«The Witcher 3» ist riesig. Unfassbar riesig. Das mittelalterliche Fantasy-Rollenspiel sei grösser als «Skyrim» und «GTA V» zusammen, behaupten die Entwickler CD Projekt Red. Mit Grösse allein gewinnt das polnische Game aber noch keinen Blumentopf. Entscheidend ist die Geschichte, das Kampfsystem, die Abwechslung. Wer die Karte öffnet, blickt auf eine Landschaft gespickt mit kleinen Ortschaften, Schlössern und mysteriösen Sümpfen, die es zu erkunden gilt. Auf was der Hexer Geralt von Riva dabei allerhand trifft, erzähl ich euch jetzt:
Nachdem ich mich aus dem Startgebiet Weissgarten verabschiedet habe, zieht es mich ins vom Krieg gezeichnete Velen. Mit der kitschig roten Morgensonne im Rücken reite ich auf meinem treuen Gaul Plötze Richtung Burg des Blutigen Barons. Dort erhoffe ich mir Hinweise auf den Verbleib meiner Zieh-Tochter Ciri (mehr dazu in der Infobox).
Ich komme nicht weit, da erhasche ich im Augenwinkel eine Bewegung. Ein nebelumwobenes Wesen streift um eine umgekippte Kutsche herum. Da es meine Aufgabe als Hexer ist, die Welt vor bösen Monstern zu tilgen, zögere ich keinen Moment und stürze mich mit meinem Silberschwert auf das hässliche Ding. Als es mich erblickt, wird es plötzlich unsichtbar und drei Nebelschleier schwirren auf mich zu. Ich mache im letzten Moment eine Hechtrolle zur Seite als sich das Monster wieder manifestiert und mit seinen Krallen nach mir langt. Ich forme das Igni-Zeichen und eine Feuerwelle setzt das Ungetüm in Brand. Ich spüle in der Zwischenzeit einen Trank hinunter, der meine Schwerthiebe verstärkt und hacke auf das Vieh ein. Nach einem kurzen aber heftigen Gefecht liegt es blutend zu meinen Füssen. Ich entledige es seinem Gehirn, um damit später neue Tränke zu brauen. Mein Monsterbuch hat in der Zwischenzeit einen frischen Eintrag erhalten zu Nebling – die Sumpfkreatur, die ich eben erlegt habe. In Zukunft weiss ich, welche Öle ich auf das Schwert schmieren muss, gegen welche Bomben es am empfindlichsten ist und dass das Aard-Zeichen, das eine Druckwelle auslöst, wirkungsvoller gewesen wäre.
Im nächsten Kaff sehe ich mir die Anschlagstafel an und finde einen Auftrag, ein Monster zu erledigen, das die Gegend unsicher macht. Der Auftraggeber erzählt mir, dass schon mehrere Bewohner dem geheimnisvollen Wesen zum Opfer gefallen sind und schickt mich in den nahe gelegenen Wald. Auf einer Lichtung finde ich Spuren eines Kampfes. Mit meinen Hexersinnen folge ich den Blutspritzern bis zu einer angenagten Leiche. In perfekter Sherlock-Holmes-Manier analysiere ich das Opfer und komme zum Schluss, dass hier ein Werwolf am Werk sein muss. Da ich bereits mit einem zu tun hatte, sagt mir mein schlaues Buch, welche Schwächen das Biest aufweist.
Ich folge der Spur weiter in eine Höhle. Da ich meine Hände frei haben muss, nehme ich einen Trank mit dem ich für kurze Zeit im Dunklen sehen kann. Keine Sekunde zu spät, denn schon springt mich das drei Meter grosse Wolfsmonster an. Ich brenne ihm ein schönes Loch in den Pelz und werfe gleich noch eine Samum-Bombe nach, die es blendet. Ich hechte hin und zieh ihm mit dem Silberschwert ein paar über den Schädel. Davon wird der Werwolf erst recht wütend und rammt mir seine Krallen in die Brust. Schnell ein Heiltrank hinunterstürzen und aus der Distanz mit der Armbrust das Monster beharken. Von den vielen toxischen Tränken verfärbt sich mein Gesicht bereits gefährlich violet und ich muss aufpassen, mich nicht zu vergiften. Nach einem langen blutigen Kampf ist der Werwolf schliesslich erledigt. Ich zücke mein Messer und schneide mir meine Trophäe ab, die ich mir fortan an mein Pferd hänge und die mir einen Stärke-Bonus verleiht.
In der Zwischenzeit ist es dunkel geworden und das Mondlicht taucht die Welt in blaue Schatten. Ich erreiche schliesslich mein eigentliches Ziel, die Burg des Blutigen Barons. Der füllige Herscher will mir jedoch erst Auskunft über Ciri geben, wenn ich im Gegenzug seine Familie aufspüre. Was darin endet, dass ich ein fliegendes Babymonster Gassi führe, aber das ist eine andere Geschichte.
In «The Witcher 3» erlebt man ein faszinierendes Abenteuer am nächsten. Egal wo hin man geht, warten Intrigen, geheimnisvolle Wesen und versteckte Schätze.
«The Witcher 3» brilliert auf ganzer Linie. Als erstes wäre da die fantastische Grafik. Völlig Schnuppe, ob der Trailer von der Game-Messe E3 2013 möglicherweise besser ausgesehen hat. «The Witcher 3» ist ein optischer Leckerbissen und kriegt von mir drei Michelin-Sterne. Noch nie hat eine Fantasywelt so lebensecht und detailliert ausgesehen. Der Tag-Nacht-Wechsel, der Wind und der Regen während man auf einer Nussschalte über das Wasser segelt, sorgen für eine einzigartige Kulisse.
Weiter geht es mit dem stimmungsvollen Soundtrack, der vom leisen Rauschen und Knacken in düsteren Wäldern zur temperamentvolle Orchestermusik anschwillt, wenn man sich in einem Kampf befindet. Das Kampfsystem ist fordernd, aber fair. Man muss geschickt Öle, Tränke und Zauberzeichen einsetzen, um den unterschiedlichen Gegnern Herr zu werden. Und da wären wir schon beim nächsten Punkt: die Monster. Statt der immer gleichen Skelette und Zombies trifft man in «The Witcher 3» auf noch unverbrauchte Gegnerscharen, die immer neue Herausforderungen bieten.
Zusammengehalten wird das ganze von packenden Geschichte. Egal, ob man in einem verlassenen Haus ein zerfetztes Manuskript entdeckt und so eine neue Aufgabe findet, ob man Monsteraufträge erledigt oder der Hauptstory folgt, alles ist hervorragend vertont und erzählt. Jede Person hat ihre eigenen Beweggründe und Geschichte. Ab und zu muss Geralt zudem Entscheidungen fällen, die sich massgeblich auf die Story auswirken. Das Spiel kann auf 36 verschiedene Arten enden, versprechen die Entwickler.
Zu bemängeln gibt es nur Kleinigkeiten. Beim Reiten durch den Wald bleibt das Pferd gern an Bäumen und Hindernissen hängen, die Dialoge bieten meist nur eine beschränkte Auswahlmöglichkeit und was besonders nervt: es gibt keine Schnellspeichermöglichkeit, denn Geralt stirbt ziemlich oft. Zudem wird das Spiel von diversen kleinen Bugs geplagt. Einer der grösseren betrifft die Xbox One und verhindert bei gewissen Spielern korrektes Speichern oder laden. CD Projekt Red hat angekündigt, so schnell wie möglich ein Update zu liefern.
Abgesehen davon ist «The Witcher 3» ein voller Erfolg. Das, was ich bisher gesehen habe, hat mich begeistert und ich kann es kaum erwarten, noch unzählige Stunden in dieses Meisterwerk zu versenken.
«The Witcher 3» wurde mir von CD Projekt Red zur Verfügung gestellt und ist erhältlich für PC (getestet), PS4 und Xbox One.
Es ist nicht sosehr das technische Grundgerüst (Kampfsystem funktioniert gut, die offene Welt ist wunderschön, abwechslungsreich und glaubwürdig), es sind vor allem die Geschichten, die hauen mich mal ums mal wieder um.
Sei es die Geschichte um den Blutigen Baron, ich weiss nicht, ob mir je eine Geschichte so nahe ging, oder auch kleine Geschichten wie die um ein Mädchen, das ich zu seinen Eltern heimbringen sollte, usw.
Einfach ein unglaubliches Spiel (und ich bin immer noch ganz am Anfang...)