Mit dem E-Voting ist es wie mit dem «Vergraben» von Atommüll: Weltweit wird seit Jahrzehnten daran geforscht, doch eine sichere Methode ist nicht in Sicht.
Doch genau dies wollen uns gewisse Akteure weismachen:
In beiden Fällen handelt es sich um vollmundige Versprechen, die sich erst in der Praxis als wahr oder falsch erweisen werden. Dabei sind Zweifel und Skepsis angebracht:
Im Widerspruch zu den offiziellen Verlautbarungen warnen unabhängige Experten seit Jahren erfolglos vor den Gefahren und Risiken. Doch werden die Kritiker belächelt, angefeindet und als Fortschritts-Verweigerer hingestellt.
Wie etwa der Mann, der half, das nukleare Entsorgungskonzept des Bundes zu entwickeln und es heute ablehnt und die Unabhängigkeit zwischen den Abfallverursachern, der Wissenschaft und dem Gesetzgeber infrage stellt ...
Fakt ist: Beim Atommüll wie beim E-Voting steht unglaublich viel auf dem Spiel, nämlich das Wohlergehen heutiger und zukünftiger Generationen – und das Vertrauen der Bürger in den Staat. Während die hochradioaktiven Abfälle nur ein bestimmtes Gebiet (direkt) betreffen, tangiert die elektronische Stimmabgabe alle Schweizer und das ganze Land.
Bei beiden Problemstellungen gilt: Eine überhastete Umsetzung einer «Lösung» kann im Desaster enden.
Zwar werden die «Leitplanken», nach denen das E-Voting organisiert und der Atommüll vergraben werden soll, vom Bund vorgegeben. Aber: Nur weil ein gewisses Vorgehen oder ein Versuchs-System die gesetzlichen Anforderungen erfüllt, bedeutet dies nicht, dass es sicher ist. Und auch die Zertifizierung durch renommierte Dritte muss nichts heissen.
Dies zeigen die alarmierenden Befunde der kanadischen IT-Sicherheitsforscherin Sarah Jamie Lewis und ihrer Kollegen. Sie haben diese Woche auf eine Sicherheitslücke hingewiesen, die das E-Voting-System grundsätzlich infrage stellt. Das Gravierende sei, dass die Organisatoren selbst hätten Wahlfälschung betreiben können – völlig unbemerkt.
Auch wenn die Beteiligten umgehend beschwichtigten: Es ist ein Super-GAU, und nur eine weitere Hiobsbotschaft, der noch viele weitere folgen dürften, falls der Bund an seinem Vorhaben festhält. Zur Erinnerung: Anfang März hatte der «Tages-Anzeiger» berichtet, dass E-Voting-Abstimmungen gekauft werden könnten, ohne dass die Behörden in der Lage seien, den Tätern auf die Schliche zu kommen.
Nach heutigem Stand besteht ein Dilemma: Kein gewissenhafter Entwickler und Unternehmer kann eine Garantie abgeben. 100-prozentige Sicherheit wird es niemals nur annähernd geben. Höchstens eine Risikobegrenzung. Und trotzdem versprach der Bund in einem Video vollmundig, dass «unbemerkte Manipulationen» in Zukunft «im ganzen Ablauf garantiert ausgeschlossen werden» könnten.
Besonders bitter: Die Bundeskanzlei arbeitet seit 20 Jahren an der Einführung von elektronischen Abstimmungen. Nun stehen die Verantwortlichen vor einem Scherbenhaufen – und das ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als in der Schweiz die Unterschriftensammlung für ein E-Voting-Moratorium anläuft.
Wie eine entsprechende Volksabstimmung derzeit ausfallen würde, ist schwer zu sagen. Hat der Wind gedreht, obwohl sich laut einer Erhebung des Bundes angeblich immer noch eine Mehrheit der Bevölkerung E-Voting wünscht?
Das wachsende Misstrauen vieler Bürger sollte jedenfalls niemanden verwundern: Statt effektiver Kontrollmechanismen dominieren weiterhin PR-Aktionen und mediale «Beruhigungspillen». Den staatlich-privaten Kooperationen mangelt es an Transparenz und kritischer Distanz. Wenn aber das Vertrauen in die Demokratie sinkt, wird es brenzlig.
Mein Fazit: Bei den Plänen des Bundes handelt es sich um unnötige Experimente mit möglicherweise fataler Wirkung. Statt neue Probleme zu schaffen, sollten wir endlich die bestehenden angehen, die keinen Aufschub dulden.