Auch wenn ich nach dem letzten Ableger in Sachen «Assassin’s Creed» ziemlich müde war, habe ich mich auf das raue Setting im Norden Europas sehr gefreut. Als Wikinger dem Brandschatzen frönen und einfach mal wieder die Sau rauslassen, die Euphorie war da. Aber nach rund zwanzig Spielstunden hatte ich keine Lust mehr.
Als Frau (das Geschlecht kann zu Beginn der Story gewählt werden) werde ich Schritt für Schritt in das Wikinger-Leben eingeführt. Ich lerne meine Familie kennen, nehme an rauschenden Festen teil und muss schliesslich klischeehaft mitansehen, wie wichtige Familienmitglieder in einer Blutlache ums Leben kommen.
Was folgt, ist die typische Rachegeschichte: Ich folge meinem Bruder nach England, um dort ein Königreich zu errichten und dürste gleichzeitig danach, mich an meinen Peinigern der Vergangenheit zu rächen. Diese dramaturgischen Grundpfeiler kennt man als Videospiel-Fan schon zu genüge, aber beide Augen werden zugedrückt, wenn zum ersten Mal die raue Landschaft im Norden erkundet werden darf. Taucht man tiefer in die Geschichte ein, gesellt sich aber rasch die Langweile mit aufs Sofa.
Die weiteren erzählerischen Schritte sind so sehr vorhersehbar und plump, dass ich schnell einmal auf Durchzug geschaltet habe. Die Charaktere sind eindimensional, sprudeln nur so vor Klischees und Empathie mit der Protagonistin will sich nicht einstellen. Die Story und die darin herumwuselnden Figuren werden Stunde um Stunde schlichtweg komplett egal.
Alles wie immer und noch langweiliger. Das Nullachtfünfzehn-Ubisoft-Gameplay hat hier besonders intensiv zugeschlagen. Ich renne oder reite von Punkt A nach Punkt B, um Figur X zu helfen oder Objekt Y zu holen. Danach gibt es eine Zwischensequenz und das Ganze beginnt wieder von vorne. Jede einzelne Hauptmission gleicht der anderen. Auch die vielen Nebenmissionen funktionieren nach demselben Schema. Abwechslung? Absolut nicht vorhanden.
Jeder Spielzug fühlt sich genau gleich an wie der vorherige. Der Einheitsbrei scheint regelrecht aus meiner Konsole zu tropfen. Kämpfen, plündern, aufleveln und wieder alles von vorne. Auch die Möglichkeit, die eigene Siedlung aufzubauen wird schnell zur Langeweile. Denn auch hier müssen zuerst Materialien gesucht und eingesetzt werden, bis ich mal eine Schmiede und sonstige Gebäude herstellen kann.
Und für den weiteren Spielverlauf ist das alles auch komplett egal. Denn die Kämpfe sind keine Herausforderung. Auch mit den Standardwaffen und denselben Fähigkeiten wie zu Beginn können die ach so starken Gegner gebodigt werden. Alles, was es dazu braucht, ist ein wenig Geschicklichkeit und schnelle Reaktionen.
Auch das einst so grandiose Herumschleichen und Infiltrieren wird im jüngsten Ableger zur Farce. Denn auch mit blosser Waffengewalt kommt man stets zu seinem Ziel. Der einstige Grundgedanke und das Aushängeschild der Reihe werden mit Füssen getreten. Nein, das ist nicht mehr mein «Assassin’s Creed».
Ja die Welten der «Assassin’s Creed»-Reihe wurden immer grösser und überfrachteter. Daran hat man sich mittlerweile gewöhnt. Auch bei «Valhalla» hat sich da nichts geändert. Zwar erschlägt einen die Karte zu Beginn nicht so sehr wie beim Vorgänger, aber schaut man sich das Ganze genauer an und klettert auf die bekannten Aussichtsplattformen, um alles aufzudecken, ist da sofort wieder diese Unlust da. Überall ploppt dieses und jenes auf und schon sehe ich vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr.
Klar, ich darf auch nur brav die Hauptmissionen abklappern, aber da die erzählte Geschichte kaum zünden mag, hofft der Spieler, wenigstens in der freien Welt seinen Spass zu haben. Doch auch bei den Nebenschauplätzen wird Originalität schmerzlich vermisst. Die meisten Aufgaben sind so dumm und so belanglos, dass man wieder automatisch zur Hauptgeschichte wechselt und hofft, dass sie bisschen mehr Drama präsentiert. Aber nein, passiert halt nicht.
Das Schlimmste sind die technischen Aussetzer, wo einem als Spieler die Haare zu Berge stehen. Durch Personen kann ich öfters hindurchlaufen, einige begrüssen mich in der Endlosschleife, Dialoge werden einfach geschluckt, Gesichter erstarren, Objekte ploppen auf, Tiere verschwinden oder Schiffe lassen sich einfach nicht aus dem Hafen manövrieren. Die Liste wird länger und länger. Auch Missionen können plötzlich nicht beendet werden und nur noch ein Abbruch und die Rückkehr zum Titelbildschirm helfen weiter.
Über Objekte, die im Boden versinken oder Figuren, die über den Schnee schweben, kann man sich ja noch amüsieren. Aber wenn ich einen Spielstand mehrmals neu landen muss, um überhaupt fortfahren zu können, dann reisst auch dem tolerantesten Spieler der Geduldsfaden.
Nach gut zwanzig Stunden wurde bei mir die Toleranzgrenze überschritten. Die technischen Aussetzer wiederholten sich zu oft, die Missionen gerieten in die Endlosschleife und auch das Kämpfen ohne Herausforderung langweilte mich.
Zusätzlich kam die Geschichte einfach nicht vom Fleck. Zwar wurde dann endlich auf den Dualismus zwischen Assassinen und Templer kurz eingegangen, aber dann auch schnell wieder in den Hintergrund gerückt, so dass es mich mit der Zeit überhaupt nicht mehr interessierte, wer sich jetzt gegen wen verschwor und wer hier einen auf Brutus macht.
Diese ganze Seelenlosigkeit führte sogar dazu, dass ich die Abschnitte in der realen Spielwelt (also derjenige Bereich, der fernab des Simulationsprogramms Animus spielt) am interessantesten fand, weil hier dichter erzählt wurde und man etwas tiefer in die Mythologie eintauchen durfte.
Ja, die Wikinger-Atmosphäre und das raue Setting ziehen zu Beginn in ihren Bann und die kalten, kargen Landschaften sind im Vergleich zum Vorgänger äusserst erfrischend.
Doch das Gameplay ohne nennenswerte Neuerungen wirkt stumpfer denn je, die Story bietet in den ersten zwanzig Stunden keine Höhepunkte und die technischen Aussetzer führen zu regelmässigem Kopfschütteln.
Nein, dieses «Assassin’s Creed Valhalla» lässt mich total kalt. Nach vielen Stunden hatte ich genug, die Motivation verschwand und es war mir komplett egal, wohin mich dieses Videospiel noch führen wollte.
Ich bin raus!
«Assassin’s Creed Valhalla» ist erhältlich für Playstation 4 (getestet), Xbox One und PC. Die Next-Gen-Versionen erscheinen demnächst. Freigegeben ab 18 Jahren.