türkei. Im Fall der Iraner überrascht das nicht, sie sehen Israel seit dem Sturz des Schahs 1979 als Todfeind. Die Türkei hingegen nahm 1949 als erstes muslimisches Land diplomatische Beziehungen mit Israel auf. Im Jahr 2000 folgte ein Freihandelsabkommen.
Unter Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich das Verhältnis erheblich verschlechtert. Aussenpolitisch agierte er in letzter Zeit immer aggressiver, auch um von inneren Problemen abzulenken. Yossi Cohen, der Chef des Geheimdienstes Mossad, sagte im August, die wirkliche Bedrohung für Israel gehe nicht mehr von Iran aus, sondern von der Türkei.
Als Gegenleistung für das Abkommen muss Benjamin Netanjahu die bereits beschlossene Annexion von 30 Prozent des Westjordanlands auf Eis legen. Bahrain und die Emirate betonten, sich weiterhin für eine Zweistaaten-Lösung einzusetzen. Die Emirate hielten «an ihrer tiefen und langjährigen Verpflichtung für die Palästinenser fest», hiess es in einem Beitrag für die Zeitung «Haaretz».
Die Palästinenserführung in Ramallah betrachtet den Friedensschluss dennoch als «Verrat an Jerusalem, der Al-Aksa-Moschee und der palästinensischen Sache». Die verfeindeten Gruppierungen Fatah und Hamas, die sich seit Jahren vergeblich um eine Annäherung bemühen, haben für den Dienstag zu einem «Tag der öffentlichen Ablehnung» aufgerufen.
Das aber zeigt höchstens die Ohnmacht der Palästinenser, die nicht zum ersten Mal feststellen müssen, dass es mit der Solidarität ihrer arabischen «Brüder» nicht weit her ist. Nun rächt es sich, dass sie immer wieder Chancen auf einen Frieden mit Israel, der über das Osloer Abkommen von 1993 hinausgeht, ausgeschlagen haben.
Wohl kaum...
/s