Was der NPD-Funktionär Stefan Jagsch am Donnerstag auf seiner Facebookseite gepostet hat, ist verblüffend: «Soeben wurde ich einstimmig von den Vertretern des Ortsbeirates Altenstadt-Waldsiedlung zum Ortsvorsteher gewählt.»
Ein NPD-Mann, einstimmig gewählt. Im Ortsbeirat des Altenstadter Ortsteils Waldsiedlung sitzen ausser dem Neonazi Jagsch Vertreter von CDU, SPD und FDP. Und doch, der Post des NPD-Politikers ist kein Witz und auch keine bösartige Falschmeldung.
Der Ortsbeirat der Waldsiedlung ist mit nur neun Mitgliedern ein kleines Gremium. Es wird von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt. In der Waldsiedlung schafften es drei Vertreter für die SPD und drei für die CDU in den Ortsbeirat. Ausserdem zwei für die FDP und einer für die rechtsextreme NPD. Aus seiner Mitte wählt der Beirat schliesslich einen Ortsvorsteher. Bis zum Juni 2019 war das Klaus Dietrich von der FDP.
Der hatte jedoch schliesslich genug. Auf der Sitzung des Ortsbeirates am 27. Juni ging es zunächst noch um Themen wie die Sauberkeit der Spielplätze im Ort, und um Bürgerbeschwerden um die Haltung eines Kangal-Hundes im Amselweg. So steht es in der Niederschrift der Sitzung.
Der letzte Punkt auf der Tagesordnung legte dann den Grundstein für das, was jetzt zu einem handfesten politischen Skandal in der hessischen Provinz wurde ist. Klaus Dietrich erklärte mit sofortiger Wirkung seinen Rücktritt als Ortsvorsteher. Sein Mandat wolle er jedoch behalten.
Bis zur nächsten Sitzung im September sollte der Ortsbeirat ohne Vorsteher bleiben.
Am 5. September war es dann soweit. Der Ortsbeirat trat erneut zusammen, mit einem wichtigen Tagesordnungspunkt auf der Agenda: Ein neuer Ortsvorsteher sollte gewählt werden.
Besonders beliebt ist der Posten offenbar nicht: Niemand erklärte sich bereit, ihn zu übernehmen. Zumindest niemand ausser dem NPD-Mann Stefan Jagsch. So schilderten es die SPD Altenstadt und die SPD-Fraktion Altenstadt am Freitag in einer Pressemitteilung. Einer Pressemitteilung, «die man nie schreiben will», wie der Fraktionsvorsitzende der SPD in Altenstadt auf Facebook erklärte.
«In dieses Vakuum stiess der NPD-Funktionär», sagte der Altenstadter SPD-Vorsitzende Markus Brando laut der Pressemitteilung. «In Ermangelung einer Alternative, wie mir Sitzungsteilnehmer berichteten, wählten alle anderen Vertreter der anderen Parteien ihn zum Vorsteher.»
Gegenüber der «Hessenschau» begründete CDU-Vertreter Norbert Szielasko, der Jagsch ebenfalls gewählt hatte, die Wahl so: Man habe eben keinen anderen – «vor allem keinen Jüngeren, der sich mit Computer auskennt, der Mails verschicken kann».
Ob die politischen Ziele der rechtsextremen NPD vereinbar seien mit dem Amt eines Ortsvorstehers, wollte Szielasko nicht kommentieren: «Was er in der Partei macht oder privat, dass ist nicht mein Ding, nicht unser Ding». Im Ortsbeirat verhalte er sich «absolut kollegial und ruhig», so der CDU-Mann gegenüber der «Hessenschau».
Dieses Wahlverhalten sei durch nichts zu rechtfertigen, sind sich Brando und Voss einig. Man wolle in einer Sondersitzung mit den drei SPD-Ortsbeiräten reden und nicht näher benannte «Konsequenzen ziehen». Auch die Kreisvorsitzende der SPD im Wetteraukreis und Landtagsabgeordnete Lisa Gnadl fand in einer Pressemitteilung deutliche Worte: Sie sei «völlig entsetzt und fassungslos».
«Genossinnen und Genossen, die im dritten Reich ihre Haltung gegen die Nazis gezeigt haben, sind inhaftiert, gefoltert oder gar ermordet worden. Die Geschichte der eigenen Partei muss uns auch heute besonders verantwortungsvoll handeln lassen. Wir werden daher alle Konsequenzen prüfen müssen», sagte Gnadl laut der Mitteilung.
Auch die CDU reagierte – mit einer gemeinsamen Erklärung der Kreisvorsitzenden und Landtagsabgeordneten Lucia Puttrich und des Vorsitzenden der CDU Altenstadt, Sven Müller-Winter.
Darin heisst es: «Es ist unfassbar und unannehmbar, dass im Altenstädter Ortsteil Waldsiedlung mit Stefan Jagsch ein langjähriger NPD-Funktionär einstimmig zum Ortsvorsteher gewählt wurde. Davon distanzieren wir uns in aller Schärfe.» Beide hätten erst am Tag nach der Wahl davon erfahren und mit «Entsetzen und absolutem Unverständnis» reagiert.
Sie erklärten: «Wir werden einen Ortsbeirat unter Leitung eines NPD-Funktionärs nicht akzeptieren und haben bereits Kontakt mit allen weiteren demokratischen Parteien im Wetteraukreis aufgenommen. Gemeinsam müssen wir nach diesem schwerwiegenden Fehler nun an einem Strang ziehen und nach einer Lösung suchen.»
Stefan Jagsch ist bereits seit einigen Jahren Funktionär der Neonazi-Partei, war unter anderem stellvertretender Landesvorsitzender der Parteijugend und Vorsitzender des hessischen NPD-Landesverbandes. Er trat in der Vergangenheit zu mehreren Bundestagswahlen, zur Landtagswahl und zur Kreistagswahl im Wetteraukreis an. Er wurde in mehreren hessischen Verfassungsschutzberichten namentlich erwähnt.
(watson.de/cbe)
Aber das zeigt, das kommunale Ebene, Landesebene und Bundesebene nach anderen Regeln spielen.
Es gab niemand anders - da stellt sich zur Verfügung weil es um etwas „Großes“ geht
Das mit der EDV macht mich fassungslos, wie soll so jemand über Digitalisierung entscheiden.