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Erfolg der Apple Watch setzt Swatch und Co. weiter zu

epaselect epa04698177 Visitors view Apple Watches on display at the Apple Store of Ginza shopping district in Tokyo, Japan, 10 April 2015. Customers and Apple products fans could try out the new weara ...
Apple hat mit seiner 2015 lancierten Smartwatch die Märkte weltweit erobert. Besonders betroffen ist die Schweizer Uhrenindustrie.Bild: EPA
Analyse

Der Erfolg der Apple Watch setzt Swatch und Co. weiter zu

Die Schweizer Uhrenbranche driftet auseinander: Die Exporte günstiger Zeitmesser sind in der Coronakrise stärker eingebrochen als jene der Luxusuhren.
17.12.2020, 10:2817.12.2020, 10:35
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Schweizer Uhren zählen nebst Schokolade und Käse zu den beliebtesten Exportgütern des Landes. Eine Schweizer Uhr am Handgelenk ist auch in China, dem heute wichtigsten Absatzmarkt für Luxusgüter, längst zum Statussymbol geworden. Faszination lösen im fernen Osten auch die Technik und Geschichte einer mechanischen Uhr aus.

Den Aufstieg teurer Uhren von Marken wie Rolex, Omega oder Cartier zeigt die Exportstatistik des Schweizerischen Uhrenverbands (FH) gut auf: Im Jahr 2019 wurden 1.67 Millionen Uhren zu Exportpreisen von 3000 Franken und mehr das Stück ins Ausland verschifft. Das sind dreieinhalb mal mehr als vor zwanzig Jahren. In Franken lag das Exportvolumen dank stetig steigender Preise mit 14 Milliarden gar viereinhalb mal höher.

Ganz anders sieht die Welt bei den günstigen Schweizer Uhren aus, die zu Exportpreisen von unter 200 Franken in der Statistik geführt werden und mit bis zu 600 Franken das Stück über den Ladentisch gehen. In diesem Segment haben sich die Exportzahlen in den vergangenen knapp zwanzig Jahren auf 11.6 Millionen Uhren beinahe halbiert.

Übermächtige Konkurrenz aus Cupertino

Die Konkurrenz habe im untersten Preissegment zugenommen, erklärt Uhrenverbandspräsident Jean-Daniel Pasche den Einbruch. So sei etwa die Zahl der «Fashion-Uhren» von Modemarken wie Guess, Puma oder Armani stark gewachsen. Und es gebe auch sonst immer mehr billige Uhrenmarken aus Europa und Asien, die Schweizer Herstellern das Leben schwer machen.

Kopfzerbrechen bereitet der Branche auch der Siegeszug von Smartwatches und Fitnesstrackern. Wurde die neue Konkurrenz nach der Lancierung der ersten Apple Watch vor gut fünf Jahren zunächst als Chance verstanden, dass junge Menschen später im Leben auf herkömmliche Uhren umsteigen könnten, graben die Smartwatches nun der Uhrenbranche das Wasser ab.

Nur zwei Jahre nach Lancierung hat der Techriese aus Cupertino die Apple Watch zur weltweit grössten Uhrenmarke ausgerufen. Das stimmt zumindest gemessen an den Stückzahlen. Angaben dazu veröffentlicht Apple nicht, doch laut Schätzungen des Marktforschers Strategy Analytics haben die Kalifornier 2019 gut 30 Millionen Computeruhren verkauft. Das sind weitaus mehr als die insgesamt gut 20 Millionen Schweizer Uhren, die 2019 exportiert wurden.

Smartwatch «made in Switzerland»

Die Uhrenhersteller spüren den Druck aus der Computerwelt. In einer im Sommer publizierten Studie der Beratungsfirma Deloitte sieht mittlerweile gut ein Drittel der befragten Uhrenmanager die Smartwatches als Bedrohung für ihr Geschäft. Und zwei Drittel gaben in der Umfrage unumwunden zu, dass die Schweizer Uhrenbranche den Einstieg ins Geschäft mit Smartwatches verpasst habe.

Smartwatches sowie Uhren mit Fitness- oder anderen Funktionen aus der Schweiz sind noch selten. Swatch versuchte es mit einfachen Sportuhren etwa fürs Beachvolleyball und führte Uhren mit der Bezahlfunktion «Swatch Pay» ein. Einen weiteren Versuch wagt man nun mit der im Herbst lancierten «T-Touch Connect Solar» von Tissot.

Der Vorteil dieser mit einem «Swiss made»-Betriebssystem und Solarzellen ausgerüsteten Uhr ist der sparsame Energieverbrauch. Eine Akkuladung soll bis zu einem halben Jahr halten, während eine Apple Watch spätestens nach zwei Tagen an die Steckdose muss. Dagegen verfügt die Tissot-Uhr lediglich über Basisfunktionen etwa zum Wetter, zur Messung der Höhenmeter oder der Schrittzahl.

In höheren Preisklassen sorgt die zur französischen LVMH-Gruppe zählende Schweizer Uhrenmarke Tag Heuer mit ihrer «Connected»-Uhr für Aufsehen. In diesem Jahr haben die Jurassier bereits die dritte Generation der mit den US-Techriesen Intel und Google entwickelten Uhr auf den Markt gebracht, die nun stark auf Fitnessapplikationen ausgerichtet ist.

Der Abwärtstrend hält an

Innovationen wie jene von Tissot oder Tag Heuer könnten der Branche nach der Coronakrise neues Leben einhauchen. Denn die Zwangsschliessungen der Shops im Frühling und coronabedingte Reisebeschränkungen setzen den Uhrenverkäufern zu. Jean-Daniel Pasche geht davon aus, dass die Uhrenexporte 2020 um einen Viertel in etwa auf das Niveau von vor elf Jahren einbrechen werden.

Gleichzeitig deuten die Monatsstatistiken darauf hin, dass sich die Schere zwischen günstigen und teuren Uhren noch weiter öffnet. Im Einstiegssegment brachen die Exporte nämlich stärker ein als im Luxussegment. Dass sich das Geschäft in China zügig von der Krise erholt, kommt vor allem teuren Marken zugute. Und das unaufhaltsame Wachstum der Apple Watch belastet die günstigen Uhren nach wie vor.

Für den Werkplatz Schweiz sei es wichtig, dass weiterhin günstige Uhren herstellt werden, ist Pasche überzeugt. Das in diesem Bereich aufgebaute Know-how müsse bewahrt werden, auch wenn hohe Produktionskosten und der starke Franken Nachteile seien.

Schlechte Zahlen, weniger Transparenz

Die Aufschlüsselung nach Preisklassen in der Exportstatistik könnte schon bald der Vergangenheit angehören. Medienberichten zufolge drängt die Swatch Group im Verband auf Anpassungen, die in diese Richtung gehen. Swatch selber wies die Gerüchte zurück und liess verlauten, dass die Statistik «moderner» gestaltet werden soll und die Realität besser abbilden müsse.

Im Verband würden Diskussionen darüber geführt, wie die Exportdaten künftig veröffentlicht werden, hält sich FH-Präsident Pasche bedeckt. Ein Entscheid dazu sei erst im nächsten Jahr zu erwarten. Analysten befürchten derweil einen erheblichen Transparenzverlust. Schliesslich können sie aus den Angaben auf Entwicklungen von Marken wie Swatch sowie von Tissot oder Longines aus den mittleren Kategorien schliessen.

Die nächste Exportstatistik zur Entwicklung im Monat November veröffentlicht der Uhrenverband nach «altem» Muster am Donnerstag. Die Jahresstatistik 2020 folgt dann am 28. Januar.

(dsc/sda/awp)

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22 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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bcZcity
17.12.2020 15:03registriert November 2016
Sind wir mal ehrlich. Es gibt wohl 4 Typen von Menschen. Die, welche gar keine Uhr brauchen oder am Handgelenk wollen, dann gibt es Leute, die einfach nur die Zeit/Datum rasch zugänglich haben wollen (Auch da gibt es schon günstige und gute Smartwatches), dann noch die Schmuck- und Edel-Fraktion, für die eine - teure und robuste Uhr - ein Statussymbol oder Wertanlage darstellt, und dann gibt es die Menschen, die einen kleinen Computer am Handgelenk haben wollen, sei es für Sport, Office oder andere Dinge.

Wer kauft sich also noch eine günstige Swatch und co? Die haben den Smart-Anschluss verpasst.
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The_Doctor
17.12.2020 12:55registriert März 2015
Es ist immer dasselbe Resultat, wenn man neue Dinge auf den Begriff Hype reduziert. Das Internet galt auch mal als Hype. Genauso wie das iPhone. Natürlich generieren erfolgreiche Produkte einen Hype. Sonst wären sie nicht erfolgreich. Irgendwann stellt man plötzlich wie im Artikel erwähnt fest, zu spät auf den Zug aufgesprungen zu sein. Die nun folgende Intransparenz dient einzig dazu zu verschleiern, dass sich die Apple Watch nun auch langsam in den Marktanteil der Uhren im mittleren Preissegment hineinfrisst.
Die nächste Industrie mit denselben hohlen Phrasen ist die Autoindustrie.
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