Nach dem Brexit ist vor den Verhandlungen. Am Freitag ist Grossbritannien aus der EU ausgetreten. Bis Ende 2020 gilt jetzt eine Übergangszeit, in der die bisher geltenden Regelungen zwischen der EU und Grossbritannien bestehen bleiben. Währenddessen soll verhandelt werden, wie genau das Verhältnis zwischen Festland und der Insel ab dem 1. Januar 2021 aussehen soll.
Völlig unklar sind dabei noch viele Fragen, die die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen EU und Grossbritannien betreffen. Und an diesen Fragen könnte das bisherige Brexit-Abkommen auch noch einmal scheitern. So sagte der Wirtschaftsexperte und IfW-Präsident Gabriel Felbermayr gegenüber watson: «Ein No-Deal ist noch immer möglich und wäre auch für die EU teuer.»
Watson hat mit dem Wirtschaftsexperten Fabian Zuleeg von der Denkfabrik «European Policy Centre» in Brüssel gesprochen. Er berät die europäischen Institutionen in Wirtschaftsfragen und hat einen Einblick in die Verhandlungen nach dem Brexit. Wir wollten von ihm wissen, welche Fragen jetzt noch geklärt werden müssen, wie das innerhalb von nur elf Monaten passieren soll – und ob Frankfurt tatsächlich London als Finanzzentrum Europas ablösen wird.
Watson: Am 31. Januar wurde der Brexit vollzogen. Jetzt ist eine Übergangszeit bis zum 31.12. vereinbart. Was bedeutet das denn jetzt? Sind die Briten drinnen oder draussen?
Fabian Zuleeg: Zunächst mal ist wichtig, dass am 31.1. der Brexit stattfand. Das ist ganz unabhängig von der Übergangsfrist. Das heisst, seit dem 1. Februar ist Grossbritannien nicht mehr Teil der EU. Ob sich dann ein Vertrag finden lässt, der die zukünftige Zusammenarbeit regelt, ist noch nicht klar. Aber selbst, wenn es diesen Vertrag nicht gibt, ändert das nichts daran, dass Grossbritannien die EU verlassen hat.
Und was passiert nun in der Übergangszeit?
Wir haben jetzt elf Monate, um einen sehr komplizierten Vertrag zu verhandeln, mit vielen politischen Fallen, die man umgehen muss. Ausserdem muss der Vertrag noch ratifiziert werden. Effektiv bedeutet das, dass wir vielleicht neun Monate haben, um zu verhandeln. Das ist sehr kurz, gemessen an dem, was da alles noch offen ist. Das gab es eigentlich noch nie, dass so ein komplizierter Vertrag in so kurzer Zeit verhandelt wurde.
Was könnte dabei herausgekommen?
Wenn überhaupt, kann das nur ein sehr beschränkter Vertrag sein. Das grosse Ziel, eine tiefe Bindung zwischen Grossbritannien und der EU zu schaffen, kann in der Zeit nicht erreicht werden.
Welche Fragen sind denn nach wie vor ungeklärt?
Im Prinzip: Alle. Was bisher geregelt wurde, waren die drei zentralen Fragen: Die finanziellen Verpflichtungen Grossbritanniens, der Schutz der Rechte der EU-Bürger in Grossbritannien und eine Regelung für Nordirland. Ausserdem hat man sich auf eine Übergangsfrist geeinigt, aber alle anderen Fragen sind noch offen. Gerade im wirtschaftlichen Bereich müssen die Handelsbeziehungen neu geregelt werden, aber auch die Aussen- und Sicherheitspolitik, das sind alles wichtige Fragen, für die man bisher keine Lösung gefunden hat und dann gibt es noch Bereiche, in denen man noch gar nicht angefangen hat, zu verhandeln.
Das ergibt den Eindruck, dass man die heiklen Themen aufgeschoben hat ...
Es ist nicht so, dass man nur die einfachen Themen
geklärt hat. Aber es ist eben auch noch nicht klar, wo die Probleme entstehen werden. Aber es wird sicher noch einmal schwierig werden, wenn es um die Frage geht, inwieweit der Finanzsektor Grossbritanniens weiterhin Zugang zum europäischen Markt hat. Es kann gut sein, dass einige Mitgliedsstaaten der EU sich querstellen oder Widerstand leisten werden und Grossbritannien in einigen Punkten einknicken muss, um überhaupt einen Deal zu bekommen. Das wird zum Beispiel bei der Fischerei der Fall sein. Aber auch bei der Frage, wie man mit Gibraltar umgeht. Die Verhandlungen werden für Grossbritannien nochmal sehr unangenehm werden.
Im Zuge des Brexit wurde schon überlegt, ob der Finanzsektor aus London abwandern könnte und wenn ja, wohin. Da waren Paris und Frankfurt im Gespräch. Könnte Frankfurt das neue London werden?
Da muss man unterscheiden. Die City of London hat verschiedene Funktionen als Finanzstandort. Ein Teil der Finanzdienstleistungen ist unabhängig von der EU. Da geht es um weltweiten Handel und der kann nach wie vor in London stattfinden. Allerdings ist London da auch im Konkurrenzkampf mit dem Rest der Welt. Ein Teil der Finanzleistungen könnte also nach China oder Singapur abwandern, oder in die USA. In dem Fall würden weder die EU noch Grossbritannien profitieren.
Und was ist mit Finanzdienstleistungen innerhalb der EU?
Da sind im Moment vier Städte im Gespräch, das sind Dublin, Amsterdam, Paris und eben Frankfurt. Es wird sicherlich Funktionen geben, die aus London in eine dieser Städte abwandern. Aber insgesamt denke ich nicht, dass eine dieser Städte London ersetzen wird. Es ist eher so, dass hier eine Lücke entsteht, von der weder Grossbritannien noch die EU profitieren. Das ist leider die traurige Wahrheit beim Brexit: Es ist nicht nur ein Verlust für Grossbritannien, obwohl Grossbritannien am meisten verliert, sondern auch für den Rest Europas. Beim Brexit gibt es keine Gewinner, nur Verlierer.
Wie werden die Verbraucher den Brexit zu spüren bekommen?
Es wird sicher Produkte geben, bei denen man das spüren wird. Aber das wird eher beschränkt sein, weil Grossbritannien wenig Industriegüter exportiert. Ausserdem ist das durch den Wechselkurs beeinflusst und das Pfund ist jetzt schon sehr niedrig und wird womöglich noch fallen, um die Wettbewerbsnachteile gegenüber der EU auszugleichen. Wo man es eher spüren könnte, ist im Dienstleistungsbereich. Das ist nicht so offensichtlich, aber wird sich längerfristig auswirken. Es sind zum Beispiel viele Anwaltskanzleien aus London nach Dublin abgewandert. Wie gross dieser Verlust ist, lässt sich jetzt aber noch nicht absehen.
Und gesamtwirtschaftlich gesehen?
Es ist in jedem Fall ein Verlustgeschäft für Grossbritannien, wie auch für die EU. Für Grossbritannien wird es aber deutlich höher ausfallen. Innerhalb der EU gibt es noch Möglichkeiten, die Verluste auszugleichen. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel nicht mehr in Grossbritannien produziert, kann es in einem EU-Land produzieren. Das ist für Grossbritannien natürlich nicht möglich, weil es sich durch den Brexit selbst isoliert.
Sehen Sie eine Chance, dass Grossbritannien eines Tages doch wieder Teil der EU wird?
Man sollte nie nie sagen, aber das ist nichts, was in den nächsten Jahren wahrscheinlich ist. Dafür wird auch der Abstand zwischen Grossbritannien und dem Rest Europas in den nächsten Jahren zu gross werden. Je länger Grossbritannien ausserhalb der EU ist, desto schwieriger wird es, wieder in die EU einzutreten. Ausserdem ist es so, dass Grossbritannien einen Antrag stellen müsste und das zu den Standardkonditionen. Die letzten Jahrzehnte profitierte Grossbritannien von Sonderkonditionen, die sonst kein Mitgliedsstaat hatte. Ein Wiedereintritt zu schlechteren Konditionen als zuvor wird sich politisch sehr schlecht verkaufen lassen. Die Möglichkeit ist sehr, sehr klein.
Was halten Sie für wahrscheinlicher?
Dass ein Teil Grossbritanniens wieder reinkommt. Es kann gut sein, dass eine Folge des Brexits das Auseinanderbrechen Grossbritanniens ist. Es ist gut möglich, dass beispielsweise ein unabhängiges Schottland wieder Mitglied der EU sein wird.
Eine Zusammenarbeit, welche sich darauf fokussiert wirtschaftlich mit den Schwergewichten im Westen und Osten mitzuhalten. Und dafür die kulturellen Eigenheiten der einzelnen Ländern gerechter wird. Mit weniger Regulierungen, Bürokratie und Eingriffen in die Innenpolitik.
Es wäre schade, wenn die einzelnen Länder ihre Eigenheiten verlieren würden.
Für uns schweizer ist es doppelt schlecht. Die eu ist unser wichtigster kunde. Wir brauchen eine stabile eu sonst gnade gott unserere wirtschaft. Fast 60 % unsere einkünfte kommen von der eu. Wer in der schweiz arbeitet und der eu schlechtes gedeien wünscht, der ist schlicht und einfach dumm.
Wer aber glaubt, dass Russland und die USA ein Interesse an einer starken EU oder einem starken England haben, ist meiner Meinung nach ein politischer Analphabet, der den populistischen Rattenfängern jeden Mist abkauft.
Heute ist ein rabenschwarzer Tag für Europa, denn in Moskau und Washington knallen die Korken.