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Neues französisches Prostitutionsgesetz macht Freier zu Tätern 

Neues französisches Prostitutionsgesetz macht Freier zu Tätern 

06.04.2016, 20:0907.04.2016, 07:50
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Freiern droht in Frankreich beim Besuch von Prostituierten künftig eine Geldstrafe von 1500 Euro. Die französische Nationalversammlung verabschiedete am Mittwoch in letzter Lesung ein neues Gesetz zur Bekämpfung der Prostitution, dessen zentrale Massnahme die Strafandrohung für Freier ist.

Nach rund zweieinhalbjähriger Debatte ist Frankreich damit das fünfte europäische Land, welches das Aufsuchen von Prostituierten unter Strafe stellt. Das neue Gesetz sieht im Wiederholungsfall Geldstrafen von bis zu 3750 Euro für Freier vor. Im Gegenzug müssen Prostituierte nicht mehr befürchten, wegen des Anwerbens von Freiern verurteilt zu werden – der Straftatbestand wird gestrichen. Das neue Gesetz sieht auch Hilfen für Prostituierte vor, die dem Gewerbe entkommen wollen.

Die regierenden Sozialisten hatten den Gesetzestext schon Ende 2013 ins Parlament eingebracht. Es entstand aber ein langes Hin und Her zwischen der Nationalversammlung und dem von der konservativen Opposition kontrollierten Senat: Während die Abgeordneten Freier unter Strafe stellen und Strafen für Prostituierte abschaffen wollten – die Senatoren wollten das Gegenteil. Letztlich hat die Nationalversammlung aber im Gesetzgebungsprozess das letzte Wort und kann den Senat überstimmen.

Ein intimer Blick in die Bordellzimmer dieser Welt

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Ein intimer Blick in die Bordellzimmer dieser Welt
Die meisten fotografischen Arbeiten über Prostitution zeigen die Frauen und Männer selbst. Nicht so Yoshiko Kusanos Fotoessay «Bordelle» erschienen bei Scheidegger & Spiess, Zürich.

Alle Fotos: Yoshiko Kusano
quelle: yoshiko kusano / yoshiko kusano
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«Prostituierte sind Opfer, nicht Täter»

Vorbild für die neue Regelung ist Schweden, das Freier seit 1999 bestraft. Ähnliche Vorgaben wurden in der Folge in Norwegen, Island und Grossbritannien eingeführt.

Das horizontale Gewerbe war nicht in Gänze mit dem neuen Gesetz einverstanden. Betroffenen protestierten am 6. Apil in Paris gegen die «Kriminalisierung» ihrer Freier.
Das horizontale Gewerbe war nicht in Gänze mit dem neuen Gesetz einverstanden. Betroffenen protestierten am 6. Apil in Paris gegen die «Kriminalisierung» ihrer Freier.
Bild: IAN LANGSDON/EPA/KEYSTONE

Mit den Strafen soll die Prostitution bekämpft werden, indem Freier abgeschreckt werden. «Es soll nicht mehr als normal angesehen werden, den Körper einer Frau zu kaufen», sagte die sozialistische Abgeordnete Maud Olivier. Prostituierte seien «Opfer» und nicht «Täter».

Die Massnahme ist aber umstritten. Kritiker auch aus den Reihen von Hilfsorganisationen argumentieren, Prostituierte würden gezwungen, noch mehr im Verborgenen zu arbeiten - was sie angreifbarer mache. Viele Prostituierte beteuern zudem, sie würden der Arbeit freiwillig nachgehen, ihnen drohen nun Umsatzeinbussen.

Gesetz gegen Zwangsprostitution in Deutschland

In Frankreich gibt es Schätzungen zufolge zwischen 30'000 und 40'000 Prostituierte, etwa 80 Prozent von ihnen kommen aus dem Ausland. Viele von ihnen sind Opfer von Zuhälter- und Menschenhändlerringen. Freudenhäuser wurden in Frankreich bereits nach dem Zweiten Weltkrieg verboten.

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Die Abstimmung in der Nationalversammlung erfolgte am selben Tag, an dem in Deutschland die Bundesregierung das Gesetz zur strafrechtlichen Verfolgung von Zwangsprostitution auf den Weg brachte.

Die vom Kabinett gebilligte Neuregelung sieht Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren für Freier vor, die die Situation von Zwangsprostituierten ausnutzen. Mit einem weiteren Gesetz wird der Menschenhandel wegen Prostitution und anderer Zwecke bestraft.

(sda/afp)

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14 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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LeChef
06.04.2016 22:15registriert Januar 2016
Finde ich unsinnig. Das macht die Freier total erpressbar und beraubt die Prostituierten gleichzeitig um einen guten Teil der Nachfrage, was den Druck erhöht die Erpessbarkeit der Freier auszunutzen. Ein todsicheres Rezept für mehr Kriminalität und Gewalt. Hilft wirklich niemandem.
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Angelo C.
06.04.2016 21:47registriert Oktober 2014
Das neue deutsche Gesetz knapp zumutbar, aber doch insofern fragwürdig, als dass es für einen Freier wohl hellseherische Fähigkeiten brauchen würde, um zweifelsfrei zu erkennen ob eine Prostituierte unter Zwang arbeitet (sie würde es ihm wohl kaum sagen), ist das neue französische Gesetz in Anlehnung an das schwedische, entweder beim ältesten Gewerbe der Welt eine reine Lachnummer, oder zumindest eine wirtschaftliche Idiotie 😉!

A propos sog. "Menschenrechtsverstoss": wenn zwei sich einig sind, sie erbringt die Leistung, er bezahlt sie dafür, ist das sogar aus feministischer Sicht grotesk 😑!
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Stichelei
06.04.2016 21:32registriert Oktober 2015
Dieses Gesetz ist in etwa so sinnvoll, wie wenn man Drogenhändler ihre Ware frei anbieten lässt aber die Konsumenten bestraft. Vorgeschoben wird immer Menschenhandel und Zwangsprostitution, welche es zurecht zu verhindern gilt. Da die Staatsmacht aber überfordert ist, hier den Straftatbestand eindeutig festzustellen, wird einfach die ganze Prostitution verboten. So im Sinne: Wenn wir Fussballhooligans nicht identifizieren können, verhaften wir gleich das ganze Stadion.
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