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Proteste eskalieren: Frankreich in der Gewaltspirale

A protester holds a poster reading " When a vaccine against police violence" in front a barricade during a demonstration Saturday, Dec. 5, 2020 in Paris. Thousands marched in protests around ...
«Wann kommt die Impfung gegen Polizeigewalt?» In Frankreich eskalierten am Wochenende Demos gegen das Polizeigesetz.Bild: keystone

Proteste eskalieren, Präsident Macron zunehmend machtlos: Frankreich in der Gewaltspirale

Spur der Verwüstung in Paris: Demonstrationen gegen ein Polizei-Übergriffe schlagen in der französischen Hauptstadt in Krawalle um.
07.12.2020, 01:5407.12.2020, 09:52
Stefan Brändle aus Paris / ch media
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Gut 50'000 Demonstranten protestierten am Wochenende in mehreren Städten Frankreichs gegen das Sicherheitsgesetz der Regierung, das mehr Überwachung, Dronenflüge und Lokalpolizei vorsieht. Die Lage eskalierte, als sich vermummte Aktivisten aus der friedlichen Menge lösten.

Sie zerschlugen Schaufenster und Bushäuschen, steckten Autos in Brand und lieferten sich mit Wurfgeschossen Gefechte mit der Einsatzpolizei. Diese nahm 95 Demonstranten fest. 67 Polizisten wurden verletzt - eine imposante Bilanz. Soziale Belange und Forderungen nach Erhalt der Presse- und Demonstrationsfreiheit gingen in dem Chaos weitgehend unter.

Die Regierung will an ihrem Gesetz für eine «globale Sicherheit» zwar festhalten; den zentralen Artikel 24, der das Filmen von Einsatzpolizisten einschränken sollte, zieht sie allerdings «zur Neuformulierung» zurück.

epaselect epa08865030 Firefighters extinguish a fire as several cars burn during a protest against France's controversial global security law, during a protest in a street between Porte des Lilas ...
Polizei und Feuerwehr hatten am Wochenende in Paris alle Hände voll zu tun.Bild: keystone

Macron spricht direkt zu den Jugendlichen

Am Freitag hatte Präsident Emmanuel Macron zudem ein langes Interview auf dem bei Jugendlichen beliebten Infoportal «brut.fr» gegeben, um Spannung abzubauen. Einer der Journalisten, Rémy Buisine, berichtete allerdings gleich selber, wie er beim Filmen an einer Demo von Polizisten misshandelt worden sei.

Macron räumte ein, das nun revidierte Filmverbot sei «kein guter Weg». Es gebe in der Tat «polizeiliche Gewalt» und mehr Polizeikontrollen gegen dunkelhäutige Jugendliche als gegen Weisse. Deshalb schaffe er eine Meldeplattform gegen Diskriminierung durch die Polizei.

Mit dieser Ankündigung sorgte Macron allerdings nur für zusätzlichen Unfrieden. Jugendliche orientierten ihn bitter, dass es eine solche Meldeplattform schon gebe, auch wenn sie nie Konsequenzen bewirke.

Polizisten widersprechen Macron

Aufgebrachte Polizisten erklärten ihrerseits, sie könnten nicht arbeiten, wenn ihnen die eigene Staatsführung in den Rücken falle. Der Sprecher der Gewerkschaft Alliance, Frédéric Lagache, gab zu bedenken, dass die Endlosdebatte über Polizeigewalt echten Delinquenten nur einen Vorwand liefere, sich den Kontrollen zu entziehen. Wenn sie nicht selbst gewalttätig würden, wie es der «Schwarze Block» vormache. Die hohe Zahl verletzter Einsatzpolizisten stützt diese Sicht der Dinge.

Wie alles in Frankreich wird die Frage, auf welcher Seite die eigentlichen Verantwortlichen der Gewaltanwendung sind, rein politisch beantwortet. Unbestreitbar ist dagegen, dass die Präsidentschaft Emmanuel Macrons seit gut zwei Jahren in einen Dauerkonflikt abgleitet. Gelbwesten, breite Proteste gegen Reformvorhaben und jetzt gegen Polizeigewalt erwecken den Eindruck, dass sich die Gewaltspirale in Frankreich immer schneller dreht.

Die zunehmende soziale und politische Spannung beunruhigt die Franzosen gerade in der unwägbaren Coronazeit. Auch Politologen schliessen nicht mehr aus, dass die laufende Amtszeit im Schlamassel enden könnte, falls die Rechtspopulistin Marine Le Pen immer mehr Zulauf erhalten sollte.

Besorgte Franzosen rufen deshalb laut Umfragen nach einer «Autorität», gar einem «starken Mann». Am Sonntag bot sich Generalstabschef Pierre de Villiers den Lesern eines Boulevardblattes im Hinblick auf die nächsten Wahlen an. (aargauerzeitung.ch)

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Massive Gewalt bei Gelbwesten-Protest
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Massive Gewalt bei Gelbwesten-Protest
Plünderungen, Brandstiftungen und eingeschlagene Scheiben: Der Protest der «Gelbwesten»-Bewegung in Paris ist am Samstag in Gewalt ausgeartet. Beim Brand eines Wohnhauses wurden elf Menschen verletzt. Die Polizei nahm 82 Menschen fest.
quelle: ap/ap / christophe ena
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Polizeigewalt in Bern
Video: watson
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32 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Donny Drumpf
07.12.2020 06:16registriert November 2019
Mir grauts wann immer nach einem starken Mann gerufen wird... Ist das bisher je gut gekommen?
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Knut Knallmann
07.12.2020 06:07registriert Oktober 2015
Dass Macron unerfahren in der Politik ist, mag das eine sein. Andererseits habe ich auch den Eindruck, dass Frankreich je länger je mehr unreformierbar ist. Proteste, Gewalt und Streiks sind ja in dem Land kein neues Phänomen. Vielleicht wäre ein Hinterfragen der ‚bi h Protestkultur nachhaltiger als ein Wechsel des Präsidenten.
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RichiZueri
07.12.2020 08:12registriert September 2019
Das Problem der Franzosen ist nicht ihr Dauerdemonstrieren, sondern dass sie die Querulanten nicht in den Griff kriegen. Was bringt eine Demonstration gegen die neuen Massnahmen, wenn sich wieder duzende eine Schlacht mit der Polizei liefern, was deren Intervention und somit auch die neuen Massnahmen rechtfertigt?
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