>> Coronavirus: Alle internationalen News im Liveticker
Russland vermeldete am 2. Februar seine ersten beiden Coronafälle. Doch dann blieb es lange ruhig. Erst am 3. März kam eine weitere Meldung dazu. Die Zahlen entwickelten sich auch in der Folge sehr langsam. Zumindest offiziell. Vermutlich lag dies an den wenigen Tests, die durchgeführt wurden. Tatsache ist: In den letzten Tagen zeigte die Kurve mit der totalen Anzahl Fälle steiler nach oben als in jedem anderen Land.
Am 4. Mai meldete Russland rund 145'000 Fälle. Italien steht bei rund 210'000.
Können die Russen die Kurve nicht schnell brechen, wird die Zahl der Corona-Fälle jene Italiens bald überholen.
Während sich Europa auf die Lockerung seiner Lockdown-Massnahmen vorbereitet oder schon damit begonnen hat, zeigt die Kurve Russlands steil nach oben. Das zeigt sich insbesondere bei den täglichen neu gemeldeten Fällen. Erst am 3. Mai verzeichnete Russland 10'633 neue Fälle innert 24 Stunden – ein neuer Rekord.
Dass die Fallzahlen vergleichsweise hoch ausfallen, ist bei einem bevölkerungsreichen Land wie Russland allerdings naheliegend. Mit 143'989'754 Einwohnern zählt Russland rund zweieinhalb Mal so viele wie Italien (rund 60 Millionen Einwohner). Darum schauen wir hier auf die positiv getesteten pro 100'000 Einwohner:
Hier liegt Russland noch sehr deutlich hinter der Schweiz und Italien zurück. Für die gleiche Quote wie die Schweiz müsste Russland rund 500'000 positiv Getestete ausweisen.
Einer der Hauptgründe, dass die russischen Zahlen seit einigen Tagen so in die Höhe schnellen, ist die Testkapazität. Wurde zu Beginn im Riesenreich kaum getestet, meldet Worldometers aktuell rund 4,5 Millionen Tests – nur in den USA gab es noch mehr.
Heruntergebrochen auf eine Million Einwohner (rund 30'000 pro eine Million Einwohner) liegt man in Russland damit auf der Höhe von Österreich (30'000) oder der Schweiz (32'000). Spanien (41'000) testete noch deutlich mehr.
Präsident Wladimir Putin spielte die Gefahr noch im März lange herunter. Mit ein Grund dafür war wohl auch, dass er am 22. April über eine Verfassungsreform abstimmen wollte. Diese sollte ihm erlauben, auch 2024 und 2036 nochmals als Präsident gewählt zu werden. Ende März musste er zurückkrebsen.
Putin ist arg in die Defensive gedrängt worden. Eigentlich sollte am 7. Mai sein 20. Jahrestag seiner ersten Amtseinführung gefeiert werden. Doch der Kremlchef sitzt in seiner Moskauer Vorstadtresidenz Nowo-Ogarjowo wie in einem Bunker und agiert in der Krise nach Meinung vieler Russen auffällig defensiv.
Unbeliebte Entscheidungen delegiert der 67-Jährige seit Wochen in langatmigen im Fernsehen übertragenen Videokonferenzen an Gouverneure, die kaum noch echte Machtbefugnisse hatten.
Politologe Andrej Perzew von der Moskauer Denkfabrik Carnegie Center attestiert ihm «Realitätsverlust» – nicht zuletzt, weil Putin unlängst meinte, dass 70 Prozent der Russen zur Mittelschicht gehörten. Wer 17'000 Rubel (rund 200 Euro) im Monat verdiene, erfülle das Kriterium. Perzew analysiert, dass Putin nicht mehr auf Berater höre und Fehler mache.
Russland schloss sehr früh die Grenze zu China. Ab Mitte März wurde ein Grossteil der Veranstaltungen abgesagt, Universitäten, Theater und Museen blieben geschlossen.
In Moskau, der klar am schlimmsten betroffenen Region, gelten seit Anfang April strenge Ausgangsbeschränkungen. Wer Arbeiten geht, braucht beispielsweise eine Bewilligung.
Präsident Putin rief Ende März eine arbeitsfreie Woche aus. Das Problem: Viele Russen verreisten daraufhin in ihre Datschas, die Ferienhäuschen. Nur drei Tage später, am 2. April, verlängerte Putin die arbeitsfreie Zeit bis am 30. April. Am 28. April wurde diese erneut verlängert. Aktuell gilt sie bis am 11. Mai. Lohn wird in dieser Zeit normal ausbezahlt, so die Anordnung. Aber ist das umsetzbar?
Verbreitet sind nun Hilferufe verzweifelter Bürger und Unternehmer zu hören, Putin möge seine «Schatztruhe» öffnen. Russland gehört zu den Ländern mit den grössten Geld- und Goldreserven der Welt. Aber eine staatliche Unterstützung lässt in Russland weiter auf sich warten.
Der Oppositionspolitiker Alexej Nawalny legte seinen Plan «Fünf Schritte für Russland – Zur Rettung der Bürger und Wirtschaft» vor. Er forderte etwa 20'000 Rubel (rund 242 Euro) Soforthilfe je Bürger. In sozialen Netzwerken wimmelt es von Posts verzweifelter Menschen, die nicht wissen, wie sie über die Runden kommen sollen. Vielerorts gibt es Hilfspakete, ein Gouverneur bot nun Ferkel und Kartoffeln an.
Doch den Vorschlag Nawalnys wies der Kreml als populistisch zurück. Zentralbank-Chefin Elwira Nabiullina warnte, solche Zahlungen führten zur «Explosion der Inflation». Sie ist vor allem damit beschäftigt, nach dem Ölpreiscrash den Rubel vor dem Fall ins Bodenlose zu retten. Russlands Währung richtet sich am Ölpreis aus und verlor deshalb massiv an Wert gegenüber dem Dollar und Euro. Die Bank schüttete dann Milliarden Devisen auf den Markt, um den Rubel zu stützen.
Zuletzt machten erschütternde Nachrichten die Runde: Innert zehn Tagen sind drei Ärzte aus Fenstern gestürzt. Die Fälle geben Rätsel auf. Von einigen Seiten wird aber vermutet, die Todesfälle könnten damit zusammenhängen, dass sich die Ärzte zu kritisch über die Corona-Bekämpfung in Russland äusserten.
In Moskau wird aktuell an provisorischen Spitälern gebaut. Eine Not-Klinik mit 4000 Betten werde auf dem riesigen Ausstellungsgelände WDNCh entstehen, sagte Moskaus Vize-Bürgermeister Petr Birjukow am Montag der Staatsagentur Tass zufolge.
«Wir werden die Arbeiten in ungefähr 20 Tagen abschliessen.» Rund 2000 Arbeiter seien rund um die Uhr im Einsatz. Birjukow zufolge bereitet die Millionenstadt derzeit an 44 Stellen neue provisorische Kliniken mit insgesamt 10'000 Betten vor.
Das Gesundheitswesen läuft seit Wochen am Anschlag. Dabei schickte Russland noch Mitte März Ärzte, Beatmungsmaschinen und Desinfektionsmaterial nach Italien. Es war ein gelungener Coup.
Doch schon damals – und jetzt noch viel mehr – fragt man sich: Wie gut ist Russland selbst gerüstet? Die Antwort dürfte Putin kaum erfreuen.
Zuletzt häuften sich Berichte über Ärzte und medizinisches Personal, die kaum Schutzausrüstung haben – und bisweilen an Covid-19 sterben.
Das alles passt nicht in das von den Staatsmedien gezeichnete Bild, dass Russland alles im Griff habe. In einer Videobotschaft zum Osterfest zeigte sich Putin vor einem Kamin bei Kuchen und Tee – mit dem Standardsatz: «Alles wird gut.» Doch viele Russen fragen sich, in welcher Welt ihr Präsident lebe.
(mit Material der sda)
Putin könnte mit seinem Privatvermögen halb Russland ein ganzes Jahr ernähren und es wäre immer noch genug übrig. Aber er bezahlt lieber seine willigen Helfer um noch reicher zu werden und um sein Volk noch mehr zu unterdrücken.
Russland, wach auf! Du wirst betrogen!