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China: Wie gefährlich ist das Coronavirus? Das sagt ein Mediziner

Wie gefährlich ist das Coronavirus aus China wirklich? Das sagt ein Mediziner

23.01.2020, 06:3806.02.2020, 12:39
Tim Kröplin / watson.de
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Über 571 Infizierte, bisher 17 Todesfälle und eine Krisenkonferenz der Weltgesundheitsorganisation: Das neuartige Coronavirus aus China breitet sich aus – und schürt Ängste.

Health Officials in hazmat suits check body temperatures of passengers arriving from the city of Wuhan Wednesday, Jan. 22, 2020, at the airport in Beijing, China. Nearly two decades after the disastro ...
Das neuentdeckte Coronavirus ist nicht zwangsläufig lebensbedrohlich.Bild: AP

Bisher ist bekannt, dass sich der Erreger von Mensch zu Mensch überträgt. Unklar aber ist, wie schnell das passieren kann. Dennoch geht die Furcht um, dass der neue Virus ähnliche Wirkung zeigt wie das SARS-Virus, das 2003 rund 800 Menschen das Leben gekostet hat. Wie gefährlich ist der neue Erreger wirklich? Und besteht die Gefahr einer weltweiten Pandemie?

Über diese Fragen sprachen wir mit dem Virologen Armin Ensser. Er forscht am Universitätsklinikum im deutschen Erlangen und beschäftigt sich unter anderem mit Coronaviren und ihren Auswirkungen. Seiner Meinung nach ist der Erreger aus China weniger gefährlich, als viele Menschen befürchten.

Herr Ensser, was genau sind Coronaviren?
Armin Ensser: Coronaviren sind an sich übliche Erreger, die Erkältungssymptome und Atemwegsinfektionen auslösen können. Zusammen mit dem neuen Virus kennen wir sieben Spezies, die für Menschen relevant sind. Vier von ihnen sind für zehn Prozent der erkannten Infektionen, die nicht mit einer Grippe zusammenhängen, verantwortlich. In bestimmten Fällen begünstigen die Viren schlimmere Erkrankungen.

«Geschätzt ist das Virus seit möglicherweise fast zwei Monaten im Umlauf.»

Wie sähen diese Fälle aus?
Sie können, wenn das Herz oder die Atemwege vorbelastet sind, bei schweren Vorerkrankungen zu deren Versagen führen. Hier muss ich aber sagen, dass das bei einer Grippe deutlich häufiger passiert – zumindest in den Risikogruppen wie etwa bei älteren Menschen.

Gilt das denn für alle Coronaviren?
Manche der Coronaviren sind gefährlicher als andere. Nehmen wir etwa das Sars-Virus. Das führte 2003 zu knapp 8000 Infektionen und rund 800 Toten.

Zahl der Erkrankungen in China steigt auf 571
Die Zahl der nachgewiesenen Fälle der neuen Lungenkrankheit in China ist auf 571 gestiegen. Das teilte Chinas Gesundheitsbehörde am Donnerstag mit. Von neuen Todesfällen war hingegen nicht die Rede.

Damit sind seit Ausbruch der Krankheit weiterhin 17 Todesfälle bestätigt. Laut der offiziellen Angaben gibt es unter den nachgewiesenen Erkrankungen 95 schwere Fälle. Sie alle liegen in der Provinz Hubei mit der besonders stark betroffenen Metropole Wuhan.

Zuvor hatte das Staatsfernsehen berichtet, dass der Verkehr aus Wuhan gekappt werde. China stoppte ab Donnerstag alle Flüge und Züge aus der Millionenstadt, in der das Visum zuerst aufgetreten war. (sda)

Jetzt wurde das SARS-Virus auch mit dem neuen Coronavirus in Verbindung gebracht. Sind die beiden denn ähnlich gefährlich?
Wenn man sich die Erbsubstanz vom neuen Coronavirus genauer anschaut, sieht man, dass dieser mit dem Sars-Virus verwandt ist. Das heisst aber nicht, dass dieser Erreger genauso gefährlich ist. Momentan schaut es nicht danach aus. Wobei nicht klar ist, wie hoch die Dunkelziffer ausfällt. Anderseits werden neue Erkrankungen in der Regel zu Beginn nicht selten überschätzt.

Warum das?
Als Vorsichtsmassnahme. Tritt ein neuer Virus auf, ist es anfänglich unklar, wie gefährlich dieser sein könnte. Wenn wir jetzt sagen, dass bei den rund 470 bekannten Fällen 17 Menschen starben, klingt das erstmal nach viel. Wir wissen aber nicht, wie viele Menschen derzeit ohne oder mit schwächeren Symptomen infiziert sind. Geschätzt ist das Virus seit möglicherweise fast zwei Monaten im Umlauf. Da kann es sein, dass einige Infizierte nicht erfasst wurden.

Was hat es mit den Todesfällen auf sich?
Dafür müsste ich die klinischen Daten der Verstorbenen kennen. Teilweise bekannt und gut möglich ist, dass es Menschen waren, die schon vorher Begleiterkrankungen hatten. Dazu zählen etwa Herz- oder Lungenerkrankungen. In solchen Fällen kann es dazu kommen, dass etwa diese nicht mehr funktionieren, was letztendlich zum Tod führt. Das ist aber nur eine Vermutung.

Die chinesische Regierung bestätigte kürzlich, dass das Virus von Mensch zu Mensch übertragen wird. Wie genau kann ich mich anstecken?
Da gäbe es vor allem zwei Möglichkeiten: Zum einen wäre da die Tröpfcheninfektion. Dabei werden die Erreger über feine Schleim- oder Speicheltröpfchen beim Sprechen oder Husten übertragen. Dann wäre da noch die Schmierinfektion, wenn sich jemand etwa an die laufende Nase greift und darauf Oberflächen wie Türklinken berührt. Die Viren bleiben auf diesen kleben und landen dann auf der Hand des Nächsten, der sie anfasst und sich danach ins Gesicht greift. Deshalb ist gerade Händewaschen wichtig.

Jetzt sprechen auch einige von einer möglichen Pandemie. Was bedeutet das?
Pandemie bedeutet, dass sich ein neuer Erreger in kurzer Zeit weltweit ausbreitet. Zunächst ist das Immunsystem und auch die Herdenimmunität der Bevölkerung nicht auf ein neues oder stark verändertes Virus eingestellt. Abwehren kann es diesen also erstmal nicht, was eine Verbreitung begünstigt. Theoretisch könnte man bei jedem neuem Schnupfenvirus von einer Pandemie sprechen. Das klingt allerdings wesentlich dramatischer, als es eigentlich ist.

«Generell kann man gegen diese Viren erstmal nicht viel machen, ausser Symptome zu bekämpfen.»

Dennoch hat sich das Coronavirus auch ausserhalb Chinas verbreitet. Beispielsweise ist in Amerika ein Fall bekannt.
Das ist richtig, muss aber nichts bedeuten. Das Virus befindet sich erstmal ein paar Tage in einem menschlichen Körper, bevor die ersten Symptome auftreten. Reise ich etwa nach China und fliege direkt zurück nach Deutschland, werde ich zunächst nicht wissen, ob ich mich angesteckt habe. Bräche das Virus am morgen darauf aus, gäbe es auch in Europa einen Fall.

Aber sollte man nicht eine weitere Verbreitung, etwa mit einem Einreisestop, verhindern?
Da ist die Frage, welche politische und gesamtgesellschaftliche Bedeutung ein Erreger hat. Sorgt er für eine schwere Infektion, die das öffentliche Leben einschränkt oder gar bedroht, müssen Schutzmassnahmen wie etwa Quarantäne und Reisebeschränkungen durchgesetzt werden. Wenn ich mir bisher das Coronavirus in China anschaue, glaube ich nicht, dass das notwendig ist.

Ist das Virus denn behandelbar?
Das Immunsystem überwindet den Erreger, die Infektion heilt aus. Vorher gesunde Menschen müssen einen Infekt lediglich aussitzen und sollten durch ihr Verhalten darauf achten, andere nicht anzustecken. Generell kann man gegen diese Viren erstmal nicht viel machen, ausser Symptome zu bekämpfen.

Ein Impfstoff wäre doch eine Option?
Es ist leider nicht möglich, gegen jedes «neue» Virus einen Impfstoff zu entwickeln. Das ist sehr aufwändig, teuer und auch nicht immer möglich. Natürlich machen Impfstoffe bei schweren Krankheiten wie Masern oder der Virusgrippe Sinn und sie zählen zu den effizientesten Errungenschaften der Medizin. Bei einem Virus, das nur gelegentlich Halsschmerzen verursacht, wäre das weniger sinnig.

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15 Kommentare
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why_so_serious
23.01.2020 08:55registriert April 2015
"Teilweise bekannt und gut möglich ist, dass es Menschen waren, die schon vorher Begleiterkrankungen hatten" --> Vielen Dank für diesen Satz. Leute bekommen Angst, wenn sie höhren, dass durch den Virus einige Leute bereits gestorben sind. Wir wissen aber nichts über die Verstorbenen. Könnten ja schon sehr alte oder bereits schwer kranke Personen gewesen sein. Bei der Schweinegrippe wars ja ähnlich...
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Grave
23.01.2020 12:53registriert April 2015
Also kurz zusammengefasst: viel geschrei um nichts.
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