Laut neusten Meldungen soll ein 18-jähriger Demonstrant von einer Kugel, die ein Polizeibeamter abfeuerte, in der Brust getroffen worden sein. Er sei aktuell im Krankenhaus und bei Bewusstsein, so die chinesische Zeitung «South China Morning Post».
Eine Polizeisprecherin teilte mit, dass der Beamte aus Notwehr geschossen habe, er und seine Kollegen seien durch die Demonstranten in ernsthafter Gefahr gewesen. Die Sprecherin fügte hinzu: «Wir als Polizei wollen nicht, dass irgendwer verletzt wird. Dies ist schmerzhaft für uns».
Young boy shot in the chest point blank by a live bullet #HongKongProtests pic.twitter.com/rzfPH9bs8C
— 𝑩𝒍𝒂𝒄𝒌 𝑭𝒐𝒓𝒆𝒔𝒕 𝑯𝑲 (舊a/c 被ban,請follow新帳) (@BlackForestHK1) October 1, 2019
Wie die Zeitung unter Berufung auf eine nicht näher genannte Quelle berichtet, feuerte die Polizei mindestens fünf Pistolenschüsse ab. Zuvor wurden demnach zwei Warnschüsse abgegeben. Auch hier heisst es, die Polizisten seien von einer Gruppe Demonstranten angegriffen worden.
Die Nachrichtenagentur Reuters und der US-Sender CNN zitieren einen Hongkonger Krankenhausvertreter, wonach 51 Menschen an unterschiedlichen Orten verletzt wurden. Demnach befinden sich zwei Personen in kritischem Zustand. Über die Art der Verletzungen konnte der Offizielle keine Angaben machen.
Hong Kong police fire water cannon, tear gas as protests spread. More here: https://t.co/LiuRc7c1LA pic.twitter.com/6fGiD9hqPm
— Reuters Top News (@Reuters) October 1, 2019
Trotz eines Demonstrationsverbotes protestierten in Hongkong wieder Zehntausende gegen ihre Regierung und den Einfluss der kommunistischen Führung in Peking. Einige bewarfen Porträts von Chinas Präsident Xi Jinping mit Eiern und rissen grosse Plakate mit Slogans zum 70. Jahrestag nieder. Die Beamten setzten Tränengas und Wasserwerfer ein.
Ausserdem begannen Demonstranten, nachdem sie vom Schuss auf einen Mit-Demonstrierenden gehört hatten damit, Einrichtungen der Hongkonger Verkehrsbetriebe zu demolieren.
Protesters destroyed facilities of Tsuen Wan MTR station after news spreads that a protester was shot in chest by police, cable tv reports #hongkongprotests#HongKong Protester Shot in Chest by Live Round, SCMP Reports https://t.co/Sf3lXHV5BT @bpolitics pic.twitter.com/mecLi7oDQj
— Fion Li (@fion_li) October 1, 2019
Beobachter erwarteten, dass sich die Ausschreitungen bis zum Abend noch verschärfen. Nach Informationen der «South China Morning Post» hielten sich mindestens 6'000 Polizisten bereit.
Zahlreiche Strassen und U-Bahn-Stationen in der Innenstadt sind gesperrt. Mehrere grosse Einkaufszentren und Hunderte Geschäfte in der Stadt blieben geschlossen; einige Hotels empfahlen ihren Gästen, sich in geschlossenen Räumen aufzuhalten.
Die Aktivisten der Demokratiebewegung in Hongkong gehen seit fünf Monaten gegen die Einschränkung demokratischer Rechte durch China auf die Strasse.
Die Proteste in der chinesischen Sonderverwaltungszone hatten sich anfänglich gegen ein geplantes Gesetz gerichtet, das Überstellungen von Verdächtigen an Festland-China vorsah.
Unter dem Druck der Demonstranten zog die Regierungschefin Carrie Lam das Gesetz zurück. Mittlerweile richten sich die Proteste aber generell gegen die pekingtreue Führung in Hongkong und die Beschneidung der Demokratie.
Ja, das hat es – und wie! Zu den Feierlichkeiten heute forderte Chinas Staatschef Xi Jinping «langfristige Stabilität» in Chinas Sonderverwaltungsregion. Er bekräftigte den Grundsatz «ein Land, zwei Systeme», nach dem die frühere britische Kronkolonie autonom regiert wird. Auch betonte er mit Blick auf Taiwan den Grundsatz der «friedlichen Wiedervereinigung». Peking betrachtet die demokratische Insel als Teil der Volksrepublik. «Der Kampf für eine vollständige Wiedervereinigung des Vaterlandes muss fortgesetzt werden.»
Während in Hongkong Demonstranten angeschossen werden, gab es in Peking die grösste Waffenschau der Geschichte. An der riesigen Militärparade am (heutigen) Dienstag am Platz des Himmlischen Friedens in Peking nahmen 15'000 Soldaten teil.
Mehr als 160 Flugzeuge sowie 580 Panzer und Waffensysteme wurden vorgeführt. Als Demonstration der Stärke wurden erstmals eine neue, mächtige Interkontinentalrakete, ein Hyperschall-Gleitflugkörper und hochmoderne Drohnen gezeigt. Die neue Rakete vom Typ «Dong Feng 41» (Ostwind) kann mit bis zu zehn nuklearen Sprengköpfen bestückt in einer halben Stunde die USA erreichen.
«Es gibt keine Macht, die die Grundlagen dieser grossen Nation erschüttern kann», sagte Staats- und Parteichef Xi Jinping in einer Rede. Es wurde auch als Hinweis auf den Rivalen USA und den Handelskrieg der beiden grössten Volkswirtschaften verstanden. «Keine Macht kann den Fortschritt des chinesischen Volkes und der Nation aufhalten.»
Die Volksbefreiungsarmee werde entschieden «Chinas Souveränität, Sicherheit und Entwicklungsinteressen schützen», sagte Xi Jinping. Er beteuerte aber, dass China auf dem «Pfad der friedlichen Entwicklung» bleiben werde.
Nun, ganz so rosig sieht es derzeit nicht aus. Die Feiern werden gleich von mehreren Krisen überschattet. Dazu zählt neben den Protesten in Hongkong und dem Handelskrieg mit den USA auch das langsamere Wirtschaftswachstum in China. In China grassiert zudem die afrikanische Schweinegrippe und könnte bis Jahresende die Hälfte des Bestandes dahinraffen. Auch steht China wegen der Inhaftierung von Uiguren in Umerziehungslagern in der Kritik.
Unter Xi Jinping hätten sie «einen neuen, traurigen Höhepunkt erreicht». Er setze auf «gnadenlose Verfolgung» von Uiguren und Tibetern, von Kasachen, Kirgisen und Mongolen, von Bürgerrechtsanwälten und Müttern der 1989 beim Tiananmen-Massaker getöteten Demonstranten. «Die Kommunistische Partei setzt alles daran, kritische Stimmen auszuschalten.» (dac/sda/dpa)