Anfang der 90er-Jahre wurde der brasilianische Fotografjournalist Sebastiao Ribeiro Salgado nach Ruanda geschickt, um über den schrecklichen Völkermord zu berichten. Das vor Ort Erlebte traumatisierte ihn schwer. 1994 kehrte Salgado in seine Heimat zurück. Er hoffte zu Hause in Minas Gerais, wo er von einem üppigen Wald umgeben aufgewachsen war, Ruhe und Erholung zu finden.
Statt des Waldes aber fand er kilometerweit staubiges und karges Land vor. In wenigen Jahren fand in seiner Heimatstadt eine massive Abholzung statt. Sämtliche Pflanzen und Tiere waren verschwunden. Salgado war niedergeschmettert. In einem Interview mit der englischen Zeitung «The Guardian» sagte er: «Nur noch etwa 0,5 Prozent der Fläche war mit Bäumen bedeckt. Das Land war genauso krank wie ich. Alles war zerstört.»
Salgados Frau Lelia machte einen tollkühnen Vorschlag: Sie wollte den gesamten Wald neu pflanzen. Obwohl das Vorhaben unmöglich schien, unterstützte Salgado die Idee. Gemeinsam begab sich das Paar auf eine heldenhafte Mission.
Salgado kaufte die verlassene Viehzucht seiner Eltern und begann ein Netzwerk von Freiwilligen und Partnern aufzubauen, die bereit waren, das Mammutprojekt zu finanzieren und zu unterstützen. 1998 gründete das Paar das Instituto Terra – eine Organisation, die es sich zum Ziel setzte, den Wald wieder zum Leben zu erwecken.
Ein Jahr nach der Gründung der Organisation sähte das Ehepaar den ersten Samen. Zu Beginn waren es 24 Mitarbeiter, die fortan täglich neue Setzlinge pflanzten, invasives Unkraut entfernten, sich um die neuen Pflanzen kümmerten. Später wurde das Team von vielen Freiwilligen unterstützt.
Schon bald trug die harte Arbeit Früchte. Die in der Region heimischen tropischen Bäume begannen wieder zu blühen. Dank grosszügiger Spenden konnten die Salgados ihre Arbeit unermüdlich fortsetzen. Gepflanzt wurden hauptsächlich lokale Baum- und Straucharten.
Seit 1999 hat das Instituto Terra über 2 Millionen Setzlinge von 293 Baumarten gepflanzt. Entstanden ist ein 68 Millionen Quadratmeter grosser Tropenwald – was einer Fläche von 10'000 Fussballfeldern entspricht. Die biodiversitätsreiche Zone wurde kürzlich zu einem privaten Naturschutzgebiet erklärt.
Die Bewaldung hat auch zur Bekämpfung von Bodenerosion geführt und natürliche Quellen in der Region wiederbelebt. Acht Wasserquellen, die einst ausgetrocknet waren, fliessen heute wieder mit etwa 20 Litern pro Minute. Der Wald bewirkt auch, dass es in der Gegend mehr regnet und kühleres Wetter herrscht – eine drastische und willkommene Veränderung des Klimas.
Der bisher wichtigste positive Aspekt des Waldes ist die Rückkehr der verlorenen Fauna. Über 172 Vogel-, 33 Säugetier- und 15 Amphibien- und Reptilienarten haben sich im Wald angesiedelt. Einige der Pflanzen und Tiere in Salgados Wald stehen gar auf der Liste der gefährdeten Arten.
Das Aufforstungsprojekt der Salgados gehört heute zu den grössten Umweltinitiativen weltweit. Zwei Personen schafften es, in zwanzig Jahren einen 68 Millionen Quadratmeter grossen Wald zu pflanzen. Darum nehmen viele Umweltschützer das Beispiel der Eheleute Salgado, um zu zeigen, dass der Klimawandel nicht nur gestoppt, sondern auch rückgängig gemacht werden kann, wenn genug Initiative dafür aufgebracht wird.