Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Und jetzt kritisiert ausgerechnet der Schurter die Tesla-Fans. Dabei ist er doch selbst der grösste Apple-Fanboy ...
Fürs Protokoll: Wer Diskussionspartner als «Fanboy» verunglimpft, ist nicht am echten Austausch von Argumenten interessiert. Der Begriff steht bei mir auf dem Index. Ich verwende ihn hier ausnahmsweise zu satirischen Zwecken.
Beleidigende Kommentare und unbegründete Angriffe werden kommentarlos gelöscht. Hingegen freue ich mich auf eine angeregte und tiefgründige Diskussion.
Aber der Reihe nach ...
Wer in den letzten Wochen die Berichterstattung über Tesla verfolgte, musste sich verwundert die Augen reiben. Was ist nur aus dem Medienliebling Elon Musk geworden?
Eine negative Schlagzeile jagte die nächste. Fast täglich gab es neue Hiobsbotschaften aus Kalifornien.
Tesla im perfekten Shitstorm.
Dabei hatte 2018 gut angefangen für Musk. Der Multimilliardär nutzte im Februar einen Raketenstart für kostspielige, aber unbezahlbare Werbung aus dem Weltraum.
Ein kirschroter Elektroflitzer, der schwerelos durchs All gleitet. Was sollte dieses Unternehmen aufhalten?
Musk wurde als Visionär gefeiert, der dereinst mit einer Kolonie auf dem Mars die Menschheit retten könnte.
Darob gingen die massiven Produktionsprobleme auf dem Heimatplaneten zumindest vorübergehend vergessen ...
Keine zwei Monate später landet der 48-Jährige auf dem harten Boden der Tatsachen. Ein tragischer Wendepunkt ist der tödliche Unfall auf einer kalifornischen Autobahn, bei dem ein Familienvater und Apple-Ingenieur das Leben verliert. Tesla versagt bei der Krisenkommunikation und verspielt viel Goodwill.
Noch sind die Umstände nicht geklärt und es läuft die offizielle Untersuchung. Sie soll klären, ob der «Autopilot» versagte, der Mensch, der hinter dem Lenkrad sass, oder beide.
Doch gab es vorschnelle Schuldzuweisungen, die nicht zielführend waren, sondern unangebracht, ja pietätlos:
Halten wir fest:
Um zu verstehen, warum kritische Berichte über den Elektroauto-Pionier dermassen heftige Reaktionen auslösen, lohnt es sich, die Gemeinsamkeiten mit Apple zu betrachten.
Und beide Unternehmen schaffen es, bei Fans und Kunden eine Wir-gegen-den-Rest-der-Welt-Stimmung zu erzeugen.
Daraus folgt:
Es spricht an sich nichts dagegen, dass sich Menschen mit einer Marke oder einem Unternehmen identifizieren. Wir sind keine Maschinen, sondern emotionale Wesen.
Während Christentum, Islam und Co. in aufgeklärten, demokratischen Staaten Gott sei Dank (Tschuldigung!) an Relevanz verlieren, rücken die Ersatzreligionen nach.
Das erkennt man daran, dass umgehend von medialen Verschwörungen und «Bashing» die Rede ist, wenn Berichte erscheinen, die das vergötterte Unternehmen und seine Produkte infrage stellen oder in schlechtem Licht erscheinen lassen.
Ja, auch ein glänzendes Smartphone kann starke Gefühle auslösen. Und wer in einem «Model X» den Neuwagenduft einatmet, dürfte sich der Lichtgestalt Elon Musk ganz nah fühlen.
Wenn aber jede Kritik an einem Unternehmen als persönlicher Angriff empfunden und kategorisch abgelehnt wird, ist das verheerend. Denn es geht um sehr viel mehr ...
Es gibt leider eine weitere tragische Parallele, was Apple und Tesla betrifft. Die Produkte beider Unternehmen können verheerende Auswirkungen haben im Strassenverkehr.
Das iPhone hat am Steuer nichts verloren, wie auch die «Autopilot»-Funktion nicht für das autonome Fahren taugt.
Dass sich Tesla-Fahrer dazu hinreissen lassen, die Hände nicht in Nähe des Steuers zu belassen, weil die «Autopilot»-Software schon dermassen gut funktioniert, ist menschlich nachvollziehbar – und brandgefährlich.
Ja, ich halte es für egoistisch und dumm, so das eigene Leben und das von unbeteiligten Dritten aufs Spiel zu setzen.
Das Problem: Tesla trägt wegen missverständlicher Kommunikation eine Mitverantwortung beim verantwortungslosen Verhalten einzelner Kundinnen und Kunden.
Auf dem Prüfstand steht das Versprechen von Tesla, wonach sich die Fahrzeuge in näherer Zukunft per Software-Update in autonom fahrende Autos verwandeln liessen.
Der US-Journalist Timothy Lee beschreibt in einem lesenswerten Beitrag bei Ars Technica, warum Teslas Versprechungen hinsichtlich selbstfahrender Autos problematisch sind.
Die wichtigsten Erkenntnisse:
Fazit: Wir werden in nicht allzu ferner Zukunft erleben, wie der Strassenverkehr dank selbstfahrenden Autos um Welten sicherer und entspannter abläuft. Und wir werden uns verwundert an die Zeit zurückerinnern, in der abgelenkte und betrunkene Lenker unsägliches Leid verursachten.
Noch sind wir aber nicht dort, und müssen genau hinschauen, wenn Leben durch nicht ausgereifte Features oder die missbräuchliche Bedienung derselben gefährdet ist.
Es braucht die öffentliche Diskussion und es braucht strenge rechtliche Leitplanken, um alle Verkehrsteilnehmer zu schützen.
Das weiss niemand besser als der Tesla-Chef selbst. Nur öffentlich sagen kann er dies nicht. Das müssen andere.
Schreib uns via Kommentarfunktion! Der Autor antwortet gern auf begründete Kritik und nimmt zu Fragen Stellung.