Mit einem Streik haben Unabhängigkeitsbefürworter in Katalonien erneut das öffentliche Leben in der Region teilweise lahmgelegt. Demonstranten blockierten am Mittwoch Strassen, Autobahnen und Gleise, teilte die katalanische Strassenverkehrsbehörde mit.
Mehr als 50 Strassen in der Region, darunter wichtige Autobahnen, seien zeitweise unpassierbar gewesen. Zu dem Streik aufgerufen hatte die Gewerkschaft CSC, die eine Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien unterstützt.
Mit der Aktion wollte die Gewerkschaft gegen Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt und ein Dekret der Zentralregierung in Madrid protestieren, welches eine einfachere Verlegung von Firmensitzen aus Katalonien ermöglicht.
Unterstützung für die Protestaktion kam von der grössten katalanischen Bildungsgewerkschaft Ustec sowie den Gruppierungen Katalanische Nationalversammlung (ANC) und Omnium Cultural, deren Chefs inhaftiert sind.
Unter anderem musste ein TGV-Hochgeschwindigkeitszeug von Barcelona nach Frankreich auf halber Strecke umkehren. In Gerona blockierten Demonstranten Bahngleise und legten damit den Zugverkehr zeitweise lahm.
Allerdings folgten weniger Menschen dem Streikaufruf als beim Generalstreik Anfang Oktober. Der Streik zeigte somit auch Mobilisierungsprobleme der Unabhängigkeitsbewegung. Die beiden grössten spanischen Gewerkschaften CCOO und UGT unterstützten den Ausstand nicht.
Aus der Präfektur in Barcelona hiess es, die Auswirkungen des Streiks seien «schwach». «Am 3. Oktober war alles geschlossen, aber diesmal sind nur zwei Bars betroffen», sagte eine Kellnerin in der katalanischen Hauptstadt.
Streiks aus politischen Motiven sind nach spanischem Recht verboten. Angesichts der politischen Krise in Katalonien nahm der Streik allerdings politische Züge an: Demonstranten trugen Flaggen und Spruchbänder der Unabhängigkeitsbewegung und forderten die Freilassung ehemaliger katalanischer Regierungsmitglieder und von Vertretern der Zivilgesellschaft.
Das spanische Verfassungsgericht annullierte unterdessen die katalanische Unabhängigkeitserklärung vom 27. Oktober. Diese sei «verfassungswidrig und nichtig», erklärte eine Sprecherin des Gerichts in Madrid. Das Urteil war erwartet worden, da das Gericht bereits das Referendum zur Loslösung von Spanien untersagt hatte.
Nach der Unabhängigkeitserklärung des katalanischen Parlaments Ende Oktober hatte die spanische Regierung die Regionalregierung abgesetzt und die Verwaltung der autonomen Region übernommen. Mehrere katalanische Politiker wurden unter dem Vorwurf der Rebellion in Haft genommen. Für den 21. Dezember wurden Neuwahlen in Katalonien angesetzt.
Der abgesetzte Regionalpräsident Carles Puigdemont und vier seiner Minister hatten sich vergangene Woche nach Belgien abgesetzt. Spanien beantragte daraufhin über einen europäischen Haftbefehl die Auslieferung. Der Antrag wird derzeit von der belgischen Justiz geprüft.
Belgiens Ministerpräsident Charles Michel sieht nach Puigdemonts Flucht in sein Land keine Gefahr einer belgischen Koalitionskrise. «Es gibt eine politische Krise in Spanien und nicht in Belgien», sagte Michel am Mittwoch vor dem Parlament in Brüssel.
Flämische Nationalisten in seiner Regierung hatten zuvor Sympathien für die Katalanen bekundet. Die von Spanien verlangte Auslieferung Puigdemonts sei «eine Frage für die Gerichte, nicht die Regierung», sagte Michel.
Der Liberale Michel regiert Belgien seit 2014 mit einer Koalition aus vier Parteien, zu der auch die flämischen Nationalisten der Partei N-VA gehören. Deren Ziel ist nach dem Parteistatut die Schaffung einer «unabhängigen Republik Flandern» im Norden Belgiens.
Seit dem Einstieg in die belgische Regierung hat die Partei dieses Ziel aber zurückgestellt. Minister und Vertreter der N-VA hatten in den vergangenen Tagen jedoch offen Unterstützung für die Katalanen bekundet und die spanische Regierung scharf kritisiert. (sda/afp/reu)