Die erlösende Botschaft kam kurz nach 20 Uhr am Sonntagabend, oder etwas weniger als 28 Stunden vor dem Ablauf der letzten Frist: Donald Trump setzte in seinem pompösen Club Mar-a-Lago in Palm Beach (Florida) seine schwunghafte Unterschrift unter das Coronahilfspaket und genehmigte damit die Auszahlung von mehr als 900 Milliarden Dollar an arbeitslose Amerikaner und notleidende Branchen, wie das Weisse Haus mitteilte – obwohl der Präsident doch noch wenige Stunden zuvor eine massive Nachbesserung des Gesetzes gefordert hatte.
Auch genehmigte der Präsident eine ganze Reihe von Ausgabenbeschlüssen, damit der Betrieb der Bundesregierung bis am 30. September aufrechterhalten werden kann.
Damit wird es in der Nacht auf den Dienstag nicht, wie noch am Wochenende befürchtet, zu einer Schliessung der Amtsstuben in Washington kommen. Und Demokraten und Republikaner, die das insgesamt 2300 Milliarden Dollar teure Gesetzespaket kurz vor Weihnachten ausgehandelt hatten, fiel ein Stein vom Herzen.
#new President Trump’s decision to sign the combination #COVID relief/government spending plan averts a government #shutdown tomorrow night.
— Kevin Corke (@kevincorke) December 28, 2020
The President’s decision to sign the bill means the government is now funded through September 30, 2021. pic.twitter.com/AZ0kGn1rZs
Trump verkaufte dieses Einknicken in letzter Sekunde als einen Erfolg. In einer länglichen Stellungnahme schrieb er, Repräsentantenhaus und Senat würden nun in einem nächsten Schritt über die Aufstockung der Direktzahlungen an alle erwachsenen Amerikaner von je 600 Dollar auf je 2000 Dollar abstimmen.
Trump fordert diese Aufstockung, obwohl sein eigener Finanzminister Steven Mnuchin in den schwierigen Verhandlungen mit dem Parlament auf 600 Dollar gepocht hatte – gegen den Widerstand der Demokraten, denen dies zu wenig war, und gegen den Widerstand der Republikaner, die der Meinung waren, der Steuerzahler müsse nicht jedem Amerikaner unter die Arme greifen.
Trump will das nationale Parlament zudem dazu zwingen, angeblich verschwenderische Budgetposten nachträglich zu streichen. «Zeile für Zeile» wolle er die Ausgabenbeschlüsse durchkämen und ans Repräsentantenhaus und den Senat zurückschicken, schrieb Trump. Das ist gesetzlich zwar möglich, wenn auch höchst ungewöhnlich, beruht das Budget doch auf Vorschlägen des Weissen Hauses.
Etwa gleich unwahrscheinlich ist es, dass Repräsentantenhaus und Senat Ermittlungen wegen Betrügereien in der November-Wahl aufnehmen werden. Trump behauptete in seiner Stellungnahme, er habe entsprechende Zusagen aus dem Repräsentantenhaus und dem Senat bekommen. «Die Wahlfälschungen», also der legitime Sieg des Demokraten Joe Biden in der Präsidentenwahl, «müssen beseitigt werden!», schrieb der amerikanische Präsident.
Schwer vorstellbar, dass Trump in beiden Kammern eine ausreichend grosse Zahl von Abgeordneten von seinen Ideen überzeugen kann. Demokraten haben zwar in der Coronakrise ein Interesse an höheren Direktzahlungen signalisiert — aber ihr Hauptziel scheint es derzeit zu sein, die Republikaner blosszustellen, stehen doch anfangs Januar im Bundesstaat Georgia entscheidende Stichwahlen für zwei Sitze im Senat an.
For everyone wondering about Trump's rescissions, they are DOA. @AppropsDems
— Evan Hollander (@evandhollander) December 28, 2020
Chairwoman @NitaLowey: "The House Appropriations Committee has jurisdiction over rescissions, and our Democratic Majority will reject any rescissions submitted by President Trump."
Die Republikaner wiederum können die Kritik Trumps an verschwenderischen Ausgabenposten nachvollziehen. So finden auch konservative Parlamentarier es fragwürdig, dass die amerikanische Regierung 134 Millionen Dollar an die autokratische Herrscherin von Myanmar überweist, oder 25 Millionen Dollar ausgibt, um asiatische Karpfen aus den Grossen Seen zu vertreiben. Aber die Budgetposten sind letztlich zu klein, um den Parlamentsbetrieb lahmzulegen. Auch stösst es selbst Republikanern zunehmend sauer auf, dass Trump ständig querschiesst.
Und genau das ist der Hauptfehler, den Trump in seinem neuesten und wohl letzten Machtkampf mit dem Kongress beging. Er vermischte unwichtiges mit wichtigem, und vergass dabei, dass er kein Druckmittel mehr besitzt – weil er im Gegensatz zu den meisten Abgeordneten schon bald, am 20. Januar, sein Amt abgegeben muss. Der Sumpf von Washington, den Trump doch austrocknen wollte, erwies sich dabei als stärker als der unorthodoxe Präsident.