Es gab mal eine Zeit, in der Julian Assange im Alleingang die Titelseiten der internationalen Medien bestimmte. In den frühen 2010er-Jahren enthüllte der Australier mit seiner Organisation Wikileaks eine ganze Reihe an Geheimnissen, darunter Kriegsverbrechen des US-Militärs und hunderttausende Depeschen von US-Botschaften. Dafür sitzt Assange seit fast zwei Jahren in einem Londoner Hochsicherheitsgefängnis, weil die Trump-Regierung seine Auslieferung verlangt. Heute entscheidet ein britisches Gericht, ob Assange an die USA überstellt wird.
Assange ist in 18 Punkten angeklagt. 17 davon beziehen sich auf das «Erhalten» und «Publizieren» von als geheim eingestuften Informationen. Es geht um die Enthüllung von Botschaftsdepeschen, Militärberichten aus dem Irak- und Afghanistankrieg oder von Häftlingsberichten aus dem Militärgefängnis Guantanomo Bay. Die Ankläger werfen Assange vor, seine teils ungeschwärzten Veröffentlichungen hätten die lokalen Informanten der USA einem grossen Risiko ausgesetzt, nannten aber weder konkrete Fälle noch Beweise.
Nein. Das amerikanische Justizministerium gibt sich zwar grosse Mühe, das Verfahren als Computer-Hacking-Fall darzustellen. Die Quelle für sämtliche Veröffentlichungen war aber ein Soldat der US-Streitkräfte, der legal auf die Daten zugreifen konnte.
Die Ankläger werfen Assange vor, er habe die Quelle dabei unterstützen wollen, ein Passwort zu knacken. Dieses diente aber nicht zum Zugang zu Informationen. Es sollte die Identität der Quelle zu verschleiern. Sie hätte so unter falschen Namen die Dokumente herunterladen können.
Die Hacking-Vorwürfe umfassen nur einen Anklagepunkt, der mit maximal fünf Jahren Haft bestraft wird. Das Hauptziel der Anklage ist eine Verurteilung wegen des Erhaltens und Veröffentlichens des geheimen Materials. Dafür drohen Assange 170 Jahre Haft.
Die Anklage hat das Potenzial, freien Journalismus zu kriminalisieren. Denn das, wofür Assange verfolgt wird, ist in weiten Teilen nicht von den alltäglichen Aktivitäten eines Investigativ-Journalisten zu unterscheiden, der Informationen von öffentlichem Interesse erhält und diese publiziert, auch wenn diese als «geheim» eingestuft sind.
Beispielsweise erhielt die «New York Times» dieselben Informationen wie Assange und veröffentlichte diese ungestraft. Exakt jene Handlung, für die Assange für immer hinter Gitter kommen könnte. Unter Barack Obama prüfte die US-Regierung intensiv, wie man Assange belangen könnte, verzichtete aber darauf.
Einerseits aus Furcht, ein Richter könnte die Anklage als verfassungswidrig zurückweisen, andererseits, weil man keinen rechtlichen Unterschied zwischen Assanges Handlungen und der Arbeit von klassischen Medien feststellen konnte.
Die USA und Grossbritannien haben ein Auslieferungsabkommen, weswegen Angeklagte generell überstellt werden. Das Abkommen verbietet aber die Auslieferung für «politisch strafbare Handlungen». Das treffe auf die Anklage gegen ihren Mandanten zu, argumentierten Assanges Anwälte. Die Richterin hat ihre Entscheidung für heute um 11 Uhr (Schweizer Zeit) angekündigt. Allgemein wird erwartet, dass sie der Auslieferung zustimmt. Die unterlegene Seite wird das Urteil wohl an ein höheres Gericht weiterziehen.
Assange wird vor einem eigentlichem «Geheimdienst-Gericht» angeklagt, nämlich im Östlichen Gerichtsbezirk des Bundesstaats Virginia. Das Gericht ist berüchtigt. Dort hat die USA russische Spione aus der Zeit des Kalten Kriegs verfolgt, den Whistleblower Edward Snowden und Mitverschwörer der Terroranschläge des 11. Septembers 2001.
In den letzten zwanzig Jahren haben die Ankläger in Geheimdienst- und Landesverteidigungs-Prozessen eine fast perfekte Serie an Verurteilungen hingelegt. Dabei spielt wohl der Standort des Gerichts eine Rolle. Im Einzugsgebiet des Gerichts liegt der Hauptsitz des Auslandsgeheimdienst CIA, das Pentagon und weitere Stellen aus dem US-Regierungsapparat.
Das bedeutet, dass ein gravierender Teil der Geschworenen mindestens familiäre Bindungen zur Nationalen-Sicherheits-Bürokratie hat. Mit Milde kann Assange nicht rechnen. Seine Ärzte halten seinen Suizid für wahrscheinlich, sollte er an die USA ausgeliefert werden.
Trump scheint von zwei verschiedenen Lagern beeinflusst zu werden. Der Präsident war angetreten, um den von ihm so genannten «Deep State», also den Staat im Staat, innerhalb der US-Regierung und der Geheimdienste zu zerschlagen. Assange ist diesen von Trump verhassten Karriere-Beamten in den letzten Jahrzehnten so energisch entgegengetreten wie kaum ein anderer.
Dennoch hat sich das Justizministerium unter Trump entschieden, Assange anzuklagen. Seither hat sich der libertäre Flügel von Trumps Republikanischer Partei lautstark für eine Begnadigung eingesetzt. In Trumps Kabinett sitzen aber auch «Falken» wie der Ex-CIA-Direktor und jetzige Aussenminister Mike Pompeo. Dieser nannte Wikileaks vor drei Jahren einen «feindlichen Geheimdienst». Das Rennen, welche Seite sich Trumps Gehör verschaffen kann, scheint offen bis zum letzten Tag seiner Amtszeit am 20. Januar.
Die Fakten sind klar und gemäss diesen würde eine Zeitung nicht verklagt werden, dasselbe sollte für Wikileaks und Assange gelten. Dass die USA keine Grundlage hat zeigen die versuchten Auslieferungen mittels Vergewaltigungsanschuldigungen.