Die 27-jährige Aizada Kanatbekova ist in Bischkek, Kirgistans Hauptstadt, auf dem Weg zur Arbeit, als sie von drei Männern überfallen wird. Sie wehrt sich, versucht zu flüchten, hat aber keine Chance. Währenddessen spaziert in unmittelbarer Nähe eine Person über den Fussgängerstreifen, ein Auto hält an um sie passieren zu lassen. Die Person geht seelenruhig weiter, das Auto fährt fort – wenn auch erst mit verlangsamten Tempo.
Wenige Meter weiter steigt ein Mann, scheinbar am Telefon, in ein Taxi und schliesst die Tür. Einer der Entführer stürmt auf das Taxi zu, wohl in der Vermutung, dass der Mann die Polizei rufe – doch auch dieser wirkt eher unbeteiligt.
Zwei Tage später, am 7. April, wird die Frau schliesslich erwürgt aufgefunden, berichtet Reuters. In einem Auto in einem ländlichen Gebiet wurde sie zurückgelassen. Neben ihr der mutmassliche Mörder, der an Schnittwunden gestorben ist, die er sich wohl selbst zugefügt hat.
Gefunden wurde das Auto aber nicht etwa von der Polizei, sondern von einem Hirten, wie kirgisische Medien berichten. Dem Hirten sei das Auto schon am Tage zuvor aufgefallen, allerdings sei er einfach davon ausgegangen, dass dieses im Schlamm steckengeblieben sei. Erst zwei Tage später, als er sich dem Auto annäherte, hätte er die zwei Leichen entdeckt und die Polizei alarmiert.
Der Fall sorgt Empörung in Kirgistan: Die Entführung war auf Video aufgezeichnet, die Nummernschilder klar erkennbar – die Polizei hat versagt. Etwa 500 Menschen fanden sich heute vor dem Regierungssitz in Bischek zusammen, um zu protestierten. «Schande» riefen sie und forderten den Rücktritt hochrangiger Beamter.
In pictures: Hundreds of people rally in front of Kyrgyzstan's Interior Ministry demanding police chiefs be sacked after young woman abducted for marriage was found dead pic.twitter.com/Ac8h9wyrLB
— TRT World Now (@TRTWorldNow) April 8, 2021
Ministerpräsident Ulugbek Maripov versuchte die Menge zu beschwichtigen und bat sie um mehr Zeit, den Fall zu untersuchen, so Reuters. Zudem verurteilte er den in Kirgistan noch immer praktizierte Brauch des «Ala Kachuu» (übersetzt: nehmen und flüchten), des Braut-Raubes.
Immer wieder werden Frauen von Männern entführt, in dessen Haus gebracht und dort gezwungen, auf eine Heirat einzuwilligen. Der Ursprung dieses Brauches, sowie die Praxis an sich, sind stark umstritten. Seit 2013 ist «Ala Kachuu» in Kirgistan per Gesetz verboten, dennoch ist die Praxis noch immer weit verbreitet.
Im Rahmen einer Untersuchung von 2015 gaben 14 Prozent der befragten kirgisischen Frauen an, vor der Heirat entführt worden zu sein. In zwei Dritteln dieser Fälle sei der Brauch einvernehmlich durchgeführt worden und das Paar habe sich schon gekannt, bei einem Drittel wurde die Frau gegen ihren Willen entführt und verheiratet. Anderen Berichten zufolge sei sogar jede fünfte Familie das Resultat von «Ala Kachuu».
However you look at it abduction is a crime, ignoring it makes you complicit. Women in #Kyrgyzstan are frightened, families are frightened. Such a tragic story for all parties involved: Aizada & her family the perpetrator & his family, Kyrgyzstan. Let this end #BrideKidnapping. pic.twitter.com/RBuX3scnzx
— Veronique Garrett (@Veronique8802) April 8, 2021
Trotzdem werden die Entführer selten angeklagt – einerseits weil viele Kirgisen den Brauch noch für gewöhnlich halten, andererseits weil Betroffene die Vorfälle aus Scham nicht melden. Nach dem Mord an Aizada Kanatbekova wird das Ende des Braut-Raubes nun mit neuer Vehemenz gefordert.
seit 2013 !!! Was zur Hölle...
Die Gebote des Herrn sind noch nicht bei den Heiden in Kirgisien angekommen.
„Wenn du in einen Krieg ziehst gegen deine Feinde und der HERR, dein Gott, gibt sie dir in deine Hände, dass du Gefangene von ihnen wegführst, und siehst unter den Gefangenen ein schönes Weib und hast Lust zu ihr, dass du sie zur Frau nimmst,......“ (5.Mose21.10-13)