Die rechtspopulistische Partei Alternative für Deutschland (AfD) wurde in den deutschen Bundestag gewählt. Zum Schock vieler. So waren bei der ersten Sitzung des Parlaments die meisten Augen auf die 92 Abgeordneten der AfD gerichtet. Ein Bericht über ihren ersten Tag im deutschen Bundestag.
Am Sonntag gab es eine grosse Kundgebung gegen die AfD. Über 10'000 Menschen gingen in Berlin auf die Strasse. Das Motto: «Gegen Hass und Rassismus im Bundestag». Und auch am Dienstag war wieder ein kleines Grüppchen Protestierender vor Ort, die tapfer ihre «Stoppt die AfD»-Schilder in die Höhe streckten.
Die 92 Abgeordneten der umstrittenen Partei liessen sich von diesen Protesten nicht beeindrucken und nahmen zum ersten Mal Platz im deutschen Bundestag. Ganz rechts im Saal. Neben ihnen die Bundestagsrückkehrer der FDP. Diese hatten bis zuletzt zu erreichen versucht, dass sie nicht neben der AfD Platz nehmen müssen. Vergebens. Und so setzten sie sich naserümpfend neben ihre ungeliebten neuen «Gspändli».
Der erste Tag im Bundestag hat etwas vom ersten Tag in der Schule. Die Freude war den rechten Politikern anzusehen. Und klar ist – so ein erster Tag muss bildlich festgehalten werden. So verewigte sich auch AfD-Fraktionschefin Alice Weidel fleissig auf Selfies.
Danach galt es für die AfDler dann doch noch Ernst. Sie mussten arbeiten, Politik betreiben. Kurzerhand reichten sie ihren ersten Antrag ein. Sie forderten, dass die erste Sitzung des Parlaments nicht wie geplant von Hermann-Otto Solms (FDP) geführt werden sollte, sondern von Wilhelm von Gottberg (AfD).
Grund: Eigentlich wird die erste Sitzung des Bundestags immer vom ältesten Abgeordneten eröffnet. Dieses Mal aber vom Abgeordneten, der am längsten im Parlament sass. Die Regel wurde geändert, weil man die Eröffnungsrede nicht einem AfDler zugestehen wollte. Folge: Die AfD fühlte sich gemobbt.
Doch das Parlament schmetterte den Antrag der neuen Bundestags-Fraktion ab, und Hermann-Otto Solms erinnerte in seiner Eröffnungsrede, dass sich das Machtgefüge im Parlament verändert habe. «Diese Entscheidung der Wähler haben wir zu akzeptieren.»
Beim ersten Tag der AfD im Bundestag darf selbstverständlich eines nicht fehlen. Genau, der erste Nazi-Vergleich. Für diesen war der Abgeordnete Bernd Baumann besorgt, als er sich darüber aufregte, dass die Sitzung nicht vom ältesten Abgeordneten eröffnet wurde. Dabei zog er einen fragwürdigen Vergleich.
Die Kritik liess nicht auf sich warten. Jürgen Trittin, Abgeordneter der Grünen, sagte im Interview mit dem Sender «Phoenix»:
Und er ergänzte: Dies sei in einem Haus, das die Nazis mal niederbrennen liessen, ziemlich geschmacklos gewesen.
Eine breite Mehrheit wählte Wolfgang Schäuble (CDU) zum neuen Bundestagspräsidenten, der somit die Nachfolge von Norbert Lammert antritt.
Jede Fraktion darf Schäuble einen Vize zur Seite stellen, der aber vom Parlament genehmigt werden muss. Eigentlich eine Formalität, doch nicht wenn die Fraktion AfD heisst.
Die AfD stellte für die Wahl Albrecht Glaser auf, was als bewusste Provokation gegen das Parlament gewertet wurde. Denn Glaser fiel mit einer umstrittenen Aussage zur Religionsfreiheit auf, die er auch nicht zurückzog. So bekam er das Missfallen des Parlaments zu spüren. Nur 115 Abgeordnete gaben ihm im ersten Wahlgang die Stimme. 550 votierten gegen ihn.
Auch im zweiten Wahlgang hielt die AfD an Glauser fest. Er scheiterte erneut. Die AfD blieb stur und schickte auch im dritten Wahlgang Glaser ins Rennen. Er scheiterte endgültig. Die Entscheidung wurde vertagt. Somit bleibt die AfD vorläufig ohne Vizepräsidenten.
Die @spdbt lehnt nicht per se Vizepräsidentschaft für AfD ab. Aber Kandidat Glaser steht nicht zu den Werten des Grundgesetzes. #Bundestag
— SPD im Bundestag (@spdbt) 24. Oktober 2017
Nach der Nichtwahl ihres «hochqualifizierten» Kandidaten Glaser waren einige AfD-Abgeordnete hässig. Darunter Thomas Seitz. Auf Twitter machte er seinem Ärger Luft und trat gegen Grünen Politikerin Claudia Roth nach, die zum zweiten Mal zur Vizepräsidentin gewählt wurde. Er bezeichnete sie in einem Tweet als Deutschlandhasserin.
Peinlich. Kollegen, die bedenkenlos die #Deutschlandhasserin #Roth gewählt haben, lehnen einen hochqualifizierten Kandidaten ab.#Glaser https://t.co/3v8QDBcfi8
— Thomas Seitz, MdB (@Th_Seitz_AfD) 24. Oktober 2017
Die AfD nimmt Roth häufig unter Beschuss. Dies, weil sie sich immer wieder positiv zu Themen wie Zuwanderung und Islam äussert.
Wer ist eigentlich Schuld, dass der Bundestag sich jetzt mit der AfD herumschlagen muss? Für Carsten Schneider von der SPD ist die Antwort klar. In seiner Rede vor dem Bundestag sagte er: «Ihr Politikstil, Frau Merkel, ist ein Grund dafür, dass wir heute eine rechtspopulistische Partei hier im Bundestag haben.»
Merkel habe im Wahlkampf jeden politischen Streit und jede Debatte verweigert. «Diese Vernebelungsstrategie mag in den vergangenen beiden Wahlkämpfen funktioniert haben.» Doch dieses Mal habe die Strategie dazu geführt, dass die politischen Ränder stärker wurden denn je.
Der Applaus von SPD-Chef Martin Schulz war ihm auf sicher.