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Fukushima: Japan will gefiltertes Kühlwasser ableiten

Von der Atomruine ins Meer – Japan will gefiltertes Kühlwasser aus Fukushima ableiten

16.10.2020, 09:0016.10.2020, 13:35
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Trotz Protesten von Fischern will Japans Regierung gefiltertes Kühlwasser aus der Atomruine Fukushima ins Meer ableiten. Grund ist, dass allmählich kein Platz mehr zur Lagerung des Wassers auf dem Gelände des 2011 in Folge eines Erdbebens und Tsunamis zerstörten Atomkraftwerks ist.

FILE - This April 23, 2019, file photo shows the Fukushima Dai-ichi nuclear power plant in Okuma town, Fukushima prefecture, northeastern Japan, where decommissioning work is underway. A Japanese high ...
Das Atomkraftwerk in Fukushima auf einer Aufnahme von 2019.Bild: keystone

Wie japanische Medien am Freitag berichteten, könnte nach siebenjähriger Debatte darüber, was mit dem in riesigen Tanks gelagerten Wasser geschehen soll, noch in diesem Monat eine Entscheidung fallen. Doch da für ein Ableiten des Wassers ins Meer Baumassnahmen nötig seien und zunächst eine Einschätzung der Atomaufsicht erfolgen müsste, könne es etwa zwei Jahre dauern, bevor mit dem Ableiten begonnen werden kann, hiess es in den Berichten.

Fast zehn Jahre sind vergangen, seit an jenem 11. März 2011 ein schweres Erdbeben und ein gewaltiger Tsunami den Nordosten des Inselreiches heimsuchten. Rund 18'500 Menschen starben damals in den Fluten.

Zum Sinnbild der Katastrophe aber wurde der Super-Gau im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi, auch wenn dadurch niemand direkt ums Leben kam. Wegen der radioaktiven Strahlung von Kernschmelzen in drei der Reaktoren mussten rund 160'000 Anwohner damals fliehen.

Es war die schlimmste Atomkatastrophe seit dem Unfall in Tschernobyl 1986. Inzwischen gilt die Lage in der Atomruine Fukushima als stabil. Doch werden die enormen Mengen verstrahlten Wassers zunehmend zum Problem.

Noch immer werden die zerstörten Reaktoren mit Wasser gekühlt. Hinzu kommt Grundwasser, von dem ein Teil in die Untergeschosse der Reaktoren gelangt. Ein Teil des dadurch radioaktiv belasteten Wassers wird nach Durchlaufen eines Filtersystems in Tanks gelagert – inzwischen rund 1,2 Millionen Tonnen. Das Filtersystem ALPS kann 62 Nuklide mit Ausnahme von Tritium herausfiltern. Doch musste der Betreiber Tepco die Reinigungsprozesse jüngst erst wiederholen, da die Radioaktivität laut Medien teils noch über den Grenzwerten lag.

Jeden Tag kommen rund 170 Tonnen Wasser hinzu, das zwischengelagert werden muss. Inzwischen sind mehr als 1000 Tanks auf dem Gelände voll. Spätestens im Sommer 2022 gehe jedoch der Platz aus, hiess es. Daher hält die Regierung ein Ableiten des Wassers ins Meer für eine realistische Option. Auch der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde, Rafael Grossi, hatte bei einem Besuch der Atomruine im Februar laut japanischen Medien erklärt, die Ableitung kontaminierten Wassers ins Meer entspreche globalen Standards und sei übliche Praxis auch bei Atomkraftwerken, die ganz normal arbeiteten.

Fischer und Anwohner in Fukushima lehnen eine solche Massnahme jedoch ab. Der Chef eines Fischereiverbandes drückte diese Woche bei einem Treffen mit einem Sprecher der Regierung seinen Widerstand gegen ein Ableiten des Wassers aus der Atomruine Fukushima ins Meer aus.

Auch Südkorea, dass gegenwärtig Importe von Meeresfrüchten aus der Region verbietet, hat sich wiederholt besorgt über die Folgen für die Umwelt geäussert. Der neue Regierungschef Yoshihide Suga erklärte, er wolle «so bald wie möglich» eine Entscheidung zu der Wasser-Problematik treffen. (sda/dpa)

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Grösste Atom-Unfälle der letzten 25 Jahre
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quelle: globalsecurity.org
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So sieht das AKW in Fukushima von innen aus
Video: srf
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18 Kommentare
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Raudrhar
16.10.2020 09:39registriert Dezember 2015
Rafael Grossi, hatte [...] erklärt, "die Ableitung kontaminierten Wassers ins Meer entspreche globalen Standards und sei übliche Praxis auch bei Atomkraftwerken, die ganz normal arbeiteten."

Das macht es irgendwie keinen f***ing Deut besser.

Oder weiss jemand, wo die Grenzwerte liegen, bzw. wieviel Radioaktivität (trotz Reinigung) noch ins Meer fliesst? Klar, wenn die Grenzwerte unter dem liegen, was sowieso vorhanden ist, sieht es anders aus, aber irgendwie bezweifle ich das...
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Pat the Rat (das Original)
16.10.2020 10:25registriert Februar 2017
Habe ich das richtig verstanden? Helft mir bitte!

Das Wasser wird gefiltert und es bleibt quasi "nur noch" Tritium als Belastung zurück?

Tritium:
- Überschwerer Wasserstoff (3H)
- Radioaktiv
- Halbwertszeit 12,32 Jahre

Daher meine Fragen:
- Kann man das Wasser nicht so lange lagern, bis die Radioaktivität genügend abgeklungen ist?
- Wie viele Halbwerts-Perioden wären das? 1? 5? 100?
- Was würde das Ableiten ins Meer für die Umwelt bedeuten?
- Wie stark muss das Wasser verdünnt werden, um unbedenklich zu sein?
- Verdünnt es sich nicht automatisch im Meer auf eine unbedenkliche Strahlung?
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domin272
16.10.2020 11:02registriert Juli 2016
Es klingt grässlich, man muss sagen, es ist wohl auch gar nicht schön, aber wenn man sich darüber aufregt, ist man sich wohl nicht ganz im Klaren, dass dies an vielen Orten in der Nuklearindustrie immer noch gängige Praxis und überhaupt nicht verboten ist.

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