Donald Trump könnte das Leben als golfender Rentner in Florida geniessen. Stattdessen träumt der vom amerikanischen Wahlvolk aus dem Amt gejagte Ex-Präsident nach wie vor von einer Rückkehr ins Weisse Haus, womöglich schon in wenigen Monaten. Denn Trump ist felsenfest überzeugt, dass ihm der Wahlsieg im letzten November gestohlen wurde.
Er ist gemäss CNN sogar mehr denn je davon besessen und höre nur noch «auf den absoluten Bodensatz in einem Fass voller Durchgeknallter», wie ein ehemaliger Mitarbeiter dem Fernsehsender sagte. Also auf Irrläufer wie die Anwältin Sidney Powell, die ihm einreden, die Frage sei nicht ob, sondern wann er ins Präsidentenamt zurückkehren wird.
Was ist davon zu halten? Wenig bis gar nichts, und das liegt nicht nur daran, dass ihm die New Yorker Justiz im Nacken sitzt. Die Indizien mehren sich, dass das Phänomen Trump seinen Zenit überschritten hat. Den Blog auf seiner Website, den er als Ersatz für den gesperrten Twitter-Account bespielt hat, stellte er diese Woche sang- und klanglos ein.
Von einem eigenen sozialen Netzwerk ist ohnehin keine Rede mehr. Donald Trump fällt es offenbar immer schwerer, die breite Masse zu erreichen. Und auf legalem Weg ist eine Rückkehr ins Weisse Haus vor den nächsten Wahlen 2024 so gut wie unmöglich. Das Ergebnis der letzten Wahl wurde zertifiziert und Joe Biden als neuer Präsident vereidigt.
Devote Trump-Anhänger wie der frühere Sicherheitsberater Michael Flynn fantasieren deshalb über einen Militärputsch nach dem Vorbild von Myanmar. Dafür wäre die Unterstützung hoher Offiziere nötig, und tatsächlich haben sich mehr als 120 pensionierte Generäle und Admiräle in einem offenen Brief hinter Trumps Wahl-Lüge gestellt.
Das US-Militär aber ist in der Regel darum bemüht, sich nicht in die Innenpolitik einzumischen. Als Generalstabschef Mark Milley sich vor einem Jahr für Trumps berüchtigten Bibel-Auftritt vor dem Weissen Haus einspannen liess, entschuldigte er sich dafür in einer Videobotschaft und bekannte sich zu Rechtsstaatlichkeit und Verfassung.
Trump selber setzt seine ganze Hoffnung auf Nachzählungen des Wahlresultats in umkämpften Bundesstaaten. Im Fokus steht Arizona, wo die republikanische Mehrheit im Senat einen Recount im bevölkerungsreichen Maricopa County durchgedrückt hat. Beauftragt wurde die private Firma Cyber Ninjas, die einem Trump-Anhänger gehört.
Ein solcher Vorgang ist ein Armutszeugnis für die amerikanische Demokratie. Befürchtet wird, dass die «Nachzählung» die Wahl-Infrastruktur in Arizona ruiniert. Allzu weit scheinen die Cyber Ninjas nicht gekommen zu sein, obwohl sie sogar nach Bambus in den Wahlzetteln suchen, um einen von China gesteuerten Wahlbetrug zu belegen.
Und selbst wenn das Ergebnis im Maricopa County mit diesem haarsträubenden Manöver «umgedreht» wird, kann es Trump kaum helfen. Er hätte selbst mit Arizona nicht genügend Wahlleute, und spätestens vor dem Obersten Gerichtshof dürfte der Comeback-Traum enden. Er hat schon im letzten Jahr alle Klagen des Trump-Teams abgeschmettert.
Donald Trump wird nicht ins Weisse Haus zurückkehren, aber er bleibt ein beträchtlicher Störfaktor in der amerikanischen Politik. Der Grund sind seine fanatischen Anhänger, die im QAnon-Verschwörungswahn gefangen und von der «Big Lie», dem angeblichen Wahlbetrug, überzeugt sind. Die Republikaner können auf dieses Segment nicht verzichten.
Also tun sie alles, um den Trump-Fanclub bei Laune zu halten. Zum Beispiel beim Sturm auf das Kapitol in Washington am 6. Januar. Obwohl es sich um einen beispiellosen Angriff auf das Zentrum der US-Demokratie handelte, verhinderten die Republikaner letzte Woche mit ihrer Sperrminorität im Senat die Einsetzung einer überparteilichen Untersuchungskommission.
Ihr Anführer Mitch McConnell forderte die Fraktionsmitglieder laut CNN auf, ihm einen «persönlichen Gefallen» zu tun – eine als Bitte verkleidete Drohung. Dabei hatte sich McConnell nach dem Kapitol-Sturm offen gegen Trump gestellt und war von diesem dafür beschimpft worden. Doch McConnell ist ein Meister der zynischen Machtpolitik.
Auch Ex-Vizepräsident Mike Pence, der nach dem überstandenen Angriff die Beglaubigung von Bidens Wahlsieg ordnungsgemäss zu Ende brachte und von Trump-Fans als Verräter attackiert wurde, bemüht sich längst wieder, seine Loyalität zum ehemaligen Chef zu betonen, auch wenn er mit Trump beim Kapitol-Sturm «wohl nie einer Meinung» sein werde.
In dieses Bild passen die Bestrebungen der Republikaner, in den von ihnen beherrschten Bundesstaaten wie Florida oder Texas die Wahlgesetze zu verschärfen und stramme Trump-Gefolgsleute in wichtigen Positionen zu installieren. Damit wollen sie das System zu ihren Gunsten «umpolen» und Anhänger der Demokraten vergraulen.
Für die Partei von Joe Biden ist dies durchaus ein Grund zur Sorge. Es ist fraglich, ob der Supreme Court die neuen Wahlgesetze kassieren wird. Schon bevor Präsident Trump eine rechte 6:3-Mehrheit installieren konnte, hatte das höchste Gericht das bahnbrechende Wahlgesetz von 1965 teilweise für ungültig erklärt und damit die Bundesstaaten gestärkt.
Der «Voting Rights Act» hatte es der Zentralregierung ermöglicht, schikanöse Vorschriften vor allem in den Südstaaten (etwa «Intelligenztests» für Schwarze) aufzuheben. Und ein neues nationales Wahlgesetz ist im Senat blockiert. Die Republikaner könnten mit ihrem Versuch, das Wahlrecht für Angehörige von Minderheiten einzuschränken, durchkommen.
Langfristig sägen sie damit an ihrem eigenen Ast, denn Schwarze und Latinos sind häufig konservativ. Sie lehnen etwa die Homo-Ehe und Abtreibungen ab und wären damit für die Republikaner erreichbar. Donald Trump hat mit seinem Image als Anti-Politiker bei den Wahlen im November ungewöhnlich viele Stimmen von Schwarzen und Latinos erobert.
Kurzfristig aber besteht eine ernsthafte Bedrohung für die Demokratie. Als «sehr gefährlich» bezeichnete der Politologe Francis Fukuyama die Machenschaften der Republikaner. Donald Trump wird das Weisse Haus vielleicht nie mehr von innen zu Gesicht bekommen. Aber der Ungeist, den er entfesselt hat, wird die USA noch lange verfolgen.