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Brexit: Britisches Unterhaus stimmt für Neuwahlen am 12. Dezember

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Boris Johnson: Mit den Neuwahlen geht er ein Risiko ein.Bild: EPA

Britisches Unterhaus stimmt für Neuwahlen am 12. Dezember

29.10.2019, 21:3230.10.2019, 06:42
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Das britische Parlament hat für die von Premierminister Boris Johnson geforderten vorgezogenen Neuwahlen am 12. Dezember gestimmt. 438 Abgeordnete unterstützten ein Neuwahlgesetz des Regierungschefs am Dienstagabend, 20 stimmten dagegen.

Premierminister Boris Johnson will ein neues Parlament wählen lassen, um sein mit Brüssel ausgehandeltes Brexit-Abkommen umzusetzen und Grossbritannien schnellstmöglich aus der Europäischen Union zu führen. Seine konservative Regierungspartei hat derzeit aber keine Mehrheit im Unterhaus.

Auf die Frage von Journalisten, ob er daran glaube, durch die Neuwahl eine Mehrheit zu gewinnen, sagte Johnson: «Das wird eine schwierige Wahl, und wir werden geben, was wir können.»

Auch der Chef der grössten Oppositionspartei, Jeremy Corbyn, gab sich kämpferisch. Johnsons Regierung kümmere sich nur um die wenigen Privilegierten, Labour könne aber ein Land für viele gestalten, sagte der Labour-Chef. Corbyn kündigte eine «ehrgeizige und radikale Kampagne» für einen echten Wandel an.

Noch am Montag war ein Antrag Johnsons auf eine Neuwahl am Widerstand der Labour-Opposition gescheitert. Eigentlich ist laut britischem Wahlgesetz eine Zweidrittelmehrheit notwendig, um eine vorgezogene Neuwahl auszulösen. Ohne Labour-Unterstützung war das nicht zu erreichen. Regulär hätte in Grossbritannien erst wieder 2022 gewählt werden sollen.

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Jeremy Corbyn: Der Labour-Chef blickt schwierigen Wahlen entgegen.Bild: EPA

Neues Gesetz aus dem Hut gezogen

Doch mit dem am Dienstag im Eilverfahren durch das Unterhaus gepeitschten Neuwahlgesetz konnte dieses Erfordernis umgegangen werden. Den Ausschlag für den Erfolg hatten die kleineren Oppositionsparteien, die Schottische Nationalpartei SNP und die Liberaldemokraten, gegeben.

Sie signalisierten bereits am Wochenende ihre Unterstützung für eine Neuwahl. Einziger Streitpunkt war der genaue Wahltermin. Während Johnson erst am 12. Dezember wählen lassen wollte, sprachen sich die SNP und Liberale für den 9. Dezember aus. Die Regierung setzte sich schliesslich durch.

Mit der Unterstützung der kleineren Parteien für das Neuwahlgesetz hatte Labour sein Veto verloren, weil schon eine einfache Mehrheit zur Verabschiedung ausreichte. Die Sozialdemokraten stehen derzeit in den Umfragen relativ schlecht da. Die Traditionspartei versprach sich von einer Neuwahl im kommenden Jahr bessere Chancen.

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Jo Swinson von den Liberaldemokraten ermöglichte ein Neuwahlgesetz.Bild: EPA

No-Deal-Gefahr gebannt

Trotzdem gab Labour seinen Widerstand gegen eine Neuwahl am Morgen auf. Ein ungeregelter Brexit sei nun ausgeschlossen, daher werde Labour einer Parlamentswahl zustimmen, sagte Parteichef Jeremy Corbyn während der Debatte. «Es ist Zeit für einen echten Wandel. Ich habe immer gesagt, dass wir eine Wahl unterstützen werden, wenn ein No Deal vom Tisch ist», sagte der 70-Jährige.

Für die Konservativen sehen die Umfragewerte derzeit recht gut aus. Doch der Urnengang ist nicht ohne Risiko: Bereits Johnsons Vorgängerin Theresa May hatte sich 2017 mit einer vorgezogenen Neuwahl verzockt und ihre knappe Mehrheit verspielt.

Johnson hat sein wichtigstes Wahlversprechen bereits gebrochen: «Komme, was wolle», werde er das Land am 31. Oktober aus der EU führen, hatte er angekündigt. Lieber wolle er «tot im Graben» liegen, anstatt eine Verlängerung der Austrittsfrist zu beantragen.

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Hat sein wichtigstes Versprechen gebrochen: Boris Johnson.Bild: EPA

Dritte Verschiebung

Doch er konnte seinen mit der EU nachverhandelten Brexit-Deal nicht rechtzeitig durch das Parlament bringen. So blieb ihm am Ende nichts anderes übrig, als doch zähneknirschend einen Verlängerungsantrag nach Brüssel zu schicken. Die Brexit-Frist wurde um bis zu drei Monate verlängert. Es war bereits die dritte Verschiebung.

Am Dienstag segneten die EU-Staats- und Regierungschefs den Brexit-Aufschub offiziell ab, wie EU-Ratspräsident Donald Tusk via Twitter mitteilte. «An meine britischen Freunde [...] bitte nutzt diese Zeit bestmöglich», schrieb Tusk weiter. Der EU-Austritt soll nun spätestens am 31. Januar erfolgen. Er ist aber auch eher möglich, wenn eine Ratifizierung des Austrittsabkommens vorher gelingt.

Entscheidend für einen Wahlerfolg Johnsons könnte werden, ob es ihm gelingt, die Schuld für die weitere Verzögerung der Opposition in die Schuhe zu schieben. Konkurrenz muss er vor allem von der Brexit-Partei von Nigel Farage fürchten, die einen EU-Austritt ohne Abkommen als idealen Weg anpreist. Zudem muss er hoffen, der Labour-Partei Stimmen abzujagen.

Die Briten hatten vor über drei Jahren – im Sommer 2016 – in einem Referendum mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der EU gestimmt (cma/sda/afp)

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