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Nord Stream 2: Streit zwischen USA und Deutschland eskaliert

Tugboats get into position on the Russian pipe-laying vessel "Fortuna" in the port of Wismar, Germany, Thursday, Jan 14, 2021. The special vessel is being used for construction work on the G ...
Schlepper ziehen das russische Rohrverlegeschiff «Fortuna» aus dem Hafen auf die Ostsee: Der Streit zwischen Deutschland und den USA um die Pipeline Nord Stream 2 spitzt sich weiter zu.Bild: keystone

Sanktionen wegen Nord Stream 2? Streit zwischen USA und Deutschland eskaliert

Der Streit zwischen der Bundesregierung und den USA um die umstrittene Pipeline Nord Stream 2 ist festgefahren und droht nun völlig zu eskalieren. US-Sanktionen gegen Deutschland sind wahrscheinlich. 
26.03.2021, 20:55
Patrick Diekmann / t-online
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t-online

Der Streit zwischen der Bundesregierung und der US-Administration unter Präsident Joe Biden um die fast fertiggestellte Pipeline Nord Stream 2 droht völlig zu eskalieren. Deutschland lehnt die Forderung der USA nach einem Baustopp ab, laut Informationen des «Spiegel» weigert sich die Bundesregierung darüber hinaus, mit den Amerikanern über das umstrittene Projekt zu verhandeln.

Die US-Regierung zeigt sich bei dem Thema wenig kompromissbereit, laut «Spiegel» gebe es kaum noch einen Spielraum für die USA, auf Sanktionen zu verzichten. «Die Deutschen müssen begreifen, wie ernst für uns das Thema ist», sagte ein Berater Bidens dem Nachrichtenmagazin. Der US-Präsident sei zwar bereit, mit Kanzlerin Angela Merkel das heikle Thema zu besprechen. Dies ergebe aber keinen Sinn, «wenn er am Ende nur hört: nein, nein, nein». 

Bundesregierung enttäuscht von Biden

Die Bundesregierung stellt in dieser nationalen Frage kein Entgegenkommen in Aussicht, vom harten Kurs der Biden-Regierung zeigt man sich in Berlin enttäuscht. «Wir haben uns vom Neustart der transatlantischen Beziehungen mehr erwartet», sagte Peter Beyer, der Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen, dem «Spiegel».

Seit Bidens Wahlsieg im November überlegte die Bundesregierung, wie sie sich beim Thema Nord Stream 2 aufstellen soll. Denn der Widerstand gegen den unpopulären Vorgänger Donald Trump fiel wesentlich leichter. Und die Erleichterung über die neue US-Regierung und deren multilateralen Ansatz ist so gross, dass man die Zusammenarbeit möglichst nicht belasten möchte.

«Wir werden für eine Übergangszeit Gas brauchen»

Aber die Berliner Koalition und die meisten Landesregierungen blieben bei der Unterstützung für das milliardenschwere und zu mehr als 95 Prozent vollendeten Projekt, das mehr russisches Gas nach Westeuropa bringen soll und an dem mehrere europäische Firmen beteiligt sind. Das betonten Kanzlerin Angela Merkel, Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Aussenminister Heiko Maas auch nach dem Amtsantritt Bidens immer wieder. Zentrales Argument ist, dass die Versorgungssicherheit für den Industriestandort Deutschland beim gleichzeitigen Ausstieg aus Kohle und Atom gesichert werden müsse.

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Angela Merkel steht hinter dem Projekt «Nord Stream 2».Bild: keystone

«Wir werden für eine Übergangszeit Gas brauchen, das in Deutschland nicht gefördert wird. Wir müssen die geopolitischen Interessen der Ukraine garantieren und unsere Energieversorgung durch dieses privatwirtschaftliche Projekt sichern», sagte etwa Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident, CDU-Chef Armin Laschet, zu Reuters.

Seine Kollegen im Osten, in Niedersachsen und auch in Bayern denken genauso. Sowohl Laschet als auch Maas weisen zudem darauf hin, dass die USA selbst Rohöl in Russland einkaufen – die Kritik Washingtons also ohnehin nicht konsistent sei. Zudem lehnt man die exterritorialen Sanktionen der USA gegen ein Projekt in Europa aus prinzipiellen Gründen ab.

Die Suche nach einer «gesichtswahrenden» Lösung

Schon vor Wochen war in Berlin diskutiert worden, was denn Wege für eine «gesichtswahrende» Lösung sein könnten: Erstens könne man sich um weitere Zusicherungen an die Ukraine bemühen, dass sie ihren Status als Transitland für russisches Gas nach Westen auch mit Nord Stream 2 nicht verliert. Allerdings wird darauf verwiesen, dass die EU und Deutschland bereits einen neuen Gasvertrag des Landes mit Gazprom mit ausgehandelt haben.

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Umweltaktivisten von «Fridays For Future» und «Ende Gelände» demonstrierten im Januar vor dem SPD-Hauptsitz in Berlin.Bild: keystone

Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hatte zudem einen möglichen Stopp der Lieferungen aus Russland im Krisenfall vorgeschlagen. Denkbar wäre auch, dass sich Deutschland mit mehr Engagement auf anderen Gebieten als mustergültiger transatlantischer Partner erweist. Immerhin hat die Regierung gerade bekannt gegeben, dass sie im August eine Fregatte in den Indo-Pazifik schicken will, die auch durch das Südchinesische Meer fahren soll. Berlin steht auch hinter den EU-Sanktionen gegen China wegen des Vorgehens gegen die muslimische Minderheit der Uiguren – obwohl dies Spannungen im deutsch-chinesischen Verhältnis auslöste und zu Gegensanktionen führte. Beides sind Gesten auch gegenüber Washington.

Dass die Bundesregierung dagegen den 2020 gemachten Vorschlag wiederholen könnte, verstärkt auf den Ausbau von LNG-Technik zu setzen, um zur Besänftigung Washingtons auch amerikanisches Flüssiggas einzuführen, gilt als unwahrscheinlich. In der demokratisch geführten neuen Administration gebe es anders als unter Trump selbst erhebliche Vorbehalte gegen Fracking-Gas, heisst es in Regierungskreisen.

Verwendete Quellen:

  • Vorabmeldung des Spiegel
  • Mit material der Nachrichtenagentur Reuters
  • Eigene Recherche
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58 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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skyfox14
26.03.2021 21:01registriert Februar 2019
Was haben die USA da zu melden? :-/
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Locutus70
26.03.2021 21:29registriert September 2018
Was haben die PolitikerInnen und JournalistInnen sich doch auf Joe Biden gefreut - alles wird besser, die Beziehung werden in der Blüte stehen :xD
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Filzstift
26.03.2021 21:48registriert August 2016
Also in etwa so, wie wenn Deutschland in Schweizer Angelegenheiten einmischen möchte (Rahmenabkommen, Fluglärm, AKW, ...)

Hoffentlich merken die jetzt dass das nicht gut ankommt.
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