Was für eine Art Abkommen will das Vereinigte Königreich?
Premier Boris Johnson sagte gestern, dass er einen Vertrag nach dem Vorbild des Handelsabkommens mit Kanada anstrebe. Dieses sieht einen Abbau von Zöllen und Mengenbeschränkungen vor, jedoch keine institutionelle Anbindung. Zusätzlich will Johnson eine Reihe sektorieller Abkommen. Falls das nicht möglich ist, würde er auch eine Partnerschaft nach dem Australien-Model anstreben, so Johnson. Australien hat einen losen Rahmenvertrag mit der EU, der den Handel im Wesentlichen nach den Regeln der Welthandelsorganisation WTO regelt.
Was sind die roten Linien?
Boris Johnson hat versprochen, dass er das Vereinigte Königreich aus dem Binnenmarkt und der Zollunion führt. Deshalb will er unter keinen Umständen weiterhin EU-Regeln übernehmen. Eine fortdauernde Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes lehnt er strikt ab. Was zudem klar ist: Das Vereinigte Königreich wird die Personenfreizügigkeit beenden.
Was ist die Verhandlungsstrategie?
Vollkontakt. Johnson machte gestern deutlich, dass er im Notfall die Verhandlungen abbrechen werde. Auch werden die Briten ihre Stellung als führende Militärmacht in Europa sowie den Zugang zu ihren fischreichen Gewässern in die Waagschale werfen.
Wo zeichnen sich Kompromisse ab?
Das Vereinigte Königreich ist eine Importwirtschaft und eng mit dem Kontinent verflochten. Grenzkontrollen und Hindernisse beim Warenverkehr kann es sich kaum leisten. Eine Angleichung bei den EU-Produktestandards ist wahrscheinlich.
Wo sind die Schwachstellen?
Johnson will die britischen Fischbestände als Hebel nutzen, um die EU andernorts zu Konzessionen zu bewegen. Doch die britische Fischindustrie exportiert einen Grossteil ihrer Produktion nach Europa. Ausserdem: Im Rahmen des Austrittsabkommens unterzeichnete Johnson eine Erklärung, wo er sich zu gleich langen Spiessen und fairem Wettbewerb bekannte.
Was für eine Art Abkommen will die EU?
Die Europäische Union bietet dem Vereinigten Königreich ein weitreichendes Partnerschaftsabkommen an. Es beinhaltet einen institutionellen Überbau, ähnlich dem ausgehandelten Rahmenabkommen mit der Schweiz. Dazu gehören Streitschlichtung und Rechtsangleichung. Es gilt der Grundsatz: Je näher UK an EU-Regeln und Standards bleibt, desto grösser der Zugang zum Binnenmarkt.
Was sind die roten Linien?
Die gleich langen Spiesse. Die EU will nicht dulden, dass vor ihrer Türe ein Steuerparadies entsteht und das Vereinigte Königreich mit einer deregulierten Wirtschaft den EU-Markt mit Billigprodukten flutet. Das Ziel sei «fairer und offener Wettbewerb», so EU-Chefverhandler Michel Barnier. Wo EU-Recht tangiert wird, soll der Europäische Gerichtshof in Luxemburg zuständig sein.
Was ist die Verhandlungsstrategie?
Zeitdruck. Wie schon bei den Verhandlungen über das Austrittsabkommen droht dem Vereinigten Königreich nach Ablauf der Übergangsfrist Ende 2020 ein «No-Deal», ein vertragsloser Zustand. Beobachter sind sich einig, dass die britische Wirtschaft stärker leiden würde als jene der Rest- EU.
Wo zeichnen sich Kompromisse ab?
Chefverhandler Barnier sagt, dass Ende 2020 nicht alles fertig verhandelt sein muss. Im Kern könnte ein Freihandelsvertrag stehen, der den grössten Teil des Güterhandels abdeckt sowie Zölle und Mengenbeschränkungen senkt. Die Finanzdienstleistungen könnte man über eine Gleichwertigkeitsanerkennung regeln. Unverzichtbare Voraussetzung dafür ist ein Fischereiabkommen, das den Zugang zu britischen Gewässern garantiert.
Wo sind die Schwachstellen?
Die EU muss die Interessen von 27 verschiedenen Mitgliedsstaaten bündeln. Während Frankreich der Zugang seiner Fischer zu den britischen Gewässern am wichtigsten ist, sorgt sich Deutschland um seine Exportindustrie. Anderen Ländern etwa in Ost- und Zentraleuropa ist der Zugang seiner Bürger zum britischen Arbeitsmarkt wichtig. London wird versuchen, die EU hier auseinanderzutreiben. (mim/aargauerzeitung.ch)
Mal schauen ob die EU mit einem so grossen Land gleich verhandelt wie mit der Schweiz. Müssten sie eigentlich, wenn sie uns gegenüber nicht in Erklärungsnot geraten wollen. Und wenn die EU gegenüber den Briten standhaft bleiben, ist klar welche zwei Möglichkeiten wir dann haben. Friss oder stirb!