International
Coronavirus

«Ich bedauere nichts»: Der bizarre Auftritt von Dominic Cummings

Dominic Cummings, senior aide to Prime Minister Boris Johnson, makes a statement inside 10 Downing Street, London, Monday May 25, 2020, over allegations he breached coronavirus lockdown restrictions.  ...
Dominic Cummings am Montag im Rosengarten an der Downing Street 10.Bild: AP

«Ich bedauere nichts»: Der bizarre Auftritt von Dominic Cummings

25.05.2020, 20:2225.05.2020, 20:25
silvia kusidlo, christoph meyer / dpa
Mehr «International»

Bizarrer Auftritt in der Downing Street: Der britische Regierungsberater Dominic Cummings lehnt trotz der massiven Kritik an seiner Reise zu Verwandten in der Corona-Krise seinen Rücktritt ab. «Ich habe nicht angeboten, zurückzutreten. Ich habe das nicht in Erwägung gezogen», sagte Cummings am Montag im Rosengarten des Regierungssitzes in London. «Ich bedaure nicht, was ich getan habe.» Ihm war vorgeworfen worden, gegen Ausgangsbeschränkungen verstossen und somit andere Menschen gefährdet zu haben.

Cummings ist der zweitmächtigste Mann nach Premierminister Boris Johnson in London. Der 48-Jährige gilt als hochintelligenter Wahlkampfstratege, aber auch als unberechenbar. Er begann seinen Auftritt mit etwa halbstündiger Verspätung, erschien mit hochgekrempelten Hemdsärmeln und rief Journalisten ein lockeres «Hi there!» (etwa: Hallo) zu. Ein Auftritt im Rosengarten gilt als äusserst ungewöhnlich. Es war damit gerechnet worden, dass er zurücktritt.

Er habe nur einmal Ende März seine Eltern mit seiner Familie besucht, sagte der Strippenzieher in der Downing Street. Britische Zeitungen hatten hingegen berichtet, dass Cummings mehrfach während der Pandemie von London ins rund 430 Kilometer entfernte Durham zu seinen Verwandten gefahren war. Er habe den Umständen entsprechend «vernünftig und angemessen» gehandelt, sagte Cummings.

>>> Hier geht es zum Liveticker

Der Berater hatte als Grund für eine Reise Ende März zu seinen Eltern angegeben, er habe keine andere Möglichkeit gehabt, die Betreuung seines vierjährigen Sohnes sicherzustellen. Er habe für die Betreuung sorgen wollen, weil seine Frau an Covid-19 erkrankt gewesen sei und er selbst mit einer Ansteckung habe rechnen müssen. Er sprach von einer «komplizierten Situation». Johnson habe er erst später darüber informiert. Am 13. April sei die Familie wieder in London gewesen.

Cummings räumte auch ein, von Durnham aus mit seiner Frau am Ostersonntag zum etwa 50 Kilometer entfernten Schloss Barnard mit dem Auto gefahren zu sein - aber nur, um sein Augenlicht nach der Erholung von seiner Infektion zu testen. Er habe die Sehenswürdigkeit nicht besichtigt. Britische Medien hatten zuvor berichtet, dass ein Augenzeuge Cummings am Schloss gesehen und ihn angezeigt habe. Mehr Besuche habe es nicht gegeben, so Cummings. Britische Zeitungen hatten noch von einem weiteren Aufenthalt in Durham berichtet.

Cummings' Auftritt werteten viele Kritiker als überheblich und selbstherrlich, während vor allem Regierungsmitglieder lobten, dass er nun Klarheit im Ablauf der Geschehnisse gebracht habe.

Johnson stellt sich hinter Cummings

Johnson hatte sich zwar noch am Sonntag hinter seinen Berater gestellt, war dadurch aber selbst massiv in die Kritik geraten. Etwa 20 Parlamentarier seiner Konservativen Partei, die Opposition, Geistliche, Ärzte und andere Kritiker hatten den Rücktritt von Cummings gefordert. Sie fürchteten, er könnte das Vertrauen in die Regierung irreparabel beschädigt haben. Die Kritiker warnten auch vor einem Anstieg der Infektionen, weil Schutzmassnahmen angesichts solcher Vorkommnisse nicht mehr ernst genommen werden könnten. Grossbritannien hat die meisten Corona-Todesfälle in Europa.

Cummings sei «den Instinkten eines jeden Vaters gefolgt», sagte Johnson am Sonntag. Dafür könne er ihn nicht an den Pranger stellen. Nach den Worten Johnsons hat sein Chefberater «in jeder Hinsicht verantwortlich, legal und mit Integrität» gehandelt. Nach den Richtlinien der Regierung waren damals Reisen nur aus zwingenden Gründen erlaubt. Der ehemalige Polizeichef der Grafschaft Durham, Mike Barton, hatte dem Sender BBC gesagt: «Lasst uns nicht um den heissen Brei reden, er hat die Regeln gebrochen, das ist sehr klar.»

epa08436397 Britain's Prime Minister Boris Johnson takes part in the 'Clap For Our Carers' initiative in support of the National Health Service (NHS) in Downing Street in London, Britai ...
Boris Johnson: «Cummings folgte den Instinkten eines jeden Vaters.»Bild: EPA

In Johnsons eigener Konservativen Partei war der Rückhalt für Cummings gebröckelt. Der frühere Staatssekretär Paul Maynard nannte das Verhalten des Chefberaters «völlig unhaltbar». Der Abgeordnete David Warburton sagte der BBC am Montag, Cummings «schädigt die Regierung und das Land». Kirchenvertreter griffen direkt Johnson an: Der Premierminister behandle die Menschen «wie Trottel» und «ohne Respekt», twitterte der Bischof von Leeds, Nicholas Baines.

Erst Anfang Mai hatte der renommierte Wissenschaftler Neil Ferguson vom Imperial College seinen Posten als Regierungsberater aufgeben müssen, weil er während des Lockdowns Besuch von seiner Freundin erhielt. Auch die oberste medizinische Beraterin der schottischen Regierung, Catherine Calderwood, hatte sich über die eigenen Regeln hinweggesetzt und deswegen ihren Hut nehmen müssen. (sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Anti-Lockdown-Proteste in Spanien
1 / 9
Anti-Lockdown-Proteste in Spanien
Tausende Spanier folgten am Samstag dem Aufruf der rechtspopulistischen Partei Vox, gegen die strengen Pandemie-Regelungen zu protestieren.
quelle: ap / manu fernandez
Auf Facebook teilenAuf X teilen
So wirkt sich eine Maske auf die Verbreitung von Viren aus
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
13 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
michiOW
25.05.2020 20:55registriert Juli 2016
Alle sind gleich, aber Einige sind gleicher.
15510
Melden
Zum Kommentar
avatar
ChiliForever
25.05.2020 21:40registriert November 2016
Bestätigt die Theorie der Wissenschaftler, dass Corona nicht nur die Lunge befällt...
1508
Melden
Zum Kommentar
avatar
Pinkerton
25.05.2020 21:58registriert Februar 2019
Nur weil man Regeln für andere aufstellt, heisst das noch lange nicht, dass man sich auch selber daran halten muss. Gilt immer und überall.
1073
Melden
Zum Kommentar
13
Erste deutsche Stadt verbietet E-Trottis
Die deutsche Stadt Gelsenkirchen räumt auf: Schon am kommenden Wochenende verschwinden alle Leih-E-Scooter aus dem Stadtbild. Was bedeutet das für die Nutzerinnen und Nutzer?

Ab dem kommenden Wochenende dürfen in Gelsenkirchen keine Leih-E-Scooter mehr auf Strassen und Gehwegen fahren. Die Stadt verhängte das Verbot nach einem Streit mit den E-Scooter-Anbietern Bolt und Tier. Beide Anbieter klagten gegen das Verbot. Nun hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschieden: Das Verbot ist rechtens.

Zur Story