Ted Cruz mimte den besorgten Landesvater: «Bleiben Sie einfach zu Hause und drücken Sie Ihre Kinder», ermahnte der US-Senator die texanische Bevölkerung, nachdem zu Beginn der Woche ein Wintereinbruch mit Temperaturen bis minus 15 Grad den Bundesstaat erfasst hatte. Cruz selber aber hielt sich an das Motto «Wasser predigen und Wein trinken».
Am Mittwoch flog der ultrakonservative Republikaner, der Donald Trump bis (fast) zuletzt die Treue gehalten hatte, mit seiner Familie nach Cancún im sonnigen und warmen Mexiko. Der Shitstorm liess nicht auf sich warten, worauf Ted Cruz eilig die Rückreise antrat und nach anfänglichen Ausreden zugab, er habe eigentlich bis zum Wochenende bleiben wollen.
Dabei war und ist die Krise in Texas nicht ausgestanden. Zu reden gaben vor allem die flächendeckenden Stromausfälle. Mehr als vier Millionen Haushalte waren zeitweise ohne Elektrizität. Viele Menschen versuchten, sich mit behelfsmässigen Öl- oder Holzöfen aufzuwärmen und setzen sich dabei dem Risiko einer Kohlenmonoxid-Vergiftung aus.
Bei der Suche nach der Ursache für das Strom-Debakel im eigentlich energiereichen Texas wurden Amerikas Konservative bei den Windparks fündig. Tatsächlich hat die Windenergie in Texas stark zugelegt, ihr Anteil an der Stromversorgung beträgt im Jahresdurchschnitt rund 20 Prozent. Der Wintersturm mit Eisregen liess die Windräder teilweise einfrieren.
Für Fox-News-Moderator Tucker Carlson sind sie nur «ein dummes Mode-Accessoire». Der texanische Gouverneur Greg Abbott sagte auf dem gleichen Sender, der Ausfall der Windräder zeige die Unzuverlässigkeit erneuerbarer Energien und die Notwendigkeit fossiler Brennstoffe, «um unsere Häuser im Winter zu heizen und im Sommer zu kühlen».
An einer Medienkonferenz musste der Republikaner zurückkrebsen und zugeben, dass die Ursachen für den Stromausfall vielfältig sind. Er gab die Schuld dem Electricity Reliability Council of Texas (Ercot), dem grössten Energieversorger im Bundesstaat. Dieser rechnete vor, dass durch den Kälteeinbruch insgesamt 45 Gigawattstunden Strom ausgefallen sind.
Davon entfielen 15 Gigawattstunden auf Wind und andere Erneuerbare und doppelt so viel auf die angeblich zuverlässigen Energiequellen Gas, Kohle und Atomkraft, vor allem wegen eingefrorenen Gaspipelines und Bohrtürmen. Auch ein Atomreaktor musste vom Netz, weil die Wasserversorgung für das Kühlsystem nicht mehr funktionierte.
.@ERCOT_ISO is not earning that R
— Elon Musk (@elonmusk) February 17, 2021
Zusätzlich verschlimmert wurde die Stromkrise, weil der einwohnermässig zweitgrösste US-Bundesstaat ein vom Rest des Landes abgekoppeltes Stromnetz betreibt. Damit will das sich betont wirtschaftsfreundlich gebende Texas nationale Vorschriften umgehen. Es bedeutet aber, dass Schwankungen nicht durch Stromimporte ausgeglichen werden können.
Das bekam ein prominenter «Wirtschaftsflüchtling» zu spüren. Tesla-Chef Elon Musk war im Dezember von Kalifornien nach Texas gezogen. Nun schimpfe er auf Twitter über den Energieversorger: «Ercot verdient das R nicht.» Von Realiabiltiy (= Zuverlässigkeit) kann nach Meinung von Musk also keine Rede sein. Doch Ercot ist nicht das einzige Problem.
Am Donnerstag hatten die meisten Haushalte in Texas wieder Strom, doch damit rückte ein weiteres Desaster in den Fokus. In weiten Teilen des Staates ist die Wasserversorgung ausgefallen oder stark eingeschränkt. Der Grund sind geborstene Leitungen oder lahm gelegte Wasserfassungen und Kläranlagen. Das trifft nicht nur Privathaushalte.
In Städten wie Austin, Houston und San Antonio mussten Spitäler wegen der fehlenden Wasserversorgung teilweise evakuiert werden, und das in der schwersten Gesundheitskrise seit Jahrzehnten. Betroffen ist auch das ambitionierte Impfprogramm gegen das Coronavirus, das wegen des Wintereinbruchs ins Stocken geriet.
Es ist kein Geheimnis, dass die Infrastruktur in der Wirtschaftsmacht USA sich in einem teilweise erbärmlichen Zustand befindet. Alle Präsidenten der jüngeren Geschichte haben das Problem erkannt, aber geschehen ist kaum etwas. Auch Donald Trump kündigte grossspurig ein Programm zur Reparatur der Infrastruktur an, ohne wirklich zu handeln.
Im neoliberalen Texas ist das Problem besonders akut. Seit Jahren gibt es Bestrebungen, die Stromversorgung wintersicher zu machen, weil Kältewellen gar nicht so selten sind. Umgesetzt wurde kaum etwas, denn tiefe Strompreise waren wichtiger. Statt dies einzugestehen, schiebt man die Schuld lieber auf die «unzuverlässigen» Windkraftwerke.
Deswegen denken Investoren in Quartalen, Manager bis zum nächsten Bonus und Politiker in Amtszeiten. Was danach kommt ist das Problem von jemand anderem.