Zu den Siegern der Kongresswahlen in den USA gehören die Prognostiker. Vor zwei Jahren hatten sie sich bei der Präsidentschaftswahl kräftig blamiert. Nun haben sie ins Schwarze getroffen: Die Demokraten haben die Mehrheit im Repräsentantenhaus errungen. Sie können Präsident Trump nun kräftig einheizen. Die Mehrheit im Senat aber war wie erwartet ausser Reichweite.
Mehr noch: Die Republikaner haben einige Mandate hinzugewonnen. Bei den Senats- und Gouverneurswahlen haben sie besser abgeschnitten als erwartet. Einige hoch gehandelte Demokraten sind hingegen abgestürzt. Das verleiht ihrem Erfolg in der Abgeordnetenkammer einen bitteren Nachgeschmack. Was ist davon zu halten?
Die Demokraten haben ihre Sitzgewinne im Repräsentantenhaus primär den Agglomerationen zu verdanken. Dort ist der Unmut über Präsident Donald Trump besonders gross, vor allem bei den Frauen (den ominösen Soccer Moms). Die Polarisierung in den USA hat sich nun auch zwischen urbanen und ländlichen Regionen verstärkt.
Bei den Senats- und Gouverneurswahlen, die auf staatlicher Ebene stattfinden, haben die Republikaner hingegen einige teilweise unerwartete Erfolge errungen. Sie haben ihre Mehrheit im Senat sogar ausgebaut. Es gelang ihnen, ihre Anhänger besser zu mobilisieren, als die Demoskopen erwartet und errechnet haben.
Spätestens seit Bill Clintons erfolgreicher Kampagne 1992 weiss man, wie wichtig die Wirtschaft für den Wahlausgang ist. Das hat den Republikanern geholfen, denn viele Amerikaner sind zufrieden mit ihrer persönlichen Einkommens- und Jobsituation. Davon profitiert in der Regel die Regierungspartei.
Donald Trump hat sich so stark wie kein Präsident zuvor in den Midterms engagiert. Seine Kampagne baute auf Angst und Hass. Das hat ihm in den Suburbs geschadet, aber insgesamt gelang es ihm erneut, die weissen Wutbürger zu mobilisieren. Das hat den Republikanern einige Erfolge beschert. Auch der Streit um Brett Kavanaugh, den neuen Richter am Supreme Court, scheint ihnen geholfen zu haben.
Besonders bitter für die Demokraten ist das Scheitern einiger Hoffnungsträger. Die Niederlage von Beto O'Rourke gegen dem republikanischen Senator Ted Cruz in Texas kommt nicht unerwartet, und er hat ein starkes Ergebnis erzielt. Weniger erwartet kam der Misserfolg des schwarzen Gouverneurskandidaten Andrew Gillum in Florida. Auch in Georgia muss die schwarze Bewerberin Stacey Abrams hart kämpfen. Das Rennen ist noch offen.
Noch nie haben so viele Frauen für einen Sitz im Kongress kandidiert. Das hat sich ausgezahlt. Im Repräsentantenhaus dürften erstmals mehr als 100 Frauen vertreten sein. Darunter befinden sich einige bemerkenswerte Premieren: Je zwei Muslimas und Ureinwohnerinnen werden für die Demokraten im Abgeordnetenhaus Einsitz nehmen.
Die tiefe Spaltung der USA zeigt sich nun auch im Kongress, mit unterschiedlichen Mehrheiten in den beiden Kammern. Es droht eine neue Blockade in Washington. Mittel- bis langfristig sind die Aussichten für die Demokraten verheissungsvoll, nicht zuletzt wegen der sich wandelnden Demografie. Aber einmal mehr hat sich gezeigt: Man darf die Republikaner nie unterschätzen.