International
Coronavirus

EU-Gipfel einigt sich auf billionenschweres Finanzpaket

epa08557644 Ireland's Taoiseach Micheal Martin (L), Dutch Prime Minister Mark Rutte (C) and French President Emmanuel Macron (R) converse during a last roundtable discussion following a four days ...
Die Staaten haben sich nach vier Tagen geeinigt.Bild: keystone

EU-Staaten einigen sich nach tagelangem Streit auf billionenschweres Finanzpaket

21.07.2020, 06:2221.07.2020, 06:31
Mehr «International»

Die EU-Staaten haben sich im Kampf gegen die Coronavirus-Wirtschaftskrise auf das grösste Haushalts- und Finanzpaket ihrer Geschichte geeinigt. Der Kompromiss wurde am frühen Dienstagmorgen bei einem Sondergipfel in Brüssel von den 27 Mitgliedsstaaten angenommen.

So lautete es aus Verhandlungskreisen. EU-Ratschef Charles Michel teilte dies zudem auf Twitter mit. Zusammen umfasst das Paket 1,8 Billionen Euro - davon 1074 Milliarden Euro für den nächsten siebenjährigen Haushaltsrahmen und 750 Milliarden Euro für ein Konjunktur- und Investitionsprogramm gegen die Folgen der Coronavirus-Pandemie-Krise.

Viele lobende Worte

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron würdigte die Einigung beim EU-Gipfel auf das Haushalts- und Finanzpaket als grosse Leistung. Macron schrieb am frühen Dienstagmorgen auf Twitter: «Historischer Tag für Europa!» Vom EU-Ratschef hiess es, EU-Geld werde erstmals an die Einhaltung von Rechtsstaatsprinzipien geknüpft.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte, Europa habe immer noch den Mut und die Fantasie, gross zu denken. «Wir sind uns bewusst, dass dies ein historischer Moment in Europa ist.» Es gelinge Europa, nach intensivem Ringen kraftvoll zu antworten.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat sich erleichtert über die Einigung beim Coronavirus-Krisengipfel der EU gezeigt. Es sei darum gegangen, Entschlossenheit zu zeigen. «Das war nicht einfach», sagte die deutsche Politikerin am Dienstagmorgen zum Abschluss des am Freitag begonnenen Gipfels in Brüssel. Für sie zähle aber, «dass wir uns am Schluss zusammengerauft haben».

Tilgung über Jahrzehnte

Mit dem Finanzpaket will sich die Europäische Union gemeinsam gegen den historischen Wirtschaftseinbruch stemmen und den EU-Binnenmarkt zusammenhalten. Gleichzeitig soll in den Umbau in eine digitalere und klimafreundlichere Wirtschaft investiert werden. Dafür werden erstmals im grossen Stil im Namen der EU Schulden aufgenommen, das Geld umverteilt und gemeinsam über Jahrzehnte getilgt.

Am Montag waren zwei der umstrittensten Einzelpunkte gelöst und damit der Weg zum Gesamtdeal freigemacht worden. Zum einen fand man nach tagelangem Streit einen Kompromiss zum Kern des Coronavirus-Programms: Die sogenannten sparsamen Staaten akzeptierten, dass gemeinsame Schulden aufgenommen werden und das Geld als Zuschuss an EU-Staaten geht. Im Gegenzug willigten Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien ein, die Summe dieser Zuschüsse aus dem Corona-Programm von 500 Milliarden Euro auf 390 Milliarden Euro zu verringern. Dazu kommen 360 Milliarden Euro, die als Kredit vergeben werden.

Ost gegen West

Der zweite Knackpunkt wurde dann am Montagabend geklärt: Man fand eine Formel zur Koppelung von EU-Geldern an die Rechtsstaatlichkeit, die alle 27 Staaten annahmen. Zuvor hatten sich Polen und Ungarn strikt gegen einen solchen Rechtsstaatsmechanismus gewehrt, zumal gegen beide Staaten Verfahren wegen Verletzung von EU-Grundwerten laufen. Mehrere andere EU-Staaten beharrten jedoch darauf, dass EU-Gelder gebremst werden, wenn gemeinsame Werte missachtet werden. Die Kompromissformel wurde von mehreren Staaten erarbeitet und in der Runde der 27 vom lettischen Regierungschef Krisjanis Karins vorgetragen.

Die Interpretation der Klausel war unterschiedlich. Während EU-Vertreter sie als wirksame Koppelung bezeichneten, zitierte die polnische Nachrichtenagentur PAP polnische Regierungsquellen mit der Einschätzung, die Koppelung sei gestrichen worden. Ungarische Medien feierten die Einigung als Sieg für Ministerpräsident Viktor Orban. (cki/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die schönsten Orte der Welt
1 / 92
Die schönsten Orte der Welt
«National Geographic» hat ein Buch mit 225 der schönsten Orte der Welt herausgegeben. Wir haben 90 der atemberaubendsten Destinationen für euch herausgepickt – und reisen einmal um die Welt. Los geht's!
(Bild: jay dickman/national geographic)
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Zwei Wochen Maskenpflicht: Mehrheitlich positive Bilanz, ausser in einem Ort
Video: sda
Das könnte dich auch noch interessieren:
14 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Amarillo
21.07.2020 09:06registriert Mai 2020
Nicht dass es noch eine Rolle spielen würde, aber mittlerweile verstösst man wohl gegen so ziemlich alle "Eckpfeiler" der EU. Durch die EZB bzw. deren Aufkauf von Staatsanleihen zu mikroskopisch tiefen Zinsen wird eine Finanzierung von Staaten betrieben, was ursprünglich kategorisch ausgeschlossen wurde. Und dass man alle paar Jahre mit zusätzlichen Finanzspritzen die immer gleichen Länder vor dem Zusammenbruch bewahren muss, ohne dass sich dort strukturell etwas ändert, wird ein böses Ende nehmen. Etwa wenn die Deutschen z.B. ihre Renten und ihr Rentenalter mit Italien vergleichen.
4917
Melden
Zum Kommentar
avatar
Kaspar Floigen
21.07.2020 09:36registriert Mai 2015
Am Schluss wird das gemacht, was von Anfang klar war, aber auf eine Weise, damit sich jeder als Gewinner präsentieren kann.
250
Melden
Zum Kommentar
14
Frankreich ermittelt gegen 16-Jährigen – wegen Terrorverdacht
Frankreichs Anti-Terrorstaatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen einen 16-Jährigen eingeleitet. Dieser hatte in sozialen Medien die Herstellung eines Sprengstoffgürtels angekündigt, um damit als Märtyrer zu sterben.

Gegen den am Vortag in den französischen Alpen festgenommenen Jugendlichen seien am Donnerstag Ermittlungen wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung eingeleitet worden, bestätigte die Anti-Terrorbehörde der Deutschen Presse-Agentur in Paris. Die von der Generaldirektion für innere Sicherheit geführten Ermittlungen müssten klären, ob der Plan für einen Terrorakt tatsächlich besteht und ob eine Umsetzung gegebenenfalls bereits in Angriff genommen wurde.

Zur Story