Herr Frei, der entfesselte Trump-Mob konnte praktisch ungehindert in das Kapitol – das Heiligtum der US-Demokratie – eindringen. Einige Polizisten machten Selfies mit den Fanatikern. Was sagt uns das über den Zustand der USA?
Christoph Frei: 30'000 weisse Trump-Anhänger versammelten sich gestern vor dem Kapitol und nahmen es später dann teilweise ein. Dies zu einem Zeitpunkt, da sich die versammelte Legislative des Landes im Gebäude aufhielt. Wie ist so etwas möglich? Ich überspitze einen Vergleich: Würden afroamerikanische Demonstranten Richtung Kapitol marschieren, wäre zu erwarten, dass die Polizei spätestens 500 Meter vor den Abschrankungen Tränengas und Gummischrot zum Einsatz brächte – vielleicht auch schärfere Mittel. Machen wir uns keine Illusionen: Polizisten hätten wahrscheinlich auf Schwarze geschossen. Ich will den Sicherheitskräften keine Komplizenschaft unterstellen. Die hier unterstellte Ungleichheit im Vergleich zu den Black-Lives-Matter-Protesten ist aber mehr als plausibel. Das muss zu denken geben.
Wie ist das Verhalten der Polizei zu verstehen?
Die Laschheit erklärt sich zumindest in Teilen aus der sozio-politischen Kultur, mithin aus dem Alltag in den USA. In weissen Demonstranten, egal ob Verschwörungtheoretiker, Waffennarren oder ganz normale Bürgerinnen, sehen Polizisten prinzipiell weniger ausgeprägt eine Gefahr als in der Konfrontation mit afroamerikanischen Gruppen. Solche Wahrnehmungen mögen helfen, das Verhalten der Sicherheitskräfte zu verstehen.
Das Kapitol ist erstmals seit 1814 gestürmt worden. Selbst einige Republikaner sprechen von einem versuchten Putsch. Wie stufen Sie die Ereignisse ein?
Ich glaube mitnichten, dass wir es mit dem Versuch eines durchdachten Staatsstreichs von Trump zu tun haben. Dazu war das Vorgehen aller Beteiligten zu chaotisch und dilettantisch. Umgekehrt geht eine solche Eruption von Gewalt jedoch weit über die normale Form des Protests hinaus; sie tritt den verfassungsrechtlichen Rahmen mit Füssen. Und Trump ist natürlich nicht der alleinige Brandstifter. Viele Republikaner haben die Lüge vom Wahlbetrug, überhaupt das System Trump, seit langem mitgetragen und haben so den Boden mit bereitet. Eine ziemliche Schlangenbrut.
Der Mob ist inzwischen abgezogen, die Lage bleibt fragil. Wie gefährlich werden die zwei Wochen bis zur Amtseinsetzung von Joe Biden?
Unter den Trump-Anhängern gibt es durchaus gewaltbereite Extremisten. Sie haben verinnerlicht, dass man ihnen den Wahlsieg und überhaupt «ihr Land» stehlen will. Sie wähnen sich als Patrioten, die das Heiligste verteidigen, nämlich die Verfassung. Von daher wäre es naiv zu glauben, dass Gewalt fortan auszuschliessen ist. Eine offene Frage ist, wie sehr «Zauberlehrling» Trump jene Kräfte noch kontrolliert, die er selber geschaffen hat. Bis auf weiteres bleibt die Lage angespannt, gibt es ein erhöhtes Risiko. An eine grundsätzliche Gefahr für das politische System glaube ich nicht. Ein Bürgerkrieg, wie ihn manche Leute jetzt prophezeien, ist unwahrscheinlich.
Wie erleben Sie Donald Trump in diesen Stunden?
Donald Trump erscheint als pathologischer Brandstifter, als ziemlich kranker Mann. Wahrscheinlich ist aber auch, dass er sich selbst als grösster Verlierer der gestrigen Ereignisse erweisen wird. Noch nie habe ich einen amtierenden Präsidenten gesehen, der sich innerhalb von wenigen Minuten so konsequent disqualifiziert hat. «Man will uns den Wahlsieg stehlen... Aber es soll Friede sein... Ihr seid speziell, wir lieben Euch»: Solche Sequenzen zeigen das Ausmass an Realitätsverdrängung, die unterdessen zu Donald Trump gehört.
Hochrangige Regierungsmitglieder diskutieren offenbar eine sofortige Absetzung Trumps. Ist es realistisch, dass Trump nun doch noch aus dem Amt gejagt wird?
Trump hat 74 Millionen Wählerinnen hinter sich, jetzt nur keine Schnelljustiz. Vier Jahre lang haben die Republikaner Trump nicht nur geduldet, sondern mitgetragen. Hinter der Rede einer Absetzung steht vorab das taktische Bestreben vormaliger Verbündeter, sich auf der Zielgerade von Trump zu distanzieren. Aber wie spät kommt diese Wende! Fast «unheimlich» stark war das Zweckbündnis der Republikaner mit diesem Präsidenten.
Republikanische Senatoren wie Ted Cruz oder Lindsay Graham halten nach wie vor zu Trump. Droht der Grand Old Party nun die Spaltung?
Auch die Republikaner waren und sind schon immer eine heterogene Partei. Die Ereignisse von gestern machen es dem weniger radikalen Flügel der Partei einfacher, sich von Trump abzuwenden. Ein kleiner Lichtblick, wenn Sie so wollen. Die Wunden sind aber tief.
Wie kommt Amerika aus der Sackgasse heraus?
Die Lüge der von Trump gewonnenen Wahl gehört nachhaltig vom Tisch. Hochrangige Republikaner müssen – endlich – klar und deutlich sagen, dass es keine robusten Anhaltspunkte für Wahlbetrug gibt. Dazu gehört Mut oder auch einfach Wille, den Opportunismus – um nicht zu sagen: die Feigheit – der vergangenen Wochen hinter sich zu lassen. Und sodann braucht es Zeit – viel Zeit, um weite Gräben zuzuschütten.
74 Millionen Bürgerinnen und Bürger haben im November Trump gewählt, viele davon leben zumindest politisch in einer Parallelwelt. Was kann den Trumpismus in den USA stoppen?
Solange Trump sich frei bewegen und äussern darf, dürfte ein stattlicher Kern von Anhängern zu ihm stehen. Populismus zeichnet sich dadurch aus, dass sich charismatische Persönlichkeiten unter Umgehung der Institutionen mit dem Volk zusammentun. Solange der Führer seine Geschichten frei kommuniziert und solange diese Geschichten verfangen, bleibt die Möglichkeit bestehen, dass beide Seiten sich finden.
Twitter und Facebook haben Trump zumindest vorübergehend blockiert. Wie sehr trifft dies den Präsidenten?
Für Trump und seinen Regierungsstil wäre es fast schon die Höchststrafe, wenn ihn Twitter permanent sperren würde. Ob es wirklich soweit kommt?
Trump hat am Donnerstag eine geordnete Amtsübergabe an Joe Biden versprochen. Wie glaubwürdig ist diese Aussage?
Können Sie sich vorstellen, dass Donald Trump am 20. Januar bei der Vereidigung hinter Joe Biden stehen wird, wie Barack Obama damals hinter ihm stand? Stand heute ist es eine heikle Sache, zu denken, die Sache sei gegessen. Solange das Mantra der «gestohlenen Wahl» im Raum steht, haben wir ein erhöhtes Risiko von Gewalt. Vielleicht hat die Bewegung Trumps mit dem Angriff auf das Kapitol aber auch ihren Höhe- und Tiefpunkt erreicht. Dann stünden wir nicht am Anfang, sondern am Ende eines Zyklus, der vor vier Jahren ebenfalls beim Kapitol begann. Das Beste am gestrigen Tag bleibt, dass sich Trump als das entpuppt hat, was er ist. Fünf Personen sind dabei gestorben. Schon dieser Preis ist inakzeptabel.
Pence geht zu Donald: Tritt doch zurück und dann ist Ruhe und ich kann dich dann Begnadigen.
Donald tritt zurück und Pence wird Präsident für 13 Tage.
Pence dann als Präsident: Donald hat mich gebeten ihn zu begnadigen. Aber nachdem er mich so schändlich behandelt hat und mich zwingen wollte ihn zum Sieger zu erklähren werde ich ihn und seine Familie NICHT beganadigen