Die schwedische Justiz nimmt die Vergewaltigungs-Ermittlungen gegen Wikileaks-Ko-Gründer Julian Assange wieder auf. Dies kündigte die Staatsanwaltschaft in Stockholm am Montag an.
«Es gibt immer noch Grund zur Annahme, dass sich Assange der Vergewaltigung schuldig gemacht hat», sagte die stellvertretende Direktorin der Staatsanwaltschaft, Eva-Marie Persson, am Montag in Stockholm.
Nach Assanges Festnahme in London sei es nun möglich, per europäischem Haftbefehl seine Auslieferung nach Schweden zu beantragen. Assange könne hoffentlich bald zu den Vorwürfen befragt und vor Ablauf der Verjährungsfrist im August 2020 zur Rechenschaft gezogen werde, sagte Persson.
Die schwedische Staatsanwältin betonte, dass die Entscheidung über eine Auslieferung ganz bei den Briten liegt. «Eine eventuelle Konkurrenzsituation zwischen dem europäischen Haftbefehl und einem amerikanischen Auslieferungsbegehren soll voll und ganz von den britischen Behörden entschieden werden», sagte Persson.
Der 47-jährige Assange war im Jahr 2010 in Schweden von zwei Frauen wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung angezeigt worden. Das Verfahren wegen sexueller Nötigung wurde 2015 wegen Verjährung eingestellt. Im zweiten Fall legte die Stockholmer Staatsanwaltschaft 2017 die Ermittlungen zu den Akten, weil der damals in London im Botschaftsexil lebende Assange für sie nicht erreichbar war.
Die damalige Entscheidung «basierte nicht auf Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Beweisen, sondern auf Schwierigkeiten, die die Ermittlungen behinderten», sagte Persson.
Nach der Festnahme Assanges in London hatte die schwedische Klägerin die Wiederaufnahme des Verfahrens gefordert. Sie wirft Assange vor, sie im Schlaf ohne Kondom vergewaltigt zu haben, obwohl sie zuvor wiederholt ungeschützten Sex mit ihm verweigert habe.
Bei einem Verhör in der Botschaft von Ecuador sagte Assange Ende 2016, es habe sich um «einvernehmlichen» Geschlechtsverkehr gehandelt. Geführt wurde das Verhör von einem ecuadorianischen Staatsanwalt, der die Fragen von der dabei anwesenden zuständigen schwedischen Ermittlerin bekam.
Wikileaks-Sprecher Kristinn Hrafnsson erklärte am Montag, die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Assange werde es ihm ermöglichen, seine Unschuld zu beweisen. Assange habe immer gesagt, er sei bereit, sich den Vorwürfen zu stellen - vorausgesetzt, die schwedischen Behörden garantierten, dass er von dort nicht in die USA ausgeliefert werde.
Hrafnsson vermutet Druck von aussen hinter den neu aufgenommenen Voruntersuchungen in Schweden zu Vergewaltigungsvorwürfen gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange. «Es ist unbestreitbar, dass politischer Druck auf Schweden zur Wiederaufnahme des Falles geführt hat», sagte er der Deutschen Presse-Agentur am Montag. Der ganze Fall sei von Anfang bis Ende politisch ausgeschlachtet worden.
Als Grossbritannien 2012 beschloss, Assange nach Schweden auszuliefern, war er in die ecuadorianische Botschaft in London geflüchtet, wo er sieben Jahr blieb. 2017 wurden die Voruntersuchungen in Schweden eingestellt, weil die Staatsanwaltschaft keine Möglichkeit sah, die Ermittlungen voranzubringen. Die Schuldfrage sei damit aber nicht geklärt, sagte die Anklägerin damals.
Im April wurde Assange nun in der Botschaft in London festgenommen und zu 50 Wochen Haft verurteilt, weil er gegen Kautionsauflagen verstossen und sich jahrelang dem Zugriff der Polizei entzogen hatte. Die USA wollen, dass der Australier an sie ausgeliefert wird.
Die USA werfen Assange Verschwörung mit der Whistleblowerin Chelsea Manning vor. Manning hatte Wikileaks 2010 - damals noch als Bradley Manning - Hunderttausende geheime Militärdokumente zukommen lassen. Es geht dabei um die US-Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan.
Wie am Montag bekannt geworden ist, hat die Generalstaatsanwaltschaft von Ecuador einer Durchsuchung des Zimmers von Assange in der Londoner Botschaft des lateinamerikanischen Landes zugestimmt. Dokumente, Mobiltelefone, Computer und Datenträger des Netzaktivisten sollen an die USA weitergegeben werden, berichtete die spanische Tageszeitung «El País» am Montag unter Berufung auf ein Dokument, das der Zeitung vorlag.
Demnach soll der versiegelte Raum am 20. Mai durchsucht werden. Die Entscheidung sei Assanges ecuadorianischem Anwalt Carlos Poveda bereits mitgeteilt worden. Der Wikileaks-Gründer hatte sieben Jahre in der Botschaft gelebt.
(aeg/sda/afp/dpa)