International
Gesellschaft & Politik

Netanjahus Gegner in Israel wollen neue Regierung bilden

Netanjahu vor dem Aus: Oppositionsparteien in Israel wollen neue Regierung bilden

30.05.2021, 19:2431.05.2021, 06:19
Mehr «International»

In Israel rückt eine Ablösung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu durch ein neues Regierungsbündnis näher. Der Vorsitzende der ultrarechten Jamina-Partei, Naftali Bennett, kündigte am Sonntag in Jerusalem an, er werde alles unternehmen, um ein Bündnis mit Oppositionsführer Jair Lapid von der Zukunftspartei zu schliessen. Ziel ist nach Medienberichten eine Rotation im Amt des Regierungschefs: Zuerst soll Ex-Verteidigungsminister Bennett dieses für zwei Jahre übernehmen, dann wäre Lapid an der Reihe.

Nach einer offiziellen Verkündung des Bündnisses mit Bennett müsste Lapid zunächst Staatspräsident Reuven Rivlin informieren und hätte dann sieben Tage Zeit für die Vereidigung der Regierung im Parlament. Dafür ist eine einfache Mehrheit der 120 Abgeordneten in der Knesset notwendig. Rivlin hatte am 5. Mai Lapid mit der Regierungsbildung beauftragt. Das Mandat gilt nur noch bis Mittwoch um Mitternacht.

Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel. Foto: Maya Alleruzzo/Pool AP/dpa
Benjamin Netanjahu ist seit zwölf Jahren der Ministerpräsident von Israel.Bild: sda

Falls eine solche Regierung zustande kommt, wäre die Ära Netanjahu beendet. Der heute 71-Jährige ist seit 2009 Ministerpräsident. Zuvor stand der Politiker bereits in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre an der Spitze der Regierung.

Netanjahu warf Bennett nach dessen Mitteilung am Abend vor, er habe sein Wahlkampfversprechen gebrochen, keine Koalition mit Lapid zu bilden. Der Likud-Vorsitzende warnte vor einer «gefährlichen linken Regierung» und rief zur Bildung einer «guten rechten Regierung» auf.

REPLACES COMMON GOOD INSTEAD OF COMMON GROUND - Israeli opposition leader Yair Lapid, arrives for a news conference in Tel Aviv, Thursday, May. 6, 2021. Lapid called on his potential partners to find  ...
Der 57-jährige Lapid war nach einer Karriere als Fernsehmoderator in die Politik eingestiegen. In einer früheren Netanjahu-Regierung diente er als Finanzminister.Bild: keystone

Bennett sagte zuvor, es sei deutlich geworden, dass die Bildung einer rechten Regierung derzeit unmöglich sei. Die einzigen Optionen seien eine fünfte Wahl oder eine Einheitsregierung mit Lapid. «Die politische Krise in Israel ist weltweit beispiellos», sagte Bennett. Er warf Netanjahu eine zerstörerische Spaltungspolitik vor.

Bei der Parlamentswahl am 23. März war Lapids Zukunftspartei, angesiedelt in der politischen Mitte, zweitstärkste Kraft hinter Netanjahus Likud geworden. Die vierte Wahl binnen zwei Jahren ergab erneut keine klaren Mehrheitsverhältnisse. Weil Netanjahu mit der Bildung einer Regierung scheiterte, beauftragte Staatspräsident Rivlin Lapid.

Netanjahu hatte am Wochenende weiter gegen seine Ablösung gekämpft. Am Sonntag bot er Bennett sowie seinem Erzrivalen Gideon Saar von der rechtsorientierten Partei Tikva Chadascha (Neue Hoffnung) noch eine Koalition mit Rotation der drei im Amt des Ministerpräsidenten an. Lapids Zukunftspartei führte am Sonntag Koalitionsgespräche mit Saars Tikva Chadascha. Sie hat bereits Vereinbarungen mit der linksliberalen Meretz-Partei, der Arbeitspartei sowie der ultrarechten Partei Israel Beitenu von Ex-Aussenminister Avigdor Lieberman getroffen.

Lapid will mehrere kleine Parteien hinter sich versammeln, die im politischen Spektrum weit auseinander liegen. Es würde sich dabei vermutlich um eine Minderheitsregierung handeln, die von arabischen Abgeordneten geduldet wird. Die Parteien eint vor allem die Ablehnung Netanjahus, gegen den ein Korruptionsprozess läuft. (sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die Israel-Palästina-Eskalation im Mai 2021 in Bildern
1 / 17
Die Israel-Palästina-Eskalation im Mai 2021 in Bildern
Der Nahostkonflikt in Israel und in den Palästinensergebieten ist wieder aufgeflammt. Auslöser war dieses Mal ein Gerichtsstreit über ein Wohnquartier. Nach gewaltsamen Protesten eskalierte die Lage, die Hamas begann mit Raketenbeschuss, die israelische Luftwaffe antwortete mit Luftschlägen. Die Folge letzterer sieht man hier im Bild, aufgenommen in Gaza City am 11. Mai.
quelle: keystone / mohammed saber
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Ich schlafe kaum» – ein Palästinenser in Haifa über sein Leben in Israel
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
39 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
insert_brain_here
30.05.2021 20:54registriert Oktober 2019
Bevor jetzt alle in Jubel ausbrechen: Jamina besteht aus "HaJamin HeChadasch" (nationalkonservative) und "Ihud Miflagot HaYamin" (religiös-konservativ, Siedlerpartei), beide lehnen eine Zweistaatenlösung strikt ab. Same shit, different a******
875
Melden
Zum Kommentar
avatar
Fisherman
30.05.2021 19:43registriert Januar 2019
Das wäre schon längstens nötig. Der Verbrecher Netanjahu gehört schon lange hinter Gitter und weg von der Politik.
799
Melden
Zum Kommentar
avatar
Pafeld
31.05.2021 00:59registriert August 2014
Hier sehen wir wahrscheinlich den Grund, weshalb man von israelischer Seite her den jüngsten Konflikt bewusst hat eskalieren lassen. Netanjahu ist gerade mal ein Amtsende vom Gefängnis entfernt. In der Schlacht wechselt man bekanntlich nicht den General aus. Man kann diesem korrupten, rechtspopulistischen Kriegstreiber ja eine Menge vorwerfen. Aber eine Gewaltorgie lostreten, um dem Gefängnis zu entkommen, schlägt dem Fass endgültig den Boden aus. Die Eskalation gabs nämlich schon vor dem Raketenangriff durch die Hamas, auch wenn das bei uns medial ein wenig untergegangen ist.
333
Melden
Zum Kommentar
39
Iran verschärft Kontrollen gegen Kopftuchverstösse

Irans berüchtigte Sittenwächter gehen wieder verschärft gegen Kopftuchverstösse vor. Nach Beginn der landesweiten Polizeiaktion am vergangenen Samstag berichteten zahlreiche Frauen von verstärkten Kontrollen in den Metropolen.

Zur Story