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AfD bei Landtagswahlen – Politologe: «Keine Protestwahlen»

Matthias Quent, Politologe und Direktor des Instituts für "Demokratie und Zivilgesellschaft"
Matthias Quent ist Experte für die Entwicklung des rechten Spektrums in Ostdeutschland und hat gerade das Buch «Deutschland Rechts Aussen» veröffentlicht.Bild: idz jena

«Diese Wahlen widerlegen eine oft genannte These über die AfD»

02.09.2019, 07:4202.09.2019, 12:39
Max Biederbeck / watson.de
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Die provisorischen Endresultate sind draussen. Schien es vergangene Woche noch so, als würde die AfD Boden verlieren im Rennen mit der CDU in Sachsen und der SPD in Brandenburg, hat sie jetzt doch hohe Ergebnisse in beiden Ländern eingefahren.

Was aber bedeutet dieses Ergebnis für die Einschätzung der «Alternativen» im Osten Deutschlands? Wir haben den Politologen und Direktor des Instituts für «Demokratie und Zivilgesellschaft», Matthias Quent, zu den aktuellen Zahlen befragt. Er ist Experte für die Entwicklung des rechten Spektrums in Ostdeutschland und hat gerade das Buch «Deutschland Rechts Aussen» veröffentlicht.

Mit Protest allein sei diese Wahl nicht zu erklären

Quent widerspricht dabei einer gerade in den Medien oft zitierten These, die meisten Wähler hätten der AfD aus Protest ihre Stimme gegeben. «Diese Wahlen widerlegen die These, dass es sich bei der AfD um eine Protestpartei und ein 1-Themen-Phänomen handelt», sagt Quent. Stattdessen müssten jetzt auch die letzten Beobachter verstanden haben, «dass die AfD eine selbstbestärkende politische Kraft ist, die auch jenseits der Flüchtlingskrise Themen reaktionär besetzen kann».

Quent weiter: Die AfD sei erfolgreich, auch wenn es aktuell bis auf das Thema Klima keinen wirklichen Krisendiskurs gebe. «Eigentlich erleben wir vergleichsweise ruhige Zeiten und dennoch ist die AfD so stark», sagt Quent. Weder die Wahlen in Sachsen noch die in Brandenburg hätten ausserdem einen direkten Bezug zum angeblichen Lieblingsfeindbild der «Anti-»Partei: Angela Merkel.

«Nach vieler negativer Berichterstattung scheint es jetzt sogar noch einen ‹Jetzt erst recht›-Effekt gegeben zu haben.»

Gegen die These der Protestpartei spreche auch, dass die AfD in Sachsen und Brandenburg ihre Umfragewerte im Grunde über die vergangenen Wochen und Monate stabil gehalten hat. «Nach vieler negativer Berichterstattung scheint es jetzt sogar noch einen ‹Jetzt erst recht›-Effekt gegeben zu haben», so Quent.

Der Politikwissenschaftler ist überzeugt: «Je näher eine Wahl an mein Zuhause rückt, desto weniger bin ich dazu bereit, eine Partei aus Protest zu wählen.» Dennoch würden die Zahlen in Brandenburg und Sachsen über denen der Bundestagswahl 2017 liegen und das gebe einem sehr zu denken. «Reine Protestwahlen können solche Ergebnisse nicht erklären», so Quent.

Der Unterschied zwischen Sachsen und Brandenburg

Es sei auch auffällig, so erklärt Quent weiter, dass die Ergebnisse in Sachsen für die AfD höher ausgefallen sind als in Brandenburg.

«Eigentlich gibt es in Sachsen mehr Städte, die moderater wählen und Sachsen ist wirtschaftlich stärker aufgestellt als Brandenburg», sagt Quent. Das alles zeige:

«Wir haben es hier nicht mit wütendem Protest, sondern mit einer Art Kulturkampf zu tun.»

Hinter diesem «Kulturkampf» stecke jahrelang verkrustetes rechtsextremes Potential von Wählerinnen und Wählern, das jetzt lediglich einen Weg in die politische Öffentlichkeit gefunden habe. Brandenburg habe diese Gefahr im Gegensatz zu Sachsen seit vielen Jahren erkannt und klare Kante gezeigt.

Scheideweg statt Schicksalstag

Diesen Schicksalstag, wie der Tag der Wahl vielerorts beschrieben wurde, würde Quent anders bezeichnen. «Ich würde eher von einem Scheideweg für die CDU sprechen. Es wird jetzt interessant sein, zu sehen, ob die Christdemokraten die AfD als politische Kraft akzeptieren werden, wie es ja schon in vielen Kommunalparlamenten im Land passiert.» Die wahre Entscheidung falle dementsprechend nicht am Wahltag, sondern erst in den kommenden Tagen und Wochen.

Das aktuelle Ergebnis zeige allerdings zweifelsohne, dass die Wahl zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen habe. «Die Widerstandsinszenierung und die Opfer-Wahrnehmung der AfD scheint bei vielen ostdeutschen Wählern stark Anklang zu finden», so Quent. Dieser Prozess lasse sich nur schwer umkehren.

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104 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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John Galt
02.09.2019 08:42registriert November 2014
Das Problem sind die alten (System)-Parteien". Die Bevölkerung hat genug davon, dass es in der Politik nur noch darum geht, wie der Kuchen aufgeteilt werden soll, anstatt sich mal darüber Gedanken zu machen wie der Kuchen auch anders gebacken werden könnte.
Die AfD füllt diese Lücke, auch wenn sie nicht viel zu bieten hat; aber eben, sie ist eine Alternative, und als einzige Alternative zu den etablierten Sesselklebern, fährt sie entsprechende Gewinne ein.
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Boiiiiii7
02.09.2019 08:59registriert März 2019
Egal was die AfD macht, in den Medien wird sie dafür zerstört und niedergetreten. Anstatt dass man in den Medien zeigt, dass die Politik der AfD nicht funktioniert, stempelt man sie direkt als Nazis ab und wie jeder weiss kann man mit Nazis nicht diskutieren und sie haben sowieso nie recht. Kein Wunder, dass die AfD so erfolgreich ist, solange ihre Standpunkte als unerhört abgestempelt weden, statt durch Statistiken und Gegenargumente widerlegt zu werden.
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Score
02.09.2019 10:11registriert Mai 2017
Ich sage schon lange die Politiker und auch Medien sollten die AfD und vor allem deren Wähler ernst nehmen. Stattdessen wird wie bei Trump immer nur versucht ihre Legitimation abzusprechen und nur auf Skandale zu verweisen. Damit geht aber die Unzufriedenheit der Wähler über die Politik nicht verloren. Und die bestehenden Politischen Kräfte verstehen es schlicht nicht diese Wähler abzuholen und ihre Anliegen ernst zu nehmen.
Zudem würde es der AfD den Wind aus den Segel nehmen wenn man diese integrieren würde im Politischen Diskurs und sie nicht mehr nur polemisch auf Oposition machen können
19729
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