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Corona-Impfung: Entwicklungsländer zahlen viel mehr

Volunteers wait to be checked at a vaccine trial facility for AstraZeneca at Soweto's Chris Sani Baragwanath Hospital outside Johannesburg, South Africa, Monday Nov. 30, 2020. With Americans, Bri ...
Freiwillige warten in einer Impfstoff-Versuchsanlage in Johannesburg, Südafrika, auf eine erste Impfung. Bild: keystone

So viel mehr zahlen Entwicklungsländer für die Corona-Impfung

07.02.2021, 07:5107.02.2021, 15:52
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In Europa wird wild gestritten, ob zu wenig Corona-Impfstoff zu spät bestellt wurde und welchen Bevölkerungsgruppen die ersehnten Präparate zuerst gespritzt werden. Der globale Süden kann darüber nicht streiten – in den meisten Entwicklungsländern ist noch keine einzige Dosis eines Impfstoffs angekommen. Nach einem Jahr der Aufrufe für eine faire Verteilung der Vakzine sieht die Realität nun doch anders aus.

Die weltweite Impfstoff-Initiative Covax bemüht sich um Dosen auch für ärmere Länder, im Februar sollen die ersten Lieferungen rausgehen. Das Verteilungsproblem grundsätzlich lösen kann Covax aber nicht. Einige Entwicklungsländer suchen daher in China und Russland Hilfe, andere können nichts anderes tun als warten. Der globale Wettkampf um die so sehnlichst erwarteten Impfdosen erschwert den Kampf gegen die Corona-Pandemie – und zwar für alle, weltweit.

Viel weniger Impfdosen in ärmeren Ländern

Einer Analyse der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften (IFRC) zufolge wurden fast 70 Prozent der bislang verabreichten Impfungen in den 50 reichsten Ländern gespritzt. In den 50 ärmsten Ländern wurden demnach dagegen nur 0,1 Prozent der Impfdosen verabreicht. «Das ist alarmierend, weil es unfair ist und weil es diese schlimme Pandemie verlängern oder gar verschlimmern könnte», sagt IFRC-Generalsekretär Jagan Chapagain.

Von den 54 Staaten Afrikas haben bislang nur 6 mit den Impfungen begonnen, in Asien sind es auch nur wenige. Immerhin verkündete Covax am Mittwoch, noch im Februar die ersten Impfdosen an Entwicklungs- und Schwellenländer abzuschicken. Die Initiative der Impfallianz Gavi und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat auch zum Ziel, Länder mit geringen oder mittleren Einkommen zu versorgen, die sich die Impfstoffe nicht selbst leisten können. Doch bislang hat nur der Wirkstoff von Pfizer/Biontech eine WHO-Notzulassung bekommen – und die Impfdosen bekommen nur 18 Länder. Die wurden laut WHO unter anderem anhand ihrer Fähigkeit, das Mittel sehr kalt lagern zu können, ausgesucht. Die ärmsten Staaten der Welt sind nicht dabei.

Die Kluft zwischen dem globalen Süden und dem globalen Norden wird auch in den Planungen der Länder für ihre Impfkampagnen sichtbar: Während die EU zum Ziel hat, bis Ende des Sommers 70 Prozent der Erwachsenen gegen Corona zu impfen, plant etwa Kenia bis Juni die Impfung von lediglich 1,25 Millionen Menschen – das entspricht rund fünf Prozent der Über-18-Jährigen in dem afrikanischen Land. Vietnam will nach eigenen Angaben etwa 30 Millionen Astrazeneca-Impfdosen für 15 Millionen Menschen einkaufen – bei einer Bevölkerung von rund 96 Millionen Menschen. Und in Thailand, das dringend auf ein Wiedererstarken des wichtigen Tourismus hofft, wird bis Ende des Jahres wohl gerade einmal die Hälfte der 70 Millionen Bürger geimpft.

Afrika wartet auf Impfdosen

Warum so wenige Impfungen und warum so spät? Die einfache Antwort: Geld. Viele der reicheren Länder hatten bei den Herstellern Millionen von Impfdosen vorbestellt und sich so die ersten Lieferungen gesichert – für die meisten Entwicklungsländer eine utopische Vorstellung. «Wir haben noch nicht begonnen, weil wir noch keine Impfungen haben», brachte es jüngst der Chef der panafrikanischen Gesundheitsbehörde Africa CDC, John Nkengasong, auf den Punkt.

Teurere Impfdosen

Die Ungleichheit spiegelt sich auch in den Preisen wieder. Während die EU für eine Astrazeneca-Impfdosis 1.78 Euro zahlt – die eigentlich geheim gehaltenen Preise wurden von einer belgischen Staatssekretärin getweetet –, muss Uganda für eine Dosis 7 Dollar, also etwa 5.80 Euro auf den Tisch legen. «Wir erkennen an, dass dies die Realität globaler Märkte ist», sagte jüngst WHO-Afrika-Chefin Matshidiso Moeti. «Es ist natürlich bedauerlich, dass es ärmere Länder gibt, die mehr zahlen als reiche Länder.»

A woman wears a mask to protect against coronavirus as the passes a wall mural depicting a syringe , n Cape Town, South Africa, Thursday, Jan. 21, 2021. South Africa is preparing a hero���s welcome Mo ...
Für ärmere Länder wird der Weg aus der Pandemie noch viel länger und rauer sein. Bild: keystone

Einige Entwicklungsstaaten wenden sich Russland und China zu. Vietnam hatte sich bereits im vergangenen Jahr für bis zu 150 Millionen Dosen von Russlands Impfstoff Sputnik V registriert. Kambodscha, Vietnams armem Nachbarn, hat China eine Million Dosen des Mittels des Staatsunternehmen Sinopharm versprochen. Zudem hat das Land auch Indien und Russland um Hilfe gebeten, um Impfdosen zu kaufen. Die Seychellen haben ihre Impfkampagne mit Sinopharm-Dosen und Guinea mit Sputnik-V-Dosen begonnen.

Für viele der ärmsten Länder der Welt bleibt aber nur eins: abwarten. Die Covax-Initiative verspricht, die 145 teilnehmenden Länder bis Mitte des Jahres mit genug Impfdosen für durchschnittlich 3,3 Prozent der Bevölkerungen zu versorgen. Bis zur Herdenimmunität ist es dann noch ein weiter Weg. «Die Knappheit der Impfstoffe, gepaart mit Impfstoff-Nationalismus, sagt uns, dass die Mehrheit der Menschen in Krisen- und Konfliktgebieten dieses Jahr keinen Covid-19-Impfstoff erhalten wird», warnt der ehemalige britische Aussenminister David Miliband, Präsident des International Rescue Committee (IRC).

Doch die Pandemie kennt keine Landesgrenzen – und das sollten sich reiche Länder in Erinnerung rufen, mahnen viele. Man müsse auch in Entwicklungsländern impfen, «sonst kommt das Virus im nächsten Flieger zu uns zurück», warnte jüngst Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU). «Wir besiegen die Pandemie nur weltweit – oder gar nicht.» (sda/dpa)

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