Alle Wahlkampfberater von Donald liegen ihm derzeit in den Ohren, doch bitte über seine Wirtschaftspolitik zu sprechen und vor den Steuererhöhungen seines Herausforderers Joe Biden zu warnen. Und was macht Trump? Er legt sich mit seinem Epidemie-Experten Anthony Fauci an.
In einem halböffentlichen Telefongespräch mit seinem Wahlteam zog Trump arg über Fauci her. «Die Menschen sind es leid, von Fauci und diesen Idioten zu hören, all diesen Idioten, die alles falsch gemacht haben.»
Der Präsident ist es auch satt, dass Fauci stets als «Mr. Nice Guy» dasteht, als Mann des Herzens. «Seit 500 Jahren ist er nun da», frotzelte der Präsident. «Jedesmal, wenn er am TV auftritt, lässt er eine Bombe platzen. Aber würde ich ihn feuern, würde eine noch grössere Bombe explodieren. Der Typ ist eine Katastrophe.»
Fauci anzugreifen, ist nach allgemeiner Einschätzung politischer Selbstmord. Warum also tut sich der Präsident dies an?
Vielleicht ist es ganz einfach Eitelkeit. Der krankhafte Narzisst Trump duldet keine Götter neben sich, und Fauci steht ihm vor der Sonne. So hat eine Umfrage der neutralen Kaiser Family Foundation kürzlich ergeben, dass 68 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner Fauci vertrauen. Trump hingegen kommt bloss auf 40 Prozent.
Fauci wendet sich auch immer offener gegen Trumps Corona-Politik. Er kritisierte beispielsweise das Verhalten des Präsidenten bei der Vorstellung der Bundesrichterin Amy Coney Barrett auf dem Rasen des Weissen Hauses. In einem Interview mit der TV-Sendung «60 Minutes» erklärte er dazu:
Trump selbst erkrankte wenig später an Covid-19.
Trotzdem setzt der Präsident nach wie vor alles daran, das Corona-Virus zu verniedlichen. Er will nun bis zu vier Mal täglich vor seine meist nicht maskierten Anhänger treten. Dabei beklagt er, alle würden nur noch von der Pandemie sprechen. So jammerte er kürzlich an einer Rally in Arizona:
Die Attacken haben einen ideologischen Aspekt. Trump behauptet, Fauci liege als Wissenschaftler falsch. «Hätte ich auf die Wissenschaft gehört», so Trump, «dann hätten wir jetzt eine tiefe Depression.»
Anstatt auf seriöse Wissenschaft setzt Trump auf Quacksalber. Sein wichtigster Berater ist ein gewisser Scott Atlas. Dieser ist zwar an der Stanford University tätig, aber nicht als Epidemiologe, sondern als Radiologe.
Trump hat Atlas auf Fox News entdeckt. Das ist kein Zufall. Atlas hält Masken für überflüssig und rät von Tests an Menschen ab, die keine Symptome zeigen. Stattdessen setzt Atlas auf die Ratschläge, welche rund 80 Wissenschaftler in einer Erklärung veröffentlich haben, der «Great Barrington Declaration».
Diese Wissenschaftler fordern de facto eine Herdenimmunität. Das bedeutet konkret: Das Virus soll sich unter den Mehrheit der Bevölkerung möglichst rasch und möglichst ungehindert ausbreiten, damit die Herde immun wird. Nur alte und besonders gefährdete Menschen sollen geschützt werden.
Das Konzept der Herdenimmunität wird von der überwiegenden Mehrheit der Wissenschaftler abgelehnt. Aus einem einfachen Grund: Es würde viel zu viele Tote erfordern. Allein in den USA wären es Millionen von Menschen.
Das Konzept der Herdenimmunität erinnert nicht zufällig an den Sozialdarwinismus, an die Vorstellung also, dass nur die Stärksten überleben sollen. Hinter der «Great Barrington Declaration» steht die weit rechts stehende Denkfabrik American Institute for Economic Research. Und wer finanziert diese Denkfabrik? Man ahnt es: das Charles Koch Institute, die Mutter aller libertären Ideologen.
Scott Atlas hat in der Corona-Task-Force des Weissen Hauses mittlerweile die seriösen Wissenschaftler wie Fauci und seine Kollegin Deborah Birx (die mit den vielen Schals) in den Hintergrund gedrängt. Herdenimmunität ist zwar nicht offizielle Politik geworden, doch sie wird gepusht. Obwohl in fast allen US-Bundesstaaten die Coronafälle wieder in die Höhe schiessen, dringt Trump auf die sofortige Öffnung der Wirtschaft und will alle Kinder in die Schule schicken.
Bei seiner Basis kommt dies gut an, bei allen anderen weniger. Hauptsächlich die Senioren und die Mütter in den Vorstädten stösst Trump mit dieser Politik vor den Kopf. Der Präsident geht so weit, dass er Fauci gar beschuldigt, unter einer Decke mit seinem Herausforderer zu stecken. «Er will auf Fauci hören», spottete Trump.
Joe Biden nimmt dieses Geschenk dankend an. Es sei für ihn eine Auszeichnung, den Ratschlägen Faucis zu folgen, erklärte er umgehend, und fügte hinzu:
Sorry liebe Schafe ich mag Schafe.