Dana Nessel, die Justizministerin des Bundesstaates Michigan, nimmt kein Blatt vor den Mund. Im Zusammenhang mit der Verhaftung von sechs Männern, welche die Entführung und Ermordung von Gretchen Whitmer, der Gouverneurin von Michigan, geplant haben, spricht sie von «Anstiftung zu einem Bürgerkrieg».
Eine andere Gruppe von sieben Männern hat derweil geplant, das Kapitol in Lansing, der Hauptstadt von Michigan, zu stürmen. Beide Gruppen sind verhaftet worden.
Gruppen mit Namen wie «Wolverine Watchmen», «Proud Boys» oder «Boogaloo» bezeichnen sich als «Milizen» und sie berufen sich auf den zweiten Zusatz der amerikanischen Verfassung. Darin wird das Recht auf das Tragen von Waffen eines jeden US-Bürgers festgehalten.
Das «Second Amendment» spricht zwar von einer «well regulated militia», die ebenfalls bewaffnet sein dürfe. Doch der oberste amerikanische Gerichtshof hat 2008 in einem vom stockkonservativen Richter Antonin Scalia verfassten Urteil festgehalten, dass das Second Amendment das Verbot von bewaffneten Milizen nicht ausschliesse. Somit ist klar, die Männer, die angeblich «Tyrannen» stürzen wollen, sind weder Helden noch Patrioten. Sie sind feige Terroristen.
Wie gefährlich sind diese Männer? Wirrköpfe gibt es schliesslich überall und immer. Was also soll der Hype um die paar Milizen?
Nun, Christopher Wray, der von Trump eingesetzte FBI-Direktor, erklärte kürzlich, die grösste Gefahr für die Sicherheit der Nation stamme nicht etwa von anarchistischen Gruppen wie der Antifa, sondern von eben diesen Milizen.
Das zeigt auch ein Blick in die Geschichte. Timothy McVeigh, der 1995 bei einem Attentat in Oklahoma City 168 Menschen tötete, war Mitglied einer solchen Miliz. Faschistische Milizen demonstrierten im März 2017 in Charlottesville, oder sie prügeln sich in Portland (Oregon) mit Antifa-Demonstranten.
Die Milizen organisieren sich in den Chatrooms der sozialen Medien. Selbst Facebook und Twitter haben mittlerweile die Gefahr erkannt und erklärt, entschlossen dagegen vorgehen zu wollen.
Die grösste Gefahr droht jedoch aus dem Weissen Haus, von Präsident Donald Trump persönlich. Schon immer hat Trump Sympathien für die Milizen gezeigt und sich schwer damit getan, White Supremacists zu verurteilen. Im Frühsommer hat er bewaffnete Milizen in Michigan gelobt und in einem Tweet gefordert: «Befreit Michigan».
In der Krawall-Debatte mit Joe Biden hat er die «Proud Boys» aufgefordert, sich bereit zu halten. Das war kein Versprecher. Trump befindet sich in einer verzweifelten, ja geradezu hoffnungslosen Lage. Seit er persönlich an Covid-19 erkrankt ist, kann er die Pandemie nicht mehr verleugnen. Stattdessen hat er nach Hydroxychloroquine ein neues Wundermittel entdeckt, von der Pharmafirma Regeneron. Es sei ein «Geschenk Gottes» und er wolle es allen Amerikanern gratis zu Verfügung stellen, verspricht der Präsident.
Doch auch das Mittel von Regeneron kann nicht verhindern, dass Trump sich in seinem Wahlkampf völlig verrannt hat. Er wollte die Antifa zur grossen Gefahr emporstilisieren und die Pandemie verharmlosen. Das ist dumm gelaufen. Oder wie es Edward Luce in den «Financial Times» formuliert:
Tatsächlich befinden sich Trump und die Republikaner in den jüngsten Umfragen geradezu im freien Fall. Das macht ihn gefährlich. In der «Washington Post» warnt Eugene Robinson:
Jetzt schon ist das Verhalten Trumps rational nicht mehr zu erklären. Er kappt die Verhandlungen über die Corona-Nothilfe. Er will bereits morgen wieder Rallys durchführen, obwohl er höchstwahrscheinlich noch Coronaviren in sich trägt. In einem Interview mit Fox Business hat er gefordert, Barack Obama und Hillary Clinton ins Gefängnis zu werfen und Joe Biden von den Wahlen auszuschliessen. Sie hätten gegen ihn spioniert, so die absurde Begründung.
Neuerdings legt sich Trump selbst mit seinen engsten Gefährten an. So beschuldigt er nun Justizminister William Barr und Aussenminister Mike Pompeo, sie würden ihn zu wenig unterstützen. Ausgerechnet Barr und Pompeo, die zu den unterwürfigsten Mitgliedern seines Kabinetts zählen.
Trump scheint mittlerweile zu allem fähig zu sein. Deshalb planen Nancy Pelosi, demokratische Mehrheitsführerin im Abgeordnetenhaus, und ihr Kollege Jamie Raskin, ein Gesetz einzubringen, das eine «effektive Leadership» des Präsidenten ermöglicht. Konkret wollen die beiden das 25. Amendement der Verfassung anrufen. Dieses erlaubt, einen Präsidenten abzusetzen, wenn er nicht mehr in der Lage ist, seine Amtsgeschäfte auszuführen.
Das scheint zwar ein bisschen weit gesprungen zu sein. Doch 2020 ist in den USA alles möglich.
Auf gut Deutsch gesagt: "Wenn sie nicht mehr unseren Interessen dient, wollen wir die Demokratie durch eine autokratische Oligarchie ersetzen." – Das ist die heutige Position nicht (nur) von Trump, sondern von der Republikanischen Partei als Ganzes. Die Republikaner sind mittlerweile tatsächlich die Konföderierten der Jetztzeit.
Bürgerkrieg klingt einfach toll in der headline. Lokale und vereinzelte Auseinandersetzung und Terror ist vorstellbar und eigentlich schrecklich genug.