Eine leicht muffige, dunkle Spielhalle in den frühen 90ern. Überall blinkt es, Bildschirme flackern und das Vertraute Geräusch von Knöpfchenhämmern hallt durch die Luft. Ein Drache mit gespaltener Zunge sucht nach Aufmerksamkeit. Er bekommt sie auch. «Mortal Kombat» steht auf dem schwarzen Kasten, der die Besucher magisch anzieht…
Krass: Echte Menschen gehen auf dem Bildschirm aufeinander los. Blut spritzt literweise. Ein blauer Ninja donnert einen Faustschlag nach dem anderen in das Gesicht einer Figur, die mit spitzem Hut nach hinten taumelt. Mit einem Blitzangriff wird gekontert. Ein Raunen geht durch die Spielhalle. Als eine Spielfigur keine Energie mehr besitzt, erscheint der Schriftzug «Finish him!!». Eine Aufforderung an den zukünftigen Gewinner, den Verlierer nochmals richtig zu demütigen und ihn spektakulär ins digitale Nirvana zu katapultieren. Der Bildschirm verdunkelte sich etwas und es folgt eine schockierende, ziemlich verstörende, aber auch wahnsinnig faszinierende Szene, die sich ins Langzeitgedächtnis brennt.
Als «Mortal Kombat» 1992 das Licht der Welt in den Spielhallen erblickte, traute man seinen Augen kaum. Anstatt dass sich comicartige Figuren in einer begrenzen Arena aufs Maul hauten, wurden echte Schauspieler gefilmt und schliesslich digital und äusserst fotorealistisch ins Spiel eingefügt. Heute mag man über die verwaschene Optik schmunzeln, aber damals war das eine Revolution fürs Auge. Klar, dass die damals realistisch wirkende Grafik in Verbindung mit dem hohem Gewaltfaktor zahlreiche Jugendschützer auf den Plan rief. Auch wenn der Bluteffekt übertrieben eingesetzt wurde, «Mortal Kombat» war brutal und überschritt Grenzen. Aber genau das war das Ziel der Macher…
In den 90er-Jahren erlebten Prügelspiele ihre Blütezeit. Es gab nicht nur immer mehr Sidescroller, sondern auch immer mehr Fighting-Games à la «Street Fighter 2», die vor allem in den Spielhallen die Massen anzogen. Es verging fast kein Monat, in dem nicht ein neues Prügelspiel in der Spielhalle vorgestellt wurde. Während wir hier in unseren Breitengraden aber nie eine grosse Auswahl erhielten, wurde in Japan ein Spiel nach dem anderen rausgehauen. Gegen die japanische Übermacht wollte die Firma Midway Games mit Sitz in Chicago etwas unternehmen, um sich ein grosses Stück vom Kuchen abzuschneiden. Es waren schliesslich die Entwickler Ed Boon und John Tobias, die ihrer Kreativität freien Lauf liessen.
Die realistische Optik mag für viele der Hauptanziehungspunkt gewesen sein. Das was uns aber wirklich in die Spielhallen zog, war die grosse Herausforderung. Nicht nur das Bestreiten des Turniers, sondern das Herausfinden und Erlernen der sogenannten Fatalities. Denn jedesmal wenn der Gegner am Ableben war und der Schriftzug «Finish him!!», respektive «Finish her!!», auftauchte, war dies die klare Aufforderung an den Spieler, den Gegner mit einem Finishing-Move regelrecht zu malträtieren. Bevor man aber einer Figur das Herz herausreissen konnte oder ihm den Kopf samt Rückgrat aus dem Körper riss, musste eine bestimmte Tastenkombination eingegeben werden. Dass man mit einer bestimmten Abfolge Specialmoves vom Stapel lassen konnte, war von anderen Genre-Vertretern bekannt, aber die Ausführung eines Todesschlages war neu und faszinierend.
Faszinierend war auch, dass im Spiel ein geheimer Kämpfer (Reptile!) und eine geheime Stage auf die Spielerinnen und Spieler warteten. Das spornte zusätzlich an, ganz viele Münzen in den Automaten zu versenken, um alles zu entdecken.
1993 kam bereits die Heimumsetzung in die Läden. Auch hier folgte wieder eine Welle der Empörung durch die Lande. Dieses Mal hauptsächlich seitens der Eltern, als sie sahen, mit was für einem brutalen Videospiel sich der Nachwuchs intensiv beschäftigte. Bei der Super-NES-Version wurde der Bluteffekt zwar komplett entfernt, bei der Mega-Drive-Version war er aber noch vorhanden, sofern man ihn mit einer geheimen Tastenkombination via Startbildschirm freischalten konnte. Auch die Fatalities wurden zensiert. Und trotzdem waren Medienpädagogen und Eltern schockiert über die damals echt wirkenden Handlungen auf den heimischen Bildschirmen.
Um was ging es denn eigentlich? Die Handlung war wie bei vielen Genre-Vertretern total egal. Die finsteren Mächte der Aussenwelt wollen die Erde erobern und unterjochen. Doch bei einem Turnier zwischen den beiden Welten bekommt die Menschheit eine Chance, die Invasion abzuwehren. Sieben Auserwählte dürfen sich aufs Maul geben und schliesslich zwei schaurig schöne Endgegner bodigen.
Dieser Dualismus zwischen Earthrealm und Outworld ist heute immer noch Bestandteil der Grunddramaturgie. Aber durch zahlreiche Fortsetzungen und Ableger hat sich die Franchise schon oft selber in den Schwanz gebissen, so dass auch Kenner der Reihe manchmal Stirnfalten bei der geschichtlichen Rekapitulation bekommen.
Sechs Haudegen und eine Frau bestreiten das Turnier: Der Ninja Sub-Zero darf mit Eis um sich schmeissen und Gegner einfrieren, während seine Nemesis Scorpion, ein untoter Ninja, mit einem Seil inklusive Speerspitze die Gegner mit dem klassischen «Get over here!» an sich heran zieht. Johnny Cage ist ein selbstverliebter Schauspieler und Martial-Arts-Experte, der gerne in die Weichteile haut. Liu Kang ist da etwas braver. Der Shaolin-Mönch ist der klassische Held, der auf dem Reissbrett entstand und Raiden ist ein Donnergott, der mit Blitzen um sich schlägt.
Dann wäre da noch Bösewicht Kano, der mit Metallplatte im Gesicht und seinem rot glühenden Auge an den Terminator erinnert. Als einzige Frau darf schliesslich die Soldatin Sonya Blade am Turnier teilnehmen, die vor allem mit Kano eine ganz persönliche Rechnung offen hat. Wie gehabt haben alle Figuren ihre eigenen Beweggründe, müssen aber alle das vierarmige Monster Goro und schliesslich noch Oberbösewicht Shang Tsung aufs Kreuz legen, der eine besonders fiese Masche auf Lager hat: Er transformiert sich während des Endkampfes regelmässig in alle «Mortal Kombat»-Figuren, so dass man sich ständig neu orientieren muss.
«Mortal Kombat» provozierte ganz bewusst. Dieses Videospiel schrie förmlich nach Aufmerksamkeit. Mit dem digitalen Blut kaschierte es aber auch seine spielerische Schlichtheit gegenüber der Genre-Konkurrenz. Aber die damals realistische Grafik, die brutalen Fatalities und übertriebenen Todesschreie zogen die Masse an und formten einen Kult, der vor allem in der Spielhalle zu erleben war. Heute schockiert das Videospiel kaum mehr. Wer sich die erste Version nochmals zu Gemüte führt, muss eher schmunzeln und erinnert sich daran, wie man auf dem Pausenhof damit prahlte, wenn man endlich auch «Mortal Kombat» (heimlich) spielen konnte.
Welche Erinnerungen habt ihr an das erste «Mortal Kombat»? Teilt sie mit uns via Kommentarspalte!
Damals musste/durfte/wollte ich noch an mehreren Wochenenden die Autos und Motorräder von Nachbarn waschen und putzen, für je 5.- das Stück, um mir das Spiel kaufen zu können.