Nein, erfunden hat Apple die kabellosen Kopfhörer nicht. Dennoch ist es vor allem dem US-Konzern zu verdanken, dass die Menschheit nun mit kabellosen Ohrstöpseln herumläuft. Ganz untypisch für Apple waren die AirPods aber gar nicht so ein perfekt designtes Zubehör, wie man sich das von früher gewohnt war. Wir erinnern uns: der Apple-Konzern war weder mit smarten Telefonen, noch mit MP3-Playern oder Tablets der Erste – aber immer waren die Produkte optisch durchdacht und setzten neue Massstäbe. Und die AirPods? Nun ja, im Wesentlichen waren das Earbud-Kopfhörer ohne Kabel.
Samsung hat nun das nachgeholt, was Apple versäumt hat, auch wenn die Südkoreaner ein paar Jahre tüfteln mussten: Die neuen Galaxy Live sind Kopfhörer, bei denen man endlich das Design an die Funktion angepasst hat. Herausgekommen sind zwei kleine Earbuds, die wie Bohnen aussehen. Da kann man drüber lachen. Wer aber kabellose Kopfhörer mag, wird spätestens nach dem ersten Tag mit den Galaxy Live nicht mehr über die Form spotten, sondern sich viel mehr fragen: Wieso gab es das nicht schon viel früher?
Hinweis: Die Kopfhörer wurden uns von Samsung für den Testzeitraum zur Verfügung gestellt. Anschliessend haben wir sie an Samsung retourniert.
Ja, was soll man gross sagen? Die Dinger sehen aus wie Bohnen. Oder Nieren. Man kann's sich aussuchen. Das wirkt im ersten Moment etwas befremdend, denn wir sind uns beim Earbud-Formfaktor natürlich sowas gewohnt wie ...
Über die Bohnen mögen sich die einen oder anderen noch eine Weile lustig machen, aber es dürfte wohl das Referenz-Design für künftige Kopfhörer werden. Und wenn man die Bohnenthematik einmal hinter sich gelassen hat, muss man sagen: Sind doch ganz hübsch. Ob man den glänzenden Bronzeton nun mag oder nicht, ist wohl Geschmacksache. Alternativ gibt es die Bohnen noch in Schwarz und Weiss.
Steckt man sich die Galaxy Live aber das erste Mal ins Ohr, merkt man bereits, dass da was anders ist. Die beiden Bohnen lassen sich mit einem leichten Drücken ins Ohr stecken und halten danach bombenfest. Selbst beim Joggen lockern sich die Lives kaum, was im ersten Moment doch überrascht. So verschwindet dann auch dieses mulmige Angstgefühl nach ein paar Tagen, die Kopfhörer würden einen aus dem Ohr fallen.
Ebenfalls gefällt, dass die Kopfhörer weit weniger auffällig sind, als bisherige Modelle. Die Bohnenform fügt sich richtig gut in die geschwungenen Formen des Ohrs ein und wirkt so schon fast als Teil des Ohrs. Wer sich also bisher wegen der unschönen Fortsätze klassischer kabelloser Kopfhörer geniert hat, könnte hier einen Ausweg gefunden haben.
Die Verbindung mit dem Smartphone erfolgt wie gewohnt über Bluetooth. Dabei muss man nicht mehr irgendeine Taste drücken, um in den Pairingmodus zu kommen: Öffnet man das Case, werden die Kopfhörer sofort von Bluetooth-fähigen Geräten erkannt.
Der Vorteil: Man kann mit der Verbindung nahtlos zwischen Geräten hin- und herwechseln, ohne den Kopplungsmodus einzuschalten. Das funktioniert grundsätzlich aber nur mit Samsung-Geräten, mit denen man mit dem gleichen Samsung-Account angemeldet ist.
Der Nachteil, und darauf weist Samsung selbst hin: Theoretisch kann es in seltenen Fällen dennoch passieren, dass man sich ungewollt mit fremden Handys verbindet. Wer dieses Risiko nicht eingehen möchte, kann die Funktion in der Wearable-App deaktivieren.
Verbunden werden können die Kopfhörer natürlich mit sämtlichen gängigen Geräten, die auf dem Markt sind. Ob iOS, andere Android-Geräte oder Windows-Computer ist dabei egal. Die Wearable-App von Samsung ist dabei nicht erforderlich. Ohne diese kann man allerdings Dinge wie Equalizer oder die Berührungssteuerung nicht anpassen.
Wer seine Galaxy Lives mit zwei Geräten verbinden möchte, guckt leider in die Röhre. Ja, die Kopfhörer verbinden sich problemlos mit einem Handy oder Computer, aber nicht gleichzeitig.
Beim Sound müssen die Galaxy Live Abstriche hinnehmen. Die Höhen und Tiefen meistern die kleinen Earbuds gut, aber eben nicht so gut, dass man sagen kann: Geil, so muss ein Kopfhörer klingen. Freude machen werden die Galaxy Live vor allem Personen, die Wert auf einen guten Bass legen. Insgesamt reicht es dann aber nicht, um die In-Ear-Konkurrenz von Sennheiser oder Sony zu schlagen.
Ganz wichtig: Bei den Galaxy Lives kommt die Musik da an, wo sie soll: in deinem Ohr. Selbst, wenn man direkt neben jemandem sitzt und die Lautstärke ordentlich aufdreht, dringt nichts nach aussen. So muss man dann im Zug auch nicht Angst haben, die Sitznachbarin zu stören.
Die Galaxy Live liefern beim Telefonieren eine klare, störungsfreie Stimme. Selbst in lauteren Umgebungen hört einen die Person am anderen Ende der Leitung damit sehr gut. Anrufen können mit Tippgesten gesteuert werden, was in der Praxis jedes Mal einwandfrei geklappt hat.
Aktive Geräuschunterdrückung ist ja eigentlich eine tolle Sache. Bei Over-Ear-Kopfhörern funktioniert das auch richtig gut. Bei Earbud-Kopfhörern leider eher weniger. Das Problem ist klar: Earbud-Kopfhörer «versiegeln» das Ohr, respektive den Gehörgang nicht, was schon ein erheblicher Nachteil ist. So kommt es dann auch sehr darauf an, wie das Ohr der Trägerin geformt ist. Jemand mit einer etwas kleineren Ohrmuschel kann das ANC daher als besser empfinden, als eine Person mit grösserer.
Zwar lobt Samsung die Geräuschunterdrückung in den allerhöchsten Tönen und unter Laborbedingungen mag das sicher auch stimmen. Aber in der Realität? Nun, es werden durchaus Geräusche herausgefiltert. Aber um wirklich laute Geräuschkulissen herauszufiltern, reicht so eine kleine Bohne schlicht nicht. Hier ist die klassische In-Ear-Bauweise geeigneter, da alleine durch die Stöpselform, die den Gehörgang abdichtet, schon einiges an Aussengeräuschen gedämmt wird.
Samsung verspricht eine Akkulaufzeit für sieben Stunden Musikwiedergabe. Für die relativ kompakte Form ist das eine durchaus beeindruckende Zahl. Allerdings gilt diese Laufzeit nur, wenn man auf Active Noice Cancelling verzichtet. Angesichts der eher mässigen Geräuschunterdrückung ist das aber nicht weiter tragisch.
Im Ausdauertest hat sich gezeigt, dass Samsung nicht zu viel versprochen hat. In unserem Versuch haben die Kopfhörer nach rund sieben Stunden und zwanzig Minuten reklamiert, weil ihnen der Strom ausging. Zieht man noch grosszügig eine halbe Stunde ab, weil man die Musik zwischendurch immer mal wieder für einen Moment pausiert, liegt die Akkulaufzeit also knapp unter sieben Stunden. Zusammen mit dem Case, welches weitere 21 Stunden Akkulaufzeit ermöglicht, kommt man also locker durch den Tag. Leute, die nicht so viel Musik hören, dürften sogar zwei, drei Tage ohne Steckdose auskommen.
Das Problem bei kabellosen In-Ear-Kopfhörern und Earbuds ist häufig, dass sie leider Einwegware sind. Ist der Akku nicht mehr zu gebrauchen, kann man die Kopfhörer entsorgen. Die Galaxy Lives überraschen nun aber mit einer äusserst hohen Reparierbarkeit. Das haben die Experten von iFixit festgestellt, die den Kopfhörern eine ausgezeichnete Bewertung von 8/10 geben.
Natürlich bringt das alles nur etwas, wenn diese Ersatzteile, oder zumindest Ersatzakkus, auch verfügbar sind. Wir haben bei Samsung Schweiz diesbezüglich nachgefragt. Zwar sei es nicht möglich, Ersatzteile selbst nachzukaufen, allerdings würden defekte Teile ausgetauscht. So kann man also theoretisch verlangen, dass der altersschwache Akku ersetzt wird. Die grosse Frage ist natürlich, ob es in ein paar Jahren, wenn die Akkukapazität nachlässt, überhaupt noch Ersatzteile für die Galaxy Lives gibt.
Samsung hat mit den Galaxy Live fast alles richtig gemacht. Klar, an das Design müssen sich einige wohl erst gewöhnen, aber die Bohnenform ist im Moment wohl der sinnvollste Formfaktor für Earbuds. Die Kopfhörer sitzen angenehm und unscheinbar im Ohr und reagieren zuverlässig auf die Gestensteuerung. Der Sound ist gut und dürfte den durchschnittlichen User befriedigen. Nur, wer wirklich Wert auf Audio legt, sollte sich lieber woanders umschauen. Hier sind die Sennheiser Momentum True Wireless 2 noch immer unerreicht – im Klang wie im Preis.
Ein Problem, das Inear-Kopfhörer noch immer haben, konnte auch Samsung nicht lösen: das Active Noice Cancelling. Ja, Geräusche werden etwas gedämmt, aber man muss schon genau hinhören, um einen Unterschied zum deaktivierten ANC zu bemerken. Damit bleibt ANC auch bei den Galaxy Lives vor allem ein Feature, dass nur für die Werbung taugt.
Sein Werbeversprechen kann Samsung dafür bei der Akkulaufzeit halten. Die angepriesenen sieben Stunden Laufzeit werden ganz knapp erreicht, wenn auch ohne aktiviertes ANC. Das mitgelieferte Case sorgt ausserdem für weitere 21 Stunden Strom.
Das beinahe beste Argument für die Galaxy Lives ist aber die hohe Reparierbarkeit. Fast jedes Teil lässt sich dank modularer Bauweise austauschen, womit auch alle Akkus ersetzt werden können. Bleibt nur zu hoffen, dass Samsung die Ersatzteile genug lang anbietet, damit man davon auch profitieren kann.
Die Samsung Galaxy Live sind ab sofort für 199 Franken (UVP) in Mystic White, Mystic Black und Mystic Bronze erhältlich.