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«Anne Will» mit Esken und Walter-Borjans – «Die Groko ist fertig»

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«Die Groko ist fertig» – was Esken und Walter-Borjans für die SPD bedeuten

Führen Esken und Walter-Borjans die SPD schnurstracks aus der Groko? Und was qualifiziert sie eigentlich für den Job? Eins ist nach «Anne Will» klar: Für Olaf Scholz ist der Albtraum wohl noch nicht vorbei. 
02.12.2019, 03:2902.12.2019, 09:37
Nina Jerzy / t-online
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t-online

Die Gäste

  • Saskia Esken (SPD), Bundestagsabgeordnete, designierte SPD-Vorsitzende
  • Norbert Walter-Borjans (SPD), ehemaliger NRW-Finanzminister, designierter SPD-Vorsitzender
  • Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und stellvertretender Parteivorsitzender
  • Katja Kipping (Die Linke), Parteivorsitzende
  • Christoph Schwennicke, Chefredakteur des "Cicero"
  • Ursula Münch, Politikwissenschaftlerin
Die Gäste bei «Anne Will» zur neuen SPD-Spitze.
Die Gäste bei «Anne Will» zur neuen SPD-Spitze. screenshot: youtube/Kiều Mạnh Vlogs

Die Positionen

Ja, ist denn schon Bescherung? Die SPD-Basis hat mit dem knappen Votum gegen das Favoritenduo Olaf Scholz und Klara Geywitz die grosse Koalition näher an den Abgrund geschnipst. Will sprach von einem «gedemütigten» Finanzminister. «Das ist kein Ergebnis, mit dem der Vizekanzler und Frau Geywitz beschädigt nach Hause gehen müssen», entgegnete hingegen Esken. Walter-Borjans sprach von «freundschaftlichen» Signalen der Gegenseite und sah sich durch das knappe Wahlergebnis nicht geschwächt: «Ich glaube, dass das eine ausreichende Grösse ist, um klarzumachen, was die Mitglieder wollen» – eben, sich nicht länger die Marschrichtung diktieren zu lassen. Allerdings meinte er auch: «Ich bin nicht jemand, der sagt: Alles, was diese grosse Koalition gemacht hat, ist falsch. Es gibt grosse Erfolge.»

Laschet übte sich anfangs in politischer Willkommenskultur und betonte, das Urteil der SPD-Mitglieder müsse respektiert werden. Dann aber ging es zwischen ihm und dem SPD-Duo immer wieder scharf zur Sache. Denn die Beiden wollen zur Halbzeit den Koalitionsvertrag nachverhandeln. Der CDU-Ministerpräsident wetterte: «Wir können nicht jedes Mal, wenn ein Vorsitzender wechselt, den Koalitionsvertrag neu machen.» «Nicht dass wir jetzt da sind, ist der Anlass», stellte Esken klar.

Die neue SPD-Spitze: Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans.
Die neue SPD-Spitze: Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans.screenshot: youtube/kiều mạnh vlogs

Sie und Walter-Borjans pochten erneut auf die Revisionsklausel im Koalitionsvertrag. Diese Vereinbarung gibt es ihrer Ansicht nach her, die Grundlage der Zusammenarbeit neu zu verhandeln. Das Duo führte vor allem zwei Argumente dafür an, dass sich die Vorgaben der Regierungspolitik in den vergangenen zwei Jahren grundlegend geändert haben, sodass jetzt eine Neuausrichtung nötig ist: die mittlerweile breit geführte Klimadebatte und die schwächer werdende Konjunktur.

Der frühere NRW-Finanzminister unterstrich die Forderung nach mehr Investitionen in Schulen, Strassen, Mobilfunknetze und Planungssicherheit für Kommunen und die Wirtschaft: «Dann muss ich bereit sein, für diese Zukunftsinvestitionen auch Kredite aufzunehmen in den schwächeren Jahren.» Damit ist das Duo auf direktem Konfrontationskurs zur schwarzen Null der Bundesregierung und Finanzminister Scholz. Walter-Borjans scheut die Kollision offenbar nicht. «Ich glaube, dass diese Diskussion auf dem Parteitag eine grosse Rolle spielen wird und dass dieser Punkt zur schwarzen Null einer sein wird, zu dem es eine sehr klare Entscheidung geben wird. Da bin ich sehr sicher», sagte er.

«Diese Bundesregierung wird keine Begeisterung entfachen.»

Im Rest der Runde war die Skepsis gross. «Ein Neuanfang ist das auf jeden Fall», attestierte «Cicero»-Chefredakteur Schwennicke zwar. Er verwies aber darauf, dass ein Neuanfang auch direkt in den (weiteren) Abstieg übergehen kann. So oder so: «Die Groko ist fertig», attestierte Linken-Chefin Kipping. «Diese Bundesregierung wird keine Begeisterung entfachen.» Das sei aber nötig, um ein weiteres Auseinanderdriften der Gesellschaft zu verhindern.

Wie lang könne das noch gehen?, fragte Will zum Ende der Sendung über das Zanken der designierten Koalitionspartner hinweg die Politikwissenschaftlerin Münch. «Nicht mehr lange», entgegnete die ermattet. Esken wusste gar nicht, was die Beiden hatten: «Ich finde, wir vertragen uns eigentlich bestens.»

Die Frage des Abends

Im Grunde interessierte an diesem Abend doch nur eine Frage: Machen Esken und Walter-Borjans ernst? Lassen sie tatsächlich die Grosse Koalition platzen, falls die Union nicht auf ihre Forderungen nach mehr Investitionen und einem neuen Klimapaket eingeht? Beide hatten zuvor deutlich die Muskeln spielen lassen. Bei Anne Will aber übten sich die designierten Parteivorsitzenden im Wegducken.

Immer und immer wieder hakte die Moderatorin nach. Das war Eskens klarste Antwort zur Erwartung an die Union: «Es muss eine Bereitschaft da sein zu reden. Und dann müssen wir sehen, zu welchem Ergebnis wir kommen und anhand dessen müssen wir auch entscheiden, wie es weitergeht.» Walter-Borjans war nicht viel eindeutiger. «Wir verhandeln mit der Idee, das durchzusetzen, was wir einbringen in diese Diskussion», sagte er. «Und davon hängt ab, wie weit wir kommen, ob es mit dieser Konstellation geht oder nicht.» Das entscheide in der ersten Stufe jetzt der Parteitag. «Der wird sagen: Ist das jetzt erkennbar, dass es nicht geht? Oder gibt es an das neue Duo Aufträge, die deutlich machen: Wir haben jetzt an euch andere Erwartungen, als bis jetzt erfüllt worden sind? Wir haben immer gesagt, dass wir eine andere Verhandlungslinie für richtig hielten, als wir sie bislang gesehen haben.»

Die ganze Sendung zum nachschauen.Video: YouTube/Kiều Mạnh Vlogs

Die Retourkutsche des Abends

Sind Esken und Walter-Borjans überhaupt für den Parteivorsitz qualifiziert? Insbesondere die Informatikerin musste sich von Schwennicke und Münch den Vorwurf anhören, dass ihre Erfahrung als ehemalige Vizechefin des Landeselternbeirats sie wohl kaum zur Führung der zerstrittenen SPD befähigt. «Das bedeutet nicht, dass ich nicht in der Lage bin, in diese Situation hineinzuwachsen», konterte sie.«Wenn wir uns grundsätzlich immer nur vorstellen können, dass Menschen Parteien führen oder in Ämter hineingeraten, die die letzten 20 Jahre schon nichts anderes gemacht haben, dann werden wir nie irgendwas verändern.»

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